Essen. Die Fotojournalistin Anja Niedringhaus ist am Freitag in Afghanistan erschossen worden. Oliver Multhaup, Mitglied der Chefredaktion der WAZ, erinnert sich in seinem Nachruf an die Kollegin, die seit vielen Jahren seine gute Freundin war - eine von Idealen geprägte Journalistin.

„Ich will allen zeigen, dass Schießen ganz schrecklich ist“, hat Anja Niedringhaus einmal in einem Radiointerview gesagt. Die deutsche Fotografin der Nachrichtenagentur AP war eine gute Freundin und langjährige Kollegin von mir. Wir kannten uns 24 Jahre. Sie wurde am Freitagmorgen in der Provinzhauptstadt Khost im Osten Afghanistans von einem afghanischen Polizisten erschossen. „Deutsche Kriegsfotografin erschossen“ titelten die Nachrichtenagenturen. Kriegsfotografin, das klingt reißerisch. Blutig. Nach gefahrsuchendem Hasardeur. Aber das wird Anja Niedringhaus nicht gerecht.

Vielmehr gehörte sie zu den vielen Journalisten, die, von Idealen geprägt, tagtäglich aus den Krisenregionen dieser Welt berichten, ihr Leben riskieren, weil sie sich nicht damit abfinden können, dass in der heutigen schnelllebigen Zeit so viel untergeht, was uns berühren solte. Sie wollen Augenzeugin sein für uns, damit wir hinsehen. Anja war eine von ihnen. Ein immer fröhlicher Mensch mit sehr viel Humor und dem breitesten Lachen, das man sich vorstellen kann.

Eine Frau flüchtet mit ihrem Kind aus der irakischen Stadt Basra.
Eine Frau flüchtet mit ihrem Kind aus der irakischen Stadt Basra. © AP/Anja Niedringhaus | Unbekannt

Sie konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass so viel Gewalt und Leid in der Welt ist „und dass viele da nicht richtig hinschauen“. „Es geht mir bei meiner Arbeit darum, die Geschichten der Menschen zu erzählen, die in Konfliktzonen wie in Afghanistan ihren Alltag meistern müssen. Ihre Stimmen werden oft vergessen oder ignoriert. Wenn man über sie berichtet, dann häufig nur in Beziehung zum Westen, ohne sie als diejenigen wahrzunehmen, die sie sind“, sagte sie unlängst in einem Interview. Das bringt es auf den Punkt. Sie wollte immer zeigen, wie nah beieinander Leid und Krieg und kleine Glücksmomente der Menschen in den Krisenregionen sind.

Niedringhaus wollte zeigen, wie Menschen unter Krisen leiden

So hat sie fotografiert, ihre Bilder sind Mahnmale für die Menschlichkeit. Fangen Details ein, Kinderlachen, Gesichtszüge, spielen mit Schärfe und Fokus. Zeigen Gegensätze. Fesseln. Sie habe oft Angst, hat sie mir einmal erzählt, war sich der Gefahr aber immer bewusst und ist sehr sorgsam damit umgegangen. Aber wollte wachrütteln, uns zeigen, wie Menschen unter Krisen leiden.

Anja Niedringhaus' Bilder vom Krieg

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. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP Photo/Anja Niedringhaus
Bilder der in Afghanistan getöteten Kriegsfotografin Anja Niedringhaus: Die 48-Jährige war in Afghanistan, um über die Präsidentschaftswahlen zu berichten, als sie von einem Mann in Polizeiuniform erschossen wurde. Seit vielen Jahren berichtete Niedringhaus für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) aus Kriegsgebieten. Dieses Foto zeigt einen Soldaten der afghanischen Armee in einem Vorort von Kabul.
Bilder der in Afghanistan getöteten Kriegsfotografin Anja Niedringhaus: Die 48-Jährige war in Afghanistan, um über die Präsidentschaftswahlen zu berichten, als sie von einem Mann in Polizeiuniform erschossen wurde. Seit vielen Jahren berichtete Niedringhaus für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) aus Kriegsgebieten. Dieses Foto zeigt einen Soldaten der afghanischen Armee in einem Vorort von Kabul. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
US-amerikanische Fallschirmjäger verbrennen ihre Fallschirme.
US-amerikanische Fallschirmjäger verbrennen ihre Fallschirme. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Soldaten transportieren ihren verletzten Kameraden, Unteroffizier Burness Britt, zum Helikopter. Britt war durch eine Bombe in der afghanischen Provinz Helmand verwundet worden.
Soldaten transportieren ihren verletzten Kameraden, Unteroffizier Burness Britt, zum Helikopter. Britt war durch eine Bombe in der afghanischen Provinz Helmand verwundet worden. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Unteroffizier Britt im Helikopter: Schrapnell hatte seine Halsschlagader verletzt.
Unteroffizier Britt im Helikopter: Schrapnell hatte seine Halsschlagader verletzt. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Eine Soldatin hält die Hand des Verletzten.
Eine Soldatin hält die Hand des Verletzten. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Monate nach seiner Verletzung suchte Fotografin Anja Niedringhaus nach Unteroffizier Britt, um zu erfahren, was aus dem Marine geworden war: Seine Reaktion auf die Bilder vom Tag seiner Verwundung hielt Niedringhaus beim Besuch im Krankenhaus ebenfalls fest.
Monate nach seiner Verletzung suchte Fotografin Anja Niedringhaus nach Unteroffizier Britt, um zu erfahren, was aus dem Marine geworden war: Seine Reaktion auf die Bilder vom Tag seiner Verwundung hielt Niedringhaus beim Besuch im Krankenhaus ebenfalls fest. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Sicher gelandet: Blackhawk-Pilot Robert A. Campbell nach dem Einsatz, bei dem Burness Britt gerettet wurde.
Sicher gelandet: Blackhawk-Pilot Robert A. Campbell nach dem Einsatz, bei dem Burness Britt gerettet wurde. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein US-amerikanischer Soldat sichert den Ort eines Selbstmord-Anschlags auf einen Nato-Konvoi in Kabul, bei dem zahlreiche Menschen getötet und verletzt wurden.
Ein US-amerikanischer Soldat sichert den Ort eines Selbstmord-Anschlags auf einen Nato-Konvoi in Kabul, bei dem zahlreiche Menschen getötet und verletzt wurden. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Polizist hält die Menschen zurück, nachdem eine Bombe unter einem Auto im Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul explodiert ist.
Ein Polizist hält die Menschen zurück, nachdem eine Bombe unter einem Auto im Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul explodiert ist. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein afghanisches Flüchtlingsmädchen weint, nachdem ein anderes Kind seine Essensmarke gestohlen hat.
Ein afghanisches Flüchtlingsmädchen weint, nachdem ein anderes Kind seine Essensmarke gestohlen hat. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein deutscher Soldat feiert seinen 34. Geburtstag während seines Einsatzes in Afghanistan.
Ein deutscher Soldat feiert seinen 34. Geburtstag während seines Einsatzes in Afghanistan. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein afghanischer Junge auf einem Karussell: Niedringhaus dokumentierte schwerpunktmäßig die Auswirkungen des Krieges auf die Menschen hinter der Front.
Ein afghanischer Junge auf einem Karussell: Niedringhaus dokumentierte schwerpunktmäßig die Auswirkungen des Krieges auf die Menschen hinter der Front. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Mädchen mit Burka beim Spielen in Kabul.
Ein Mädchen mit Burka beim Spielen in Kabul. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Die Mutter mit ihrem Baby ist in einem Frauengefängnis in Afghanistan inhaftiert, weil sie sich scheiden lassen wollte.
Die Mutter mit ihrem Baby ist in einem Frauengefängnis in Afghanistan inhaftiert, weil sie sich scheiden lassen wollte. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein afghanisches Mädchen probiert, auf seinen neuen Bein-Prothesen zu laufen; die kleine Schwester greift nach den Krücken.
Ein afghanisches Mädchen probiert, auf seinen neuen Bein-Prothesen zu laufen; die kleine Schwester greift nach den Krücken. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Afghane geht durch einen Fluss östlich von Kundus.
Ein Afghane geht durch einen Fluss östlich von Kundus. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein afghanischer Nomade küsst seine kleine Tochter in der Provinz Helmand.
Ein afghanischer Nomade küsst seine kleine Tochter in der Provinz Helmand. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Vater mit seinen Kindern in Kandahar.
Ein Vater mit seinen Kindern in Kandahar. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Afghanische Jungen spielen Fußball.
Afghanische Jungen spielen Fußball. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Bei diesem traditionellen afghanischen Spiel kämpfen Männer mit Schlingen gegeneinander.
Bei diesem traditionellen afghanischen Spiel kämpfen Männer mit Schlingen gegeneinander. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Bundeswehr-Soldat beim ISAF-Einsatz in Afghanistan.
Ein Bundeswehr-Soldat beim ISAF-Einsatz in Afghanistan. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Bundeswehr-Soldat kommt von einer Mission außerhalb von Kundus zurück.
Ein Bundeswehr-Soldat kommt von einer Mission außerhalb von Kundus zurück. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Eine Drohne startet von einem militärischen Posten der Bundeswehr außerhalb von Kundus.
Eine Drohne startet von einem militärischen Posten der Bundeswehr außerhalb von Kundus. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Bundeswehr-Soldat lässt einen afghanischen Mann und einen Jungen Musik von seinem iPod hören.
Ein Bundeswehr-Soldat lässt einen afghanischen Mann und einen Jungen Musik von seinem iPod hören. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Lebensmittel für die US-amerikanischen Truppen werden während eines Sandsturmes in der Provinz Helmand aus einem Flugzeug abgeworfen.
Lebensmittel für die US-amerikanischen Truppen werden während eines Sandsturmes in der Provinz Helmand aus einem Flugzeug abgeworfen. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Sekunden, bevor sein Trupp mit Granaten angegriffen wird, verjagt ein kanadischer Soldat beim Einsatz ein Huhn.
Sekunden, bevor sein Trupp mit Granaten angegriffen wird, verjagt ein kanadischer Soldat beim Einsatz ein Huhn. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein Junge streckt kanadischen Soldaten auf Patrouille die Zunge heraus.
Ein Junge streckt kanadischen Soldaten auf Patrouille die Zunge heraus. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein kanadischer Soldat auf Patrouille in der Nähe von Kandahar.
Ein kanadischer Soldat auf Patrouille in der Nähe von Kandahar. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Kanadische Soldaten bei einer Übung in Afghanistan.
Kanadische Soldaten bei einer Übung in Afghanistan. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Kameraden eines gefallenen kanadischen Soldaten tragen seinen Sarg zum Flugzeug in Kandahar.
Kameraden eines gefallenen kanadischen Soldaten tragen seinen Sarg zum Flugzeug in Kandahar. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Eine zerstörte Schule: Taliban hatten sich dort verschanzt, nachdem sie ein Gebäude in der Nähe angegriffen hatten. Nachdem die afghanische Armee um Unterstützung gebeten hatte, waren die Taliban in der Schule mit Drohnen und Kampfjets angegriffen worden.
Eine zerstörte Schule: Taliban hatten sich dort verschanzt, nachdem sie ein Gebäude in der Nähe angegriffen hatten. Nachdem die afghanische Armee um Unterstützung gebeten hatte, waren die Taliban in der Schule mit Drohnen und Kampfjets angegriffen worden. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Ein US-amerikanischer Soldat kümmert sich um einen Sprengstoff-Spürhund, der bei einem Einsatz in der Provinz Helmand verletzt worden ist.
Ein US-amerikanischer Soldat kümmert sich um einen Sprengstoff-Spürhund, der bei einem Einsatz in der Provinz Helmand verletzt worden ist. © AP Photo/Anja Niedringhaus | AP
Auf diesem Bild aus dem Jahr 2003 zeigt Anja Niedringhaus irakische Frauen, die aus Basra fliehen wollen. H
Auf diesem Bild aus dem Jahr 2003 zeigt Anja Niedringhaus irakische Frauen, die aus Basra fliehen wollen. H © AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Ein US-Soldat weint bei einem Gedenkgottesdienst für 31 Kameraden, die im Irak getötet worden sind.
Ein US-Soldat weint bei einem Gedenkgottesdienst für 31 Kameraden, die im Irak getötet worden sind. © AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Heiligabend 2002: Ein Weihnachtsmann besucht US-Truppen im Camp Commando in Kuwait. HANDOUT - FILE - In this Tuesday, Dec. 24, 2002 file photo, hundreds of U.S. Marines gather at Camp Commando in the Kuwait desert during a Christmas eve visit by Santa Claus. Anja Niedringhaus, a courageous and immensely talented Associated Press photographer who has covered everything from sports to war, was killed while covering elections in Afghanistan on Friday April 4, 2014. Niedringhaus was in a car in eastern Afghanistan with AP reporter Kathy Gannon when, according to a freelancer who was with them, an Afghan policeman approached them, yelled
Heiligabend 2002: Ein Weihnachtsmann besucht US-Truppen im Camp Commando in Kuwait. HANDOUT - FILE - In this Tuesday, Dec. 24, 2002 file photo, hundreds of U.S. Marines gather at Camp Commando in the Kuwait desert during a Christmas eve visit by Santa Claus. Anja Niedringhaus, a courageous and immensely talented Associated Press photographer who has covered everything from sports to war, was killed while covering elections in Afghanistan on Friday April 4, 2014. Niedringhaus was in a car in eastern Afghanistan with AP reporter Kathy Gannon when, according to a freelancer who was with them, an Afghan policeman approached them, yelled "Allahu Akbar" _ God is Great _ and opened fire on them in the back seat with his AK-47. Niedringhaus was killed instantly and Gannon was wounded. AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ © AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Eine Straßensperre in Afghanistan im Jahr 2002.
Eine Straßensperre in Afghanistan im Jahr 2002. © AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Ein Junge lässt in der Nähe von Kabul einen Drachen steigen.
Ein Junge lässt in der Nähe von Kabul einen Drachen steigen. © AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Ein Mann auf einem Esel folgt einem Bundeswehr-Konvoi in der Nähe von Kundus in Afghanistan.
Ein Mann auf einem Esel folgt einem Bundeswehr-Konvoi in der Nähe von Kundus in Afghanistan. © dAP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
US-Präsident George W. Bush feiert Thanksgiving mit Soldaten auf dem Flughafen von Bagdad.
US-Präsident George W. Bush feiert Thanksgiving mit Soldaten auf dem Flughafen von Bagdad. © Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Afghanische Frauen waschen Wäsche im Zentrum der Hauptstadt Kabul.
Afghanische Frauen waschen Wäsche im Zentrum der Hauptstadt Kabul. © EPA/ANJA NIEDRINGHAUS/dpa | dpa
Kleine Mädchen warten im Jahr 2002 am Zaun eines Bundeswehr-Camps in Afghanistan.
Kleine Mädchen warten im Jahr 2002 am Zaun eines Bundeswehr-Camps in Afghanistan. © EPA/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Ein libyscher Rebell warnt Menschen vor dem Beschuss durch Gaddafis Truppen in der Nähe von Bin Jawaad.
Ein libyscher Rebell warnt Menschen vor dem Beschuss durch Gaddafis Truppen in der Nähe von Bin Jawaad. © AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Ein israelischer Soldat feiert 60 Jahre Israel.
Ein israelischer Soldat feiert 60 Jahre Israel. © AP Photo/Anja Niedringhaus/dpa | dpa
Die bosnische Muslima Ziba Suba sucht 1995 in den Trümmern ihres bei einem serbischen Angriff zerstörten Wohnhauses in Sarajevo nach den letzten Habseligkeiten.
Die bosnische Muslima Ziba Suba sucht 1995 in den Trümmern ihres bei einem serbischen Angriff zerstörten Wohnhauses in Sarajevo nach den letzten Habseligkeiten. © Anja Niedringhaus epa/dpa | dpa
Die Fotojournalistin Anja Niedringhaus starb am 4. April 2014 im Alter von 48 Jahren. Sie war in Afghanistan, um über die Präsidentschaftswahlen zu berichten. Sie wurde nach Angaben der Behörden von einem afghanischen Polizisten erschossen.
Die Fotojournalistin Anja Niedringhaus starb am 4. April 2014 im Alter von 48 Jahren. Sie war in Afghanistan, um über die Präsidentschaftswahlen zu berichten. Sie wurde nach Angaben der Behörden von einem afghanischen Polizisten erschossen. © AP Photo/Peter Dejong/dpa | dpa
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Anja Niedringhaus wurde 1965 in Höxter in Westfalen geboren, studierte in Göttingen Literatur und Philosophie, fotografierte gleichzeitig für das Göttinger Tageblatt. Von dort ging sie 1990 zur Nachrichtenagentur EPA, einem Zusammenschluss großer europäischer Agenturen. Dort traf ich sie zum ersten mal, lustig, mit „großer Klappe“, neugierig auf die Welt. Wir berichteten zusammen vom Fall der Berliner Mauer und von vielen Sportereignissen. Die hat sie neben ihren Einsätzen in den Krisenherden der Welt immer gern fotografiert, wir erlebten viele große Ereignisse als Kollegen und gute Freunde.

Fotografin schmuggelte Essen für Hungernde ins besetzte Sarajevo

Als Anfang der Neunziger der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach wollte sie dahin, weil sie ahnte, wie die Zivilbevölkerung litt. Geprägt von einem Jahr für die Kindernothilfe in Indien während des Studiums konnte sie es nicht ertragen, dass Kinder leiden. An ihrem ersten Tag in Sarajevo wurde sie von einem Heckenschützen getroffen, überlebte dank einer kugelsicheren Weste.

Was der Krieg für Menschen bedeutet, wollte Anja Niedringhaus mit ihren Bildern deutlich machen.
Was der Krieg für Menschen bedeutet, wollte Anja Niedringhaus mit ihren Bildern deutlich machen. © dpa | Unbekannt

Sie rannte nicht weg, blieb, und schmuggelte später mehrfach bei Nacht im Rucksack Essen durch die feindlichen Linien in die besetzte Stadt. Sie bestach die belagernden Soldaten mit Salami, ganz einfach, ganz menschlich. Wenn sie das erzählte, musste man lachen: Ihre Art zu erzählen, mit Händen und Füßen, in schneller Sprache und mit viel Lachen war immer ansteckend, auch wenn die Realität bitterer Ernst war.

Im Kosovo 1998 wurde ihr Wagen von einer Granate getroffen, sie überlebte leicht verletzt. In Albanien gehörte sie zu einer Gruppe von Journalisten, die irrtümlich von Nato-Flugzeugen bombardiert wurde, und in Kabul wurde sie im vergangenen Jahr durch einen Granatsplitter verletzt. Trotzdem zog es sie immer wieder zu den Menschen, vor allem nach Afghanistan, das Land, das sie 2001 zum ersten mal besuchte.

Niedringhaus gewann Pulitzer-Preis mit Fotos aus dem Irak

2002 wechselte Anja Niedringhaus zur amerikanischen Nachrichtenagentur AP, eine Institution im Nachrichtenmarkt, deren Fotografen alleine 31 mal den renommierten Pulitzer-Preis gewannen. Unter ihnen Nic Ut, dem das wohl berühmteste Kriegsfoto aller Zeiten gelang: das wegrennende, von Napalm verbrannte Mädchen in Vietnam. Auch Anja gewann 2005 diesen wohl berühmtesten Journalistenpreis für eine Reportagenserie aus dem Irak, was vor ihr nur dem Deutschen Horst Faas mit einem Foto aus dem Vietnamkrieg gelang.

Schon 2002 fotografierte Anja Niedringhaus Kinder in Afghanistan.
Schon 2002 fotografierte Anja Niedringhaus Kinder in Afghanistan. © dpa | Unbekannt

Im gleichen Jahr verlieh ihr die International Women’s Media Foundation ihren Preis Courage in Journalism Award, 2008 wurde ihr von Liz Mohn’s Bertelsmann Stiftung die goldene Feder für herausragende Reportagen als Frau in Krisengebieten verliehen. Ihre Bilder gingen nicht nur um die Welt, sie wurden auch in vielen Ausstellungen gezeigt, darunter im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, im Museum of Fine Arts in Houston aber auch die Kunstammlungen der Ruhr-Uni in Bochum.

Auf die Ausstellungen war Anja immer besonders stolz, denn hier konnte sie selber auswählen und die Bilder der Menschen zeigen, die sie so gerne fotografierte. Innige Szenen der Lebensfreude genauso wie unbeschreibliches Leid und Wut, immer festgemacht an Details und an Gesichtern. Damit sind ihre Fotos des Krieges anders. Bleiben haften.

Von einem Polizisten erschossen

So wie ihr Lachen. Vergangene Woche hatte ich zum letzten Mal Kontakt mit Anja Niedringhaus. Über den Messenger schrieben wir uns. Unser gemeinsamer „Running Joke“, also ein lustiger, immer wieder benutzter Spruch war „Not possible today, maybe tomorrow“ in Anlehnung an ein lustiges Erlebnis auf einer Olympiade. „Lass uns bald mal wieder treffen!“ – „Ja, in Kaufungen auf meinem Amt“ schrieb sie zurück, Ihr Rückzugsort, ein altes Forstamt, das sie mit Ihrer Schwester vor Jahren gekauft hatte. Bald treffen ist nun „not possible“, nicht einmal morgen oder übermorgen.

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Am Freitagmorgen wurde Anja Niedringhaus erschossen. Ihr Konvoi wurde von afghanischen Soldaten und Polizisten begleitet. Anja Niedringhaus und ihre kanadische Kolegin Kathy Gannon saßen zusammen in einem Auto und warteten auf die Weiterfahrt des Konvois. Wahlunterlagen in die Stadt bringen, das war die Aufgabe der Wagen, Unterlagen für Demoratie. Gegen den fanatischen Polizisten, der nach einem "Allahu Akbar" Ruf auf die beiden Frauen auf der Rückbank schoss, waren sie machtlos. Anja war sofort tot, berichtet ein Kollege, Kathy Gannon konnte schwer verletzt gerettet werden.

  • Oliver Multhaup, 47, ist Mitglied der Chefredaktion der WAZ. Er war über 20 Jahre lang für große Nachrichtenagenturen in der Welt unterwegs und leitete mehrere Jahre den Bilderdienst der AP in Deutschland, Öterreich, der Schweiz und Osteuropas.