Duisburg. Die auf chinesischen Druck zunächst abgesagte Lesung über Xi Jinping fand an einem anderen Ort statt. Autoren empört über erste Absage.
Und die Lesung findet statt. Am selben Tag wie vorgesehen und zur selben Zeit – nur an einem anderen Ort. Fast schon trotzig wirkte die Ankündigung der Uni Duisburg-Essen zur Präsentation des Buchs „Xi Jinping - der mächtigste Mann der Welt“ nach der spektakulären Absage der Lesung im Duisburger Konfuzius-Institut – offenbar nach Intervention der chinesischen Regierung. Offensichtlich legte die Uni Wert auf den Eindruck, sich nicht chinesischem Druck gebeugt zu haben. Uni-Rektor Ulrich Radtke hatte die Autoren umgehend eingeladen, das Werk stattdessen in der Universität zu präsentieren.
Am Mittwochabend stellten der langjährige Chinakorrespondent Adrian Geiges und Stefan Aust, Herausgeber der „Welt“, ihre Biografie des chinesischen Staatschefs schließlich bei einer Online-Veranstaltung im Institut für Ostasienwissenschaften vor. Moderiert wurde die Diskussion von Volker Stanzel, der von 2004 bis 2007 als deutscher Botschafter in Peking tätig war. Das Buch ist seit Anfang Juli auf dem Markt.
Die Autoren: Wir waren schockiert
Knapp 500 Menschen schalteten sich zu, einige sogar aus Peking. Den ganzen Trubel verstehen die Autoren selbst nicht recht. „Wir waren schockiert über die Absage“, sagte Geiges. Denn das Buch gehe nicht einmal besonders kritisch mit Xi Jinping um. „Das ist kein Anti-China-Buch“, betonte Geiges. Die nach Verlagsangaben erste umfassende Biographie soll den chinesischen Staatschefs „darstellen, wie er ist“ – soweit das anhand seiner Reden und seiner Lebensgeschichte möglich sei. Aber nicht einmal dies scheint noch möglich zu sein.
„Wir wollten ein Buch schreiben über den chinesischen Staatschef, seine Geschichte und wie er das Land verändert hat“, ergänzte Stefan Aust. „Ein solches Buch gab es bisher nicht“, betonte der Journalist. Im Zuge der Pandemie sei die besondere Rolle und Macht des Landes besonders augenfällig geworden.
Faszination für China
China beeinflusse auch die deutsche Politik, umso wichtiger sei es, das Land und den Staatschef zu kennen und zu verstehen. Der mächtigste Mann der Welt sei hierzulande ein Unbekannter. Aust betonte die rasante Entwicklung Chinas. „Es gibt viele Dinge, die dort gut funktionieren und hier nicht, etwa die Schnellzüge. Das fasziniert viele Menschen. Doch es geschieht unter politischen Bedingungen, die wir uns nicht wünschen würden.“
Uni-Rektor Ulrich Radtke ging zu Beginn der Online-Veranstaltung noch einmal auf die Affäre um die Absage der Lesung ein. „Es darf nicht dazu kommen, dass wir die Autonomie der Hochschule und die Freiheit der Wissenschaft einschränken.“ Die Uni sei ihrem Motto „Offen im Denken“ verpflichtet.
Die parallel an den Konfuzius-Instituten in Duisburg und Hannover geplanten Lesungen waren zuvor kurzfristig abgesagt worden. Die Veranstaltung in Hannover fand am Mittwoch nicht statt, man suche einen neuen Termin, teilte die Uni in Hannover mit. Der Vorgang hatte für scharfe Kritik gesorgt. „Die Freiheit von Forschung und Lehre sind nicht verhandelbar“, hatte Uni-Rektor Radtke bereits am Montag betont. Die Absage sei „nicht nachvollziehbar und darf sich nicht wiederholen“. Ähnlich äußerte sich das NRW-Wissenschaftsministerium. Die Uni müsse den Vorgang prüfen, teilte ein Sprecher mit.
Wie China Einfluss nimmt
Die 19 Konfuzius-Institute (KI) in Deutschland sind chinesische Bildungseinrichtungen und dem dortigen Ministerium für Bildung unterstellt. Geleitet wird das Konfuzius Institut-Metropole Ruhr in Duisburg von einem dreiköpfigen deutsch-chinesischen Direktorium. Träger des Instituts sind die Stadt, die Uni-Duisburg-Essen sowie die Universität Wuhan. Das Konfuzius-Institut ist ein eingetragener Verein nach deutschem Recht.
Offenbar wurde über die chinesische Partner-Uni in Wuhan seitens der chinesischen Regierung Druck ausgeübt, die geplante Lesung in den Räumen des Konfuzius-Instituts zu verhindern. Auch das chinesische Generalkonsulat in Düsseldorf soll sich eingeschaltet haben. Markus Taube, Co-Direktor des Instituts, berichtete: „Unsere Kooperations-Uni Wuhan hat uns freundlich dargelegt, dass sie es nicht gut fänden, wenn wir die Veranstaltung durchführen.“ Offenbar sah man seitens des KI daraufhin keine andere Möglichkeit, als die Lesung an einen anderen Ort zu verlegen.
Affäre bescherte dem Buch größere Aufmerksamkeit
Offiziell sollen die China-Institute ähnlich wie deutsche Goethe-Institute im Ausland, die dem Außenministerium unterstehen, dem kulturellen Austausch und dem Dialog zwischen Deutschland und China dienen. Kritiker aber befürchten seit langem chinesische Propaganda an deutschen Unis und sehen eine Einflussnahme der Kommunistischen Partei auf Programme und Inhalte.
Die Uni Duisburg-Essen stellte klar: „Das Konfuzius-Institut an der Universität Duisburg-Essen ist als sogenanntes An-Institut weder eine staatliche Einrichtung, noch eine Einrichtung der Uni. Vielmehr arbeitet die Universität mit dem Konfuzius-Institut in Form einer Kooperation zusammen.“ Wie tragfähig diese Zusammenarbeit weiterhin sein kann, ist derzeit offen. Jedenfalls hat der Rummel um die abgesagte Lesung dem Buch von Aust und Geiges wohl mehr Aufmerksamkeit beschert, als es sich die Autoren zuvor erhoffen konnten.