Die CDU feiert ihren tragischen Helden Helmut Kohl
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Berlin.. Vor 30 Jahren wurde Helmut Kohl zum Kanzler gewählt. Die CDU lädt ihn daher diese Woche in den Bundestag, überreicht ihm sogar eine Sondermarke. All das dürfte Angela Merkel etwas Überwindung kosten, aber sie erhält dafür etwas Wichtiges zurück.
Es gibt Politiker, die bereits zu ihren Lebenszeiten zu Ikonen für ihre Partei werden, Helmut Schmidt für die SPD, Hans-Dietrich Genscher für die FDP. Helmut Kohl gehört nicht dazu, obwohl er als Kanzler der Einheit eine Lichtgestalt war. Die CDU tut sich mit seiner Verehrung schwer. Zu düster ist der Schatten der Spendenaffäre. Nun aber wird Kohl wieder in die Mitte der Partei gerückt. Es gibt dafür einen Anlass, einen guten Grund und einen vermutlich willkommenen Effekt.
Vor bald 30 Jahren, am 1. Oktober 1982, wurde er zum Kanzler gewählt, der Beginn einer 16-jährigen Ära. Heute ist Kohl 82 Jahre alt und schwer krank. Die Zeit nach seiner Kanzlerschaft war eine Tragödie: politisch wie persönlich. Wer vor ihm den Hut ziehen will, sollte sich beeilen. Wer wie Angela Merkel in der Euro-Krise Solidarität neu erklären muss, dem kommt die Nostalgie um einen Herzenseuropäer recht. Dieser Effekt oder Hintergedanke drängt sich jedenfalls auf, obwohl so viel Kalkül im Umfeld der Kanzlerin dementiert wird.
Eine Gastrolle in der CDU-Fraktion
Jedenfalls wird Kohl heute, erstmals seit er 2002 den Bundestag verließ, wieder den Raum 3N001 im Reichstag betreten und der Fraktionssitzung der Union „zeitweise als Gast beiwohnen“. Es ist ein dezenter Hinweis darauf, dass keine Rede geplant ist; Sprechen fällt ihm schwer. Niemand weiß, wie lange er durchhält und wann Ehefrau Maike Kohl-Richter den Mann im Rollstuhl aus dem Raum schiebt.
Helmut Kohl Mitfavorit
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Sie pflegt und schirmt ihn ab, ist sein Sprachrohr, wacht resolut über sein politisches Erbe, zum Verdruss von Freunden, zur Befremdung seiner Söhne Walter und Peter. Sie haben zwei Schicksalsschläge erlitten, erst den Selbstmord ihrer Mutter Hannelore, dann den Unfall des Vaters im Februar 2008, als er auf dem Kachelboden der Küche daheim in Oggersheim stürzte.
Er erlebt jetzt die Kehrseite der Macht
Er lebt zurückgezogen. Der „Spiegel“ nennt ihn einen „Gefangenen“ – eine weitere Episode in der Geschichte der wechselseitigen Anfeindungen. Erst im Sommer hatte sich der Altkanzler in einer Erklärung gegen die „öffentliche Zurschaustellung und Vermarktung seines Privatlebens“ gewandt. Der Historiker Hans-Peter Schwarz legte – gerade von Kohlianern ermuntert – eine Biografie vor. Der Journalist Heribert Schwan, lange Zeit ein Ghostwriter des Kanzlers, kündigte ein Projekt an.
Dass er mehr reagieren als agieren kann, muss bitter sein für einen Mann, der in seiner besten Zeit buchstäblich alle überragte. Als unverwüstlich galt er, als Patriarch. Man schimpfte ihn „King Kohl“, einen „Riesen“, einen „Dinosaurier“, eine „Machtmaschine“. Es ist eine unbarmherzige Wendung des Schicksals, dass er die Kehrseite der Macht erleben muss: Ohnmacht.
Schäuble müsste die Briefmarke überreichen, tut es aber nicht
Da dürfte der Termin am Donnerstag im Deutschen Historischen Museum, der Höhepunkt mehrerer Festakte, Kohl für einiges entschädigen. Karl Kardinal Lehmann, dem Pfälzer aus Mainzer Tagen verbunden, hält eine Rede, dazu der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors und Merkel. Geplant ist, dass Kohl bei der Zeremonie der Konrad-Adenauer-Stiftung einige Worte ans Publikum richtet. Viele bekannte Gesichter werden da sein, Bernhard Vogel, der Ehrenvorsitzende der Stiftung und langjähriger Weggefährte, und sogar Wolfgang Schäuble. Da dem Altkanzler eine Sonderbriefmarke übergeben wird, wäre es am Finanzminister, sie ihm zu überreichen. Schäuble bat Merkel, ihm die Aufgabe abzunehmen. So weit geht die Versöhnung auch wieder nicht.
Wer das Trauma der CDU erfassen will, kommt um die drei Namen nicht herum. Schäuble war Kohls rechte Hand und Kronprinz. Erst hielt der Kanzler ihn hin, nach seiner Abwahl zog er Schäuble – damals CDU-Chef – in die Affäre um illegale Spenden hinein. So sieht es Schäuble. Als Vernichtungsfeldzug.
Merkel erledigte damals nicht nur Kohl
Merkel war seine Generalsekretärin, und im Rückblick glauben viele, dass sie den Schwächemoment der beiden Männer eiskalt ausnutzte. Sie schrieb einen Aufsatz, den die Partei damals als Scheidebrief von Kohl verstand. Sie ergriff die Initiative just, als Schäuble angeschlagen war. Kohl witterte Schäuble hinter dem Aufsatz, und der war wiederum nicht mehr stark genug, um Merkel in die Schranken zu weisen. Am Ende sagte sie die CDU von Kohl und sich selbst von Schäuble los, den sie bald als Parteichefin beerbte. Das ist zwar unvergessen, aber kein Thema bei Kohls Gedenkmarathon.
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