Düsseldorf.. Der Hilfsverein Ansaar International soll Terrorgruppen wie die Hamas finanziert haben. Am Mittwochmorgen startete eine bundesweite Razzia.
Offiziell sammelt der Verein Ansaar International Spenden für hungernde Menschen im Jemen oder Somalia, unterstützt die muslimische Volksgruppe der Uiguren in China. Doch schon länger wird der 2012 in Düsseldorf gegründete Verein vom Verfassungsschutz beobachtet. Am Mittwochmorgen um 6 Uhr schlugen die Fahnder zu und durchsuchten zeitgleich 90 Objekte des Netzwerks in ganz Deutschland. Der Vorwurf: Terrorismusfinanzierung.
Spendengelder sollen unter anderem an die Hamas geflossen sein, bestätigt Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA). Die USA, Israel und die EU haben die palästinensische Hamas, die im Gazastreifen herrscht, als Terrororganisation eingestuft. Auch andere als Terrororganisationen sollen finanziell und propagandistisch unterstützt worden sein – welche, gibt das LKA aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt. „Die Zentralstelle Terrorismusverfolgung führt ein Ermittlungsverfahren gegen fünf Personen im Alter von 30 bis 41 Jahren“, so Scheulen.
Nur die Spitze eines islamistischen Netzwerks
Ansaar International soll die Spitze eines islamistischen Netzwerks sein, zum dem auch der ebenfalls in Nordrhein-Westfalen ansässige Verein WWR Help gehört.
Durchsucht wurden in NRW rund 30 Wohn- und Geschäftsräume in Aachen, Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Köln, dem Kreis Mettmann, Mönchengladbach, Münster, Neuss und Warendorf. Rund 600 Beamte unter Leitung der Düsseldorfer Polizei waren dabei im Einsatz.
Auch in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein schlugen sie zu, teilte das Bundesinnenministerium mit. Es geht darum Material für ein mögliches Verbot der Vereine zu finden.
„Wer unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe die Hamas unterstützt, missachtet fundamentale Wertentscheidungen unserer Verfassung“, teilte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit. Dadurch werde auch das Engagement der vielen Hilfsorganisationen diskreditiert, die „sich unter schwierigen Rahmenbedingungen zur Neutralität verpflichtet haben“. Die Ordnung des Grundgesetzes gebiete, gegen solche Aktivitäten mit Nachdruck vorzugehen. „Ich danke dem Bundesinnenminister für sein entschlossenes Handeln und die gute Zusammenarbeit in diesem Verfahren. So sollte Ermittlungsarbeit zwischen Behörden funktionieren: einfach, schnell und effektiv“, sagte am Mittag NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).
Ansaar fülle „in der extremistischen Szene ein Vakuum“
„Auch wenn Ansaar öffentliche Veranstaltungen mit bekannten extremistischen Salafisten vermeidet“, sei eine intensive Kooperation mit weniger im Fokus stehenden Extremisten zu beobachten, heißt es schon im NRW-Verfassungsschutzbericht von 2017. In den vergangenen Jahren hatte das Netzwerk offenbar großen Zulauf.
Ansaar fülle „in der extremistischen Szene ein Vakuum“, das 2016 durch das Verbot des salafistischen „Lies!“-Vereins entstanden sei, der durch Koran-Lesungen in Innenstädten, so auch in Essen, aufgefallen war. Die Verfassungsschützer sehen hier auch personelle Überschneidungen.
All-inclusive Pilgerreisen und muslimische Mode
Diese Unterstützung äußert sich seit 2017 in einer Ausweitung der Aktivitäten. So finanziert sich Ansaar nicht mehr nur über Mitgliedsbeiträge und Spenden, über eine Tochterfirma bietet der Verein „All-inclusive-Pilgerreisen“ an, eröffnete in Düsseldorf ein Restaurant, einen Second-Hand-Shop und ein Ladenlokal mit dem Namen „Ummashop“, das Kleidung einer eigenen neuen Marke verkauft.
„Ansaar clothing“ wirbt damit, „die erste Charity-Modelinie Deutschlands“ zu sein. Im Angebot: „stabile Cargo-Pants“ und überlange Hemden, präsentiert mit viel Bart. Auch afrikanische Kleider verkaufen die mutmaßlichen Salafisten. Das Problem der gebotenen Verschleierung lösen die weiblichen Modelle, indem sie sich zum Beispiel Blumentöpfe vors Gesicht halten.
Neusser Verein als Teilorganisation von Ansaar
Auch der 2014 in Neuss gegründete Verein „World Wide Resistance - Help“ unterstützt nach eigener Darstellung Kriegsopfer und Hilfsbedürftige in Kriegs- und Krisengebieten, vor allem im Gazastreifen. Um Spenden wirbt er hauptsächlich in sozialen Netzen und über den eigenen Internetauftritt. Die Verfassungsschützer sehen so enge verwandtschaftliche und organisatorische Verknüpfungen mit Ansaar, dass sie ihn als Teilorganisation einschätzen. (tom/dpa)