Berlin.. Der Bundesrat hat bei seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause viele wichtige Entscheidungen getroffen. Insgesamt standen 17 Tagesordnungspunkte an.

Ausgeweitetes Bleiberecht für gut integrierte Ausländer, aber auch schärfere Regeln bei der Abschiebung: Eine umfassende Reform des Aufenthaltsgesetzes hat am Freitag den Bundesrat passiert. Ausländer, die bislang nur geduldet sind, dürfen in Zukunft längerfristig in Deutschland bleiben, wenn sie schon seit einigen Jahren hier leben, die Sprache gut beherrschen und ihren Lebensunterhalt selbst sichern können. Menschen, die keinerlei Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht haben, sollen dagegen schneller als bisher abgeschoben werden.

In Deutschland leben derzeit mehr als 125.000 Geduldete - also Menschen, deren Asylantrag keinen Erfolg hatte, die aus verschiedenen Gründen aber nicht abgeschoben werden. Die Regierung will ihnen nun mehr Chancen auf ein sicheres Bleiberecht geben. Nach Schätzungen der Bundesregierung könnten mehrere Zehntausend Menschen von der neuen Regelung profitieren. Junge Ausländer ohne Aufenthaltstitel haben Aussicht auf eine verlängerte Duldung, wenn sie in Deutschland eine Ausbildung machen.

Kritik - insbesondere von Flüchtlingsorganisationen - gibt es vor allem an der Neuordnung des Ausweisungsrechts. Behörden bekommen mehr Möglichkeiten, Aufenthalts- und Einreiseverbote zu verhängen. Zur Abwicklung von Abschiebungen wird ein neuer "Ausreisegewahrsam" eingeführt, bei dem Menschen kurz vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage festgehalten werden können. Im Gesetz werden außerdem zahlreiche Gründe für die Anordnung von Abschiebehaft festgeschrieben.

Bundesrat hebt Paternoster-Verbot auf

Nach sechs Wochen hat der Bundesrat das umstrittene Paternoster-Verbot in Deutschland wieder aufgehoben. Die Länderkammer ließ am Freitag in Berlin eine Änderung der Betriebssicherheitsverordnung passieren. Betreiber müssen Benutzer künftig auf die Gefahren der historischen Aufzüge hinweisen - etwa mit Schildern.

Zunächst war am 1. Juni eine Neufassung der Verordnung in Kraft getreten, nach der Besucher etwa in Verwaltungsgebäuden die Aufzüge nicht mehr benutzen durften. Das Bundesarbeitsministerium hatte die jeweiligen Regelungen vorgelegt.

Bundesrat beschließt Entlastung für Familien

Der Bundesrat hat die von der großen Koalition vorgelegten Entlastungsmaßnahmen für Familien endgültig beschlossen. Mit der Entscheidung vom Freitag wird unter anderem das Kindergeld in zwei Schritten um insgesamt 6 Euro monatlich angehoben. Der Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende wird um 600 auf dann 1908 Euro pro Jahr erhöht. Der Kinderzuschlag für Geringverdienende steigt um 20 auf 160 Euro. Durch Änderungen bei der Einkommensteuer soll ab 1. Januar 2016 auch die "Kalte Progression" im Steuersystem eingedämmt werden. Insgesamt summieren sich die Entlastungen auf etwa fünf Milliarden Euro jährlich.

Vier-Wochen-Garantie für Facharzttermine beschlossen

Gesetzlich Versicherte sollen eine Vier-Wochen-Garantie für Facharzttermine erhalten und auf dem Lande besser ärztlich versorgt werden. Der Bundesrat ließ am Freitag das entsprechende Versorgungsstärkungsgesetz passieren. Vor allem junge Ärzte sollen mit finanziellen Anreizen für eine Niederlassung auf dem Land gewonnen werden. Freiwerdende Arztpraxen in übervorsorgten Gebieten sollen ab einem bestimmten Grad der Überversorgung nicht nachbesetzt werden. Darüber entscheiden die Zulassungsausschüsse (Ärzte und Kassen) vor Ort.

Neue Terminservicestellen der regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen sollen Versicherten notfalls innerhalb von vier Wochen einen Termin bei einem Facharzt vermitteln. Sollte dies nicht möglich sein, kann der Patient ein Krankenhaus aufsuchen. Dieser Besuch soll dann aus dem Honorartopf der niedergelassenen Ärzte bezahlt werden.

Zur Sicherstellung der Leistungen freiberuflicher Hebammen werden zudem Regressforderungen der Krankenkassen beschränkt. Ferner sollen neue Formen der medizinischen Versorgung bis 2019 mit jeweils 300 Millionen Euro pro Jahr gefördert werden. Auch bekommen Versicherte das Recht zum Einholen einer zweiten Arztmeinung bei planbaren Eingriffen.

Gesetz für mehr Gesundheitsvorsorge und Impfschutz passiert Bundesrat

Der Bundesrat hat Regeln für eine verbesserte Gesundheitsvorsorge und mehr Impfschutz für die 70 Millionen Krankenversicherten beschlossen. Das Präventionsgesetz nahm damit am Freitag in Berlin die letzte Hürde. Die Gesundheitsförderung soll direkt im Lebensumfeld der Versicherten gestärkt werden, etwa in der Kita, der Schule, am Arbeitsplatz und im Pflegeheim.

Insgesamt sollen die gesetzlichen Krankenkassen vom kommenden Jahr an 7 Euro statt bislang 3,09 Euro pro Versichertem und Jahr für Gesundheitsförderung ausgeben. Die jährlichen Mehrkosten zulasten der Kranken- und Pflegekassen werden auf mehr als 300 Millionen Euro veranschlagt.

Alle Ärzte, auch Betriebsärzte, können nun Patienten impfen und dies mit der Krankenkasse abrechnen. Ein Patient darf nicht abgewiesen werden, wenn er eine nötige Schutzimpfung wünscht. Vor dem Kita-Eintritt eines Kindes muss eine ärztliche Impfberatung nachgewiesen werden. Bei jeder Gesundheitsuntersuchung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen soll es eine Impfberatung geben und nötigenfalls auch eine Impfung. Bis zum 18. Lebensjahr erhalten Jugendliche eine zusätzliche Gesundheitsuntersuchung.

Behörden wie Gesundheitsämter können ungeimpfte Kinder und Erwachsene künftig beim Auftreten von Masern zudem vom Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen vorübergehend ausschließen.

Bundesrat billigt IT-Sicherheitsgesetz

Krankenhäuser, Banken oder Telekommunikationsanbieter sollen sich in Zukunft besser vor Cyberangriffen schützen. Der Bundesrat billigte am Freitag das IT-Sicherheitsgesetz, mit dem Betreiber solcher "kritischen Infrastrukturen" verpflichtet werden, Attacken auf ihre Computer-Systeme unverzüglich dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu melden. Tun sie das nicht, droht ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro. Die Meldepflicht wird nach Schätzung der Regierung etwa 2000 Unternehmen betreffen.

"Kritische Infrastrukturen" sind Einrichtungen und Netze, die wesentlich für das öffentliche Leben sind und deren Störung oder Ausfall drastische Folgen haben würde. Darunter fallen Energie- oder Telekommunikationsnetze, Banken, Börsen, Versicherungen, Verwaltungsbehörden oder Einrichtungen zur medizinischen Versorgung, aber auch Verkehrsbetriebe oder Wasserversorger.

Solche Firmen aus sensiblen Bereichen sollen künftig Mindeststandards zur IT-Sicherheit für ihre Branche festlegen, die das BSI absegnen muss. Auch Bundesbehörden müssen Mindestanforderungen zum Schutz ihrer Computer-Systeme erfüllen, die das BSI vorgibt.

Die zuständigen Behörden - unter anderem BSI, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz - bekommen außerdem zusätzliches Geld und Personal, um sich um die IT-Sicherheit in Deutschland zu kümmern.

Bundesrat beschließt Zwangspause für Regierungspolitiker

Beim Wechsel in die Wirtschaft droht Regierungsmitgliedern künftig eine Sperrzeit von bis zu 18 Monaten. Der Bundesrat ließ ein Gesetz dazu am Freitag passieren. Wenn Kabinettsmitglieder einen Posten in der Wirtschaft annehmen wollen, müssen sie das der Bundesregierung in Zukunft schriftlich mitteilen. Falls eine Prüfung des Falls problematische Überschneidungen mit dem bisherigen Aufgabengebiet des Ministers oder Staatssekretärs ergibt, kann dem Betroffenen für den Jobwechsel eine Karenzzeit von einem Jahr auferlegt werden - in Ausnahmefällen sogar von 18 Monaten.

Mehrere umstrittene Wechsel hatten in den vergangenen Jahren die Debatte befeuert. So hatte der frühere Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) beim Versicherungskonzern Allianz angeheuert, Ex-Kanzleramtschef Roland Pofalla (CDU) war zur Deutschen Bahn gewechselt.

Die Reform betrifft nicht nur aktuelle, sondern auch ehemalige Regierungsmitglieder bis zu 18 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Über eine mögliche Karenzzeit entscheidet die Regierung künftig auf Empfehlung eines Beratungsgremiums, das mit drei anerkannten Persönlichkeiten besetzt werden soll. Kritikern - vor allem Anti-Korruptions-Organisationen - geht die Regelung nicht weit genug.

Bundesrat dringt auf 5000-Euro-Zuschuss für Elektroautos

Beim Kauf eines Elektroautos sollen Privatpersonen nach dem Willen des Bundesrats einen Zuschuss von 5000 Euro bekommen. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung am Freitag in Berlin mehrheitlich auf, eine solche Umweltprämie zu prüfen. Zudem sollen Elektrofahrzeuge steuerlich stärker gefördert werden. Ein diesbezüglicher Gesetzentwurf aus Hessen wird in den Bundestag eingebracht. Er sieht unter anderem eine Sonderabschreibung für gewerblich genutzte Autos und die Förderung von Ladestationen im betrieblichen Bereich vor. Dies soll Unternehmen zu entsprechenden Investitionen bewegen. Mittelfristig soll so auch ein Gebrauchtwagenmarkt für Elektrofahrzeuge geschaffen werden.

Länder dringen mit eigenem Entwurf auf Genpflanzen-Verbot

Im Streit um das geplante Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen erhöhen die Länder den Druck auf Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). Rheinland-Pfalz und andere grün mitregierte Länder brachten am Freitag einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein, der ein bundesweites Verbot vorsieht. Schmidt strebt dagegen Verbote auf Länderebene an, weil er das für die rechtssicherste Methode hält.

Hintergrund ist, dass die EU-Staaten bald mehr Spielraum bekommen, den Anbau europaweit zugelassener Genpflanzen auf ihrem Gebiet zu verbieten. Dafür müssen in jedem Einzelfall zwingende Gründe vorgewiesen werden, pauschale Anbauverbote oder -beschränkungen sind nicht möglich. Schmidt will die sogenannte Opt-out-Richtlinie der EU bis Herbst in nationales Recht umsetzen.

Aber auch innerhalb der Bundesregierung gibt es Widerstand: Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist anders als ihr CSU-Kollege für eine bundesweite Regelung. Als Kompromiss hatte Schmidt seinen Gesetzentwurf bereits erweitert.

Die neue Fassung sieht die Einrichtung eines Anbauausschusses aus Experten und Vertretern von Bund und Ländern vor. Die 20 Mitglieder sollen für jede Pflanze im Einzelfall gemeinsam entscheiden, welche zwingenden Gründe für ein Verbot sprechen und eine nationale oder regionale Umsetzung empfehlen. Den Ländern geht das nicht weit genug. (dpa)