Kapstadt. Der ANC steht bei der Wahl am 7. Mai vor einem klaren Sieg. Dennoch sind vor allem Millionen Arme in Südafrika enttäuscht über 20 Jahre ANC-Regierung. Präsident Zuma kann sich seiner Wiederwahl jedoch sicher sein. Fürchten muss er aber einen schmerzhaften Denkzettel.
Der Wahlsieger in Südafrika scheint mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und Präsident Jacob Zuma festzustehen - dennoch fürchten die politischen Erben des Nationalhelden Nelson Mandela die fünfte Wahl seit Ende des rassistischen Apartheidsystems. Denn erstmals droht ihnen ein ernsthafter Denkzettel. Zumindest aus Sicht der Opposition könnte die Abstimmung die Weichen für ein Ende der scheinbar ewigen ANC-Dominanz stellen.
"Vielleicht schaffen wir es 2019, aber nur, wenn wir alles richtig machen", sagt lachend die Chefin der Demokratischen Allianz (DA), Helen Zille. Sie macht sich keine Illusionen: Noch sei ein Machtwechsel unrealistisch. Zu groß sei die Bindung der meisten Südafrikaner an Herkunft und Geschichte, meint die Vorsitzende der größten Oppositionspartei. Trotz großer Unzufriedenheit über soziale und politische Missstände identifiziert sich die große Mehrheit der schwarzen Wähler mit dem ANC, dem Sieger über die Apartheid. Das weiß auch die Ministerpräsidentin des Westkaps, der einzigen Provinz Südafrikas, in der die DA regiert.
SüdafrikaOpposition führt leidenschaftlichen Wahlkampf
Der ANC steht auch bei der Wahl am Mittwoch (7. Mai) vor einem klaren Sieg. Nach Umfragen der Zeitung "Sunday Times" bekommt der ANC wie 2009 etwa 65 Prozent der Stimmen. Andere Umfragen sagen dem ANC etwas weniger voraus. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament scheint kurz vor der Wahl wenig wahrscheinlich. Aber kaum etwas fürchtet die Opposition mehr, als die Möglichkeit des ANC, dann die international hoch gerühmte, demokratische Verfassung Südafrikas ändern zu können - solche Bestrebungen gibt es schon lange.
Zille und ihre DA führen auch deshalb einen leidenschaftlichen Wahlkampf. Die größte Oppositionspartei darf damit rechnen, etwa 23 Prozent zu bekommen, 2009 waren es 16,6 Prozent. Mehr aber wird es kaum. Da nützt es der DA auch nicht, dass im Westkap die Bürokratie besser funktioniert, das Niveau von Schulen, Krankenhäuser und Straßen deutlich höher liegt als anderswo in Südafrika.
HintergrundDemokratischen Allianz mit dem Makel einer "weißen Partei"
Vor kurzem keimte die Hoffnung bei der DA auf, den Makel einer "weißen Partei" trotz zahlreicher farbiger Spitzenpolitiker und Mitglieder verlieren zu können. Manche glaubten an einen genialen Coup der Großnichte des Berliner Milieuzeichners Heinrich Zille. Ende Januar trat sie gemeinsam mit einer Heldin der Anti-Apartheid-Bewegung vor die Kameras und verkündete das Bündnis mit der Ärztin Mamphela Ramphele. Deren kleine, 2013 gegründete Partei "Agang SA" sollte mit der DA fusionieren.
Das Bild, wie Zille und Ramphele demonstrativ mit einem Kuss den Pakt besiegelten, schlug im Land ein wie eine Bombe. Die DA-Führerin sprach von einer "historischen Stunde", nun werde die Opposition ein echtes "Sammelbecken für alle, [...] ungeachtet ihrer Rasse". Aber nur Tage später macht die schwarze Bürgerrechtlerin überraschend einen Rückzieher. Es folgte eine vage Begründung mit Verweis auf Widerstand in der Agang. Zornig warf Zille Ramphele vor, hinterhältig ein falsches Spiel betrieben zu haben.
Enttäuschung über 20 Jahre ANC-Herrschaft
Freuen durfte sich Zuma. Der politische Überlebenskünstler, der schon zahllose Anschuldigungen wegen Korruption, Vetternwirtschaft und gar Vergewaltigung überstand, ist siegesgewiss. Zugute kam ihm auch, dass der spektakuläre Mordprozess gegen den Paralympics-Star Oscar Pistorius seit Monaten die Schlagzeilen dominiert. Also rückten Berichte über den jüngsten Skandal um verschwendete Steuer-Millionen für die Luxus-Residenz Zumas ebenso in den Hintergrund wie die schmerzhafte soziale und politische Lage Südafrikas.
Dabei ist die Enttäuschung über 20 Jahre ANC-Herrschaft überall spürbar: die Arbeitslosigkeit liegt bei 25 Prozent, bei der Jugend bei 50 Prozent. Vor allem Millionen Arme in den Townships leiden unter miserablen Verwaltungen, Schulen und Krankenhäusern sowie der enorm hohen Kriminalität. Für sehr viele hat sich die soziale Lage seit Ende der Apartheid kaum verbessert - obwohl heute 16 der 52 Millionen Südafrikaner irgendeine Form von Sozialhilfe beziehen.
Wachsende Zahl der Nichtwähler
Jährlich Hunderte von sozialen, teilweise gewalttätigen Protesten belegen den Zorn über die Missstände. Ablesbar ist das auch an der wachsenden Zahl der Nichtwähler. 2009 gingen nur noch knapp 60 Prozent der Stimmberechtigten an die Urnen. Aber selbst in Protesthochburgen darf der ANC zuversichtlich sein.
"Vor 20 Jahren haben wir begeistert ANC gewählt, aber jetzt?" meint Sandra Kallis (49) in dem ärmlichen Dörfchen Retreat im Schatten des Tafelbergs nahe Kapstadt. "Wir haben seither immer ANC gewählt, aber wir sind sehr enttäuscht", sagt die Putzfrau. "Sie haben ihre Versprechen nicht gehalten, nur die eigenen Taschen vollgestopft", schimpft sie, und die umstehenden Nachbarn nicken. Wen sie denn nun wählen würde? "Vielleicht wieder ANC", sagt sie mit leiser Stimme.
ProzessHöchstens Achtungserfolge für Oppositionsgruppen
Angesichts einer solchen, weit verbreiteten Treue muss der ANC kaum die Stimme des Volkes fürchten. Bisher schützt auch das Bündnis mit dem Gewerkschaftsverband Cosatu und den Kommunisten der SACP den ANC vor einer linken Herausforderung. "Es ist paradox: die politische Opposition kommt vor allem von rechts, dabei vertreten viele Südafrikaner linke Positionen, zum Beispiel wenn es um Landreform oder Nationalisierung von Banken geht", meint der Politologe Robert Schrire. Gefährlich werden könne dem ANC langfristig am ehesten eine radikale Arbeiterpartei.
Diesen Platz sucht derzeit der aus dem ANC ausgeschlossene Populist Julius Malema (33) einzunehmen. Er und seine Partei "Kämpfer für Wirtschaftsfreiheit" (EFF) müssen allerdings das Image linksradikaler Wirrköpfe loswerden, die sich persönlich bereichern wollten. Denn zumindest bei der Zahl von Skandalen kann der redegewandte Malema bald mit Zuma konkurrieren. Allen Oppositionsgruppen gemein ist, dass sie höchstens Achtungserfolge erringen - und Zuma damit einen Denkzettel verpassen könnten. (dpa)