Berlin.. Zwischen den Landtagswahlen bemühen sich die Parteien in Berlin um Orientierung. Dabei irrtiert Angela Merkel die CDU in der Libyen-Frage. Westerwelle hingegegen wird von der FDP in Schutz genommen.

Armin Laschet er­kennt seine Partei nicht wieder. Früher hätten sie in der CDU über die Außenpolitik ge­stritten. Da gab es Gaullisten und Atlantiker, rief der Mann aus NRW in der CDU-Führung in Erinnerung, „aber jetzt gibt es weder Gaullisten noch Atlantiker.“ Laschet ist nicht der einzige, der mit der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zu einem Libyen-Mandat hadert. Deutschland war weder mit Frankreich noch mit den Amerikanern solidarisch.

Wie er argumentierten der EU-Politiker Elmar Brok, CDU-Vizechef Volker Bouffier und der Außenpolitiker Philipp Mißfelder. Die Kanzlerin hat ihre Partei irritiert – nicht nur die Gremien in der Hauptstadt, wie Wolfgang Bosbach weiß. Der CDU-Innenpolitiker aus dem Bergischen Land wurde am Wo­chenende im Wahlkreis oft auf das Thema angesprochen. Er habe niemanden getroffen, der die Ansicht vertretet habe, dass die Stimmenthaltung „die einzig richtige Entscheidung war“, erzählt er unserer Zeitung.

Merkel gedanklich woanders

Merkel weiß um die Stimmung, ist aber gedanklich wo­anders. Erst mal hat sich ihre Partei in Sachsen-Anhalt be­hauptet. Im öffentlichen Interesse hat Libyen ein anderes Thema verdrängt: Die Atomkatastrophe in Japan.

Jetzt geht es an die nächsten Wahlen am Sonntag in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg. Die Frage ist, ob und was den Christdemokraten auf die Füße fallen könnte. Es sind nur noch fünf Tage, und die Kanzlerin tritt noch viermal im Wahlkampf auf. So viel zu ihren Prioritäten.

FDP-Generalsekretär Chri­stian Lindner ist in Gedanken schon beim nächsten Wahlsonntag. Da ist die Atomfrage wichtiger als die Bündnistreue in der Libyen-Krise. Kann man etwa den – nach Fukushima – verängstigten Menschen er­klären, dass der Umstieg auf Wind und Wasserkraft ein Projekt „in der Dimension der Mondfahrt“ ist?

Und: Hört sich das nicht nach Vertagen und weniger nach „Wir-haben-verstanden“ an?

Für die eingeleitete „couragierte“ Kurskorrektur in der Atompolitik bekam Westerwelle von seiner Partei Flankenschutz, wie er lückenloser kaum hätte sein können. „Einmütig“ sei auch die auf Nichteinmischung justierte Linie in der Libyen-Politik begrüßt worden, so Lindner. „Es gab keine Absatzbewegungen.“

Debakel in Sachsen-Anhalt

Man hatte es kommen se­hen: Das Debakel in Sachsen-Anhalt, wo selbst die rechtsextreme NPD mehr Wähler an die Urnen lockte als Liberalen, hat eine Kettentrotzreaktion ausgelöst. „Jetzt erst recht“ lautet das Motto. Jedenfalls bis Sonntag.

Für die SPD bleibt Westerwelle der Buhmann: „Professionelle Außenpolitik“ sehe anders aus, ätzt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Die Regierung habe Deutschland „in ein Dilemma“ hineinmanövriert. Nahles verschweigt, dass auch ihre Partei herumgeeiert hat. Erst gab es Lob, dann Kritik für die Regierung. Nun finden die Sozialdemokraten es richtig, dass die Staatengemeinschaft handelt, aber halten den Einsatz doch für „schlecht vorbereitet“.

Die Kanzlerin könnte sich darob bestätigt fühlen, dass es richtig war, sich beim Libyen-Mandat vor dem UN-Sicherheitsrat zu enthalten. Aber sie hütet sich vor Hochmut und greift Kritik auf. Kabinett und Bundestag sollen noch diese Woche grünes Licht dafür ge­ben, dass Soldaten der Bundeswehr in den Awacs-Maschinen fliegen, die den Luftraum über Afghanistan überwachen. Die Kanzlerin hilft, um das Bündnis zu entlasten, falls es in Libyen gefordert wird.

Kritik am Stil

Zuletzt kam einiges zusammen: Kritik in der Sache und im Stil. „Das sind alles Entscheidungen von grundlegender Bedeutung weit über den Tag hinaus, und da ist es notwendig, dass wir pro und contra sorgfältig abwägen und dass wir als Parlamentarier auch die Chance bekommen, uns entscheidend einzubringen“, so Bosbach. Immer mehr Kollegen hätten den Eindruck, „dass man im Grunde von uns nicht erwartet, dass wir uns aktiv an der Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindung beteiligen, sondern dass wir bereits getroffene Entscheidungen bestätigen.“