Berlin.. Aufstand im Bundestag: Die Fraktionsspitzen von Union, FDP und SPD wollen das Rederecht von kritischen Abgeordneten weiter beschränken. Doch auch in ihren Fraktionen gibt es massiven Widerstand, die Mehrheit ist nicht sicher. Und Parlamentsprsident Lammert ist ebenfalls auf Kollisionskurs.
Aufstand im Bundestag: Die Fraktionsspitzen von Union, FDP und SPD wollen das Rederecht von kritischen Abgeordneten weiter beschränken. Doch auch in ihren Fraktionen gibt es massiven Widerstand, die Mehrheit ist nicht sicher.
Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) will sich ohnehin nicht beugen.
Es droht ein Eklat: Dem Vernehmen nach hat Lammert im Ältestenrat des Parlaments bereits angekündigt, Abweichler auch künftig im Bundestag reden zu lassen, selbst wenn die geplante Regelung das erschweren oder behindern würde. Er halte Ergänzungen und Änderungen der Geschäftsordnung weder für notwendig noch für angemessen, hat Lammert den Ältestenrat wissen lassen.
Fraktionen sollen über Rederecht entscheiden
Dennoch soll der Bundestag die Auflagen nach dem Willen von Koalition und SPD schon in zehn Tagen beschließen – als Konsequenz aus einer Abstimmung über den Euro-Rettungsfonds, bei der Bundestagspräsident Lammert außer der Reihe auch Abweichler der Koalition reden ließ,die den Rettungsfonds ablehnten.
Nach der geänderten Geschäftsordnung würden in der Regel nur noch Abgeordnete im Plenum reden dürfen, die von ihrer Fraktion eingeteilt sind und damit die Fraktionslinie vertreten. Andere Abgeordnete dürfte der Parlamentspräsident dann nur noch ausnahmsweise und maximal drei Minuten reden lassen - und auch das nur nach Rücksprache („im Benehmen“) mit den Fraktionen. Das Recht, persönliche „Erklärungen zur Abstimmung“ abzugeben, soll sogar ganz gestrichen werden, nur knappe schriftliche Erklärungen wären erlaubt.
Aufstand im Bundestag
Darauf haben sich Union, FDP und SPD im zuständigen Ausschuss verständigt – gegen das Votum von Grünen und Linken. Nicht nur sie protestierten gestern öffentlich, sprachen von einem „Maulkorb für Kritiker“, der mit dem Geist der Verfassung nicht vereinbar sei.
Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach machte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Pläne geltend: Eine lebendige Demokratie müsse es aushalten können, dass abweichende Meinungen außerhalb der Rednerliste begründet würde, sagte Bosbach. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) kritisierte die Pläne ebenfalls und sagte, eine starre Regelung sei nicht sinnvoll. Auch aus der FDP kamen kritische Stimmen. Die Fraktionsspitzen von SPD und FDP bestritten aber, dass es einen „Maulkorb“ geben solle; die Auswirkungen würden übertrieben dargestellt, vielmehr werde eine Regelungslücke geschlossen. Bislang ist das Rederecht für Abweichler nicht ausdrücklich geregelt.
Der Parlamentspräsident erteilt zwar das Wort, doch in der Praxis legt jede Fraktion eine Rednerliste nach ihrem Zeitbudget fest, die das Präsidium nur abarbeitet.