Berlin.. Die Grünen wollen mit teils neuem Spitzenpersonal und mehr strategischer Offenheit ihr Tief überwinden. Die Weichen für mögliche Machtoptionen jenseits alten Lagerdenkens - sowohl Rot-Rot-Grün als auch eine Koalition mit CDU/CSU - stellte ein Grünen-Parteitag am Wochenende in Berlin.

Nüchterne Naturwissenschaftlerin statt schrille Galionsfigur: Simone Peter löst Claudia Roth als Grünenchefin ab. Die 47-jährige ehemalige Umweltministerin der saarländischen Jamaika-Koalition tritt kein leichtes Erbe an.

Elf Jahre lang hat Claudia Roth – Mutter der Partei, grüne Seele, Popstar der alternativen Szene – die Grünen geführt, so lange wie kein anderer. Anders als Vorstandskollege Cem Özdemir ist Roth nach der grünen Wahlschlappe zurückgetreten. „Ohne Claudia Roth wird sich diese Partei neu erfinden müssen“, prophezeit Jürgen Trittin. „Ich weiß , ich habe viele genervt“, sagt die 58-Jährige Roth am Wochenende beim Grünen-Parteitag in Berlin, „aber ich wollte immer ich sein.“ Das Ende der Ära Roth versetzt die Grünen noch einmal in kollektive Rührung, sie feiern ihre Mutter Courage.

Neue Rolle für Claudia Roth

Am Dienstag, wenn der Bundestag zum ersten Mal nach der Wahl zusammenkommt, soll Claudia Roth einen der Stellvertreterposten des Bundestagspräsidenten bekommen. In ihrer neuen Rolle wird die leidenschaftliche Grüne einen Gang zurückschalten müssen – finanziell aber geht es bergauf: Gut 12 400 Euro, anderthalb mal soviel wie als gewöhnliche Abgeordnete, bekommt sie als Vizepräsidentin. Dazu kommen Aufwandspauschalen, ein Büro, Mitarbeiter und Dienstwagen mit Fahrer.

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Claudia Roth verlässt die Spitze ihrer Partei in einem heiklen Moment. Im Bundestag droht den Grünen bei einer Großen Koalition die ungemütliche Oppositionsrolle an der Seite der Linkspartei. In sechs Bundesländern dagegen sitzen die Grünen in der Regierung, besonders Oberrealo Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident, will sich im Bund stärker einmischen. Hinzu kommt: Die Machtstrategen der Partei setzten nicht länger auf Rot-Grün, sondern wollen den Draht zu Union und Linkspartei verstärken – die Basis aber will vor allem zurück zu urgrünen Themen und sehnt sich nach dem Ende der Flügelkämpfe. Eine Herkulesaufgabe. Ob Simone Peter das kann?

NRW-Grüne trauen Simone Peter viel zu

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen sind zuversichtlich. Die promovierte Biologin und ausgewiesene Energieexpertin gehört zum linken Flügel, doch sie gilt nicht als Hardlinerin: NRW-Umweltminister Johannes Remmel schätzt seine ehemalige Ressortkollegin. „Sie baut keine Festungen auf.“

„Ich finde es gut“, sagt die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn, „dass sie ein anderer Typ ist als Claudia Roth.“ Und Landesministerin Sylvia Löhrmann setzt auf Peters nüchterne Art: „Sie macht kein großes Tamtam.“ Simone Peter wisse, nach zwei Jahren Jamaika-Koalition im Saarland, was es bedeute, als Grüne mitzuregieren: „Sie kommt aus einem armen Land, sie kennt die Lage der Kommunen.“