Düsseldorf. Nur knapp den Wiedereinzug ins Parlament geschafft: Die FDP wurde abgestraft. Sie sieht sich vor allem Opfer des Zweikampfs Wüst/Kutschaty.
Es gibt diese Wahlpartys, auf denen die Stimmung von Anfang gelöst und heiter ist, weil die Umfragen ein gutes Ergebnis versprechen. Es gibt Wahlpartys voll knisternder Spannung, die sich mal in überschäumender Freude entladen, mal in Enttäuschung, wenn die ersten Prognosen reinkommen.
Und es gibt die Abende, die einem Beerdigungskaffee ähneln, zu dem man gehen muss, weil es sich so gehört, und bei denen lediglich die bange Erwartung vorherrscht, wie schlimm es wird. So einen Abend konnte man im Medienhaus am Zollhaus in Düsseldorf erleben, wohin die FDP am Sonntag geladen hatte. Die Liberalen sind der größte Verlierer der Landtagswahl.
Als um 18 Uhr auf dem Bildschirm die ersten Balken auftauchen, geht ein resignierendes Stöhnen durch die Menge der FDP-Anhänger, die sich in dem sechsstöckigen Glasfoyer versammelt haben. Fünf Prozent, der Einzug in den Landtag auf der Kippe, nur noch Fünfter hinter den Grünen und der AfD. 2017 waren die Liberalen noch drittstärkste Kraft in NRW geworden. Jetzt hat sich Ergebnis mehr als halbiert. „Katastrophe“, zischt einer.
„Dafür haben wir uns in den vergangenen Wochen den Arsch aufgerissen“
Es ist noch schlimmer gekommen, als es die Umfragen prognostiziert hatten. „Ich bin super enttäuscht. Dafür haben wir uns in den vergangenen Wochen den Arsch aufgerissen“, sagt Felix Mölders, der in Düsseldorf für die FDP als Wahlkämpfer im Einsatz war. „Unser Spitzenkandidat Stamp war ein sehr guter Minister und stellvertretender Ministerpräsident, hat aber nicht die Durchschlagskraft eines Christian Lindner gehabt“, analysiert er auf die Schnelle. Mit Lindner hatte die FDP bei der vorherigen Landtagswahl 12,6 Prozent geholt.
Als Spitzenkandidat Joachim Stamp um kurz nach halb sieben sichtlich angefasst die Bühne betritt, brandet gleichwohl langanhaltender, fast trotziger Applaus auf. Er sagt das, was Wahlverlierer sagen müssen. Es sei eine „bittere Niederlage“, die aufgearbeitet werden müsse, man könne nicht zur Tagesordnung übergehen. Man müsse analysieren, „warum wir unsere Wählerinnen und Wähler nicht mobilisieren konnten“.
Der CDU macht er Vorwürfe: Der bisherige Koalitionspartner habe im Wahlkampf „von der schwarzen Liebe nicht viel erkennen lassen“. Falls sie im Landtag bleibt, wäre für die FDP eine Ampelkoalition die einzige Chance, weiter Regierungsverantwortung tragen. Eine Option? Der Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff ist skeptisch. „Die Dynamik liegt jetzt bei Schwarz-Grün“, sagt er. „Wir müssen erstmal abwarten.“
Auch der bisherige Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart sieht den Ball zunächst im Feld der beiden Wahlsieger. Ausschließen will er eine Ampel aber nicht. Grundsätzlich sei „jede demokratische Partei der politischen Mitte in der Verantwortung, ihren Beitrag zur Regierungsbildung zu leisten, wenn sie von anderen dazu eingeladen wird“. Bei der Suche nach den Gründen für die Wahlschlappe wollen diejenigen, die bedröppelt auf den Bildschirm schauen oder sich kopfschüttelnd unterhalten, keine inhaltlichen Fehler ausmachen.
„Die Bildungspolitik war gut - zumindest am Anfang“
Vor den Landtagswahlen hatten bei einer Umfrage unserer Redaktion drei Viertel der Befragten angegeben, mit der Schulpolitik der Landesregierung unzufrieden zu sein. Ist Bildungsministerin Yvonne Gebauer Schuld am Absturz?„Die Bildungspolitik war sehr gut“, sagt ein junger Düsseldorfer Freidemokrat, schiebt aber hinterher: „Zumindest am Anfang.“ Er glaubt vielmehr, das Kopf-an-Kopf-Rennen der Spitzenkandidaten von CDU und SPD habe Stimmen gekostet.
Sieht auch Dietmar Brockes so. Der Abgeordnete aus dem Kreis Viersen und Listenkandidat – Platz 10 – fügt hinzu: „Außerdem standen keine landespolitischen Themen im Vordergrund, sondern der Ukraine-Krieg.“ Also keine Fehler gemacht? „Wenn man verliert, wird es Fehler gegeben haben“, sagt Brockes. Als die erste Hochrechnung kommt, geht ein erleichterndes Raunen durch die Menge. 5,4 Prozent. Bleibt es dabei, wäre die FDP weiter im Landtag. Immerhin.