Düsseldorf. Weg mit 2Gplus in der Gastronomie, 2G im Handel und Mini-Kulissen im Stadion? Der FDP-Fraktionschef Christof Rasche spricht Klartext.
Die NRW-FDP ist vor ihrem Landesparteitag am Wochenende in einer besonderen Rolle: In NRW regiert sie mit der CDU, im Bund mit der Ampel. Die Corona-Politik und die nahende Landtagswahl machen es nicht leichter. Landtagsfraktionschef Christof Rasche gehört dabei zu den Männern im Maschinenraum der Macht, die Interessen ausgleichen und Mehrheiten organisieren müssen. Tobias Blasius traf ihn zum Gespräch.
Blinkt die Ampel knapp vier Monate vor der Landtagswahl auch schon NRW?
Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen Politikwechsel eingeleitet und würden die sehr gute Zusammenarbeit mit der CDU gerne fortsetzen. Für viele Projekte braucht man mehr als eine Legislaturperiode und wir haben gemeinsam noch viel vor. Klar ist aber auch: Wir verfolgen einen Kurs der Eigenständigkeit und haben in Bund und Ländern gezeigt, dass wir in unterschiedlichen Koalitionen bereit sind, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
Was ist für die FDP unverhandelbar?
Kernthemen der Liberalen bleiben in jeder Konstellation Aufstieg und Fortschritt ohne ideologische oder bürokratische Hindernisse. Mit zahlreichen Gesetzen und Initiativen haben wir zum Beispiel den Mittelstand und die viel zu lange vernachlässigten Freie Berufe in NRW gestärkt. Im Bildungsbereich ist es uns sogar gelungen, fundamental umzusteuern.
Für viele Lehrer und Eltern in NRW ist die FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer eher ein rotes Tuch. Wie soll Schule da eine Gewinnerthema für Sie werden?
In der Ausnahmesituation einer Pandemie haben alle Bildungsminister in Deutschland eine Herkulesaufgabe zu stemmen und müssen deshalb auch viel Kritik aushalten. Sie treffen unter großen Unsicherheitsbedingungen täglich tiefgreifende Entscheidungen für Millionen Familien. Wo viel gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Das wird aber die Erfolge unserer Schulministerin wie etwa die geräuschlose Umstellung von G8 auf G9 beim Abitur, die Rettung der Förderschulen, das Ende des unsinnigen Orthografie-Experiments „Schreiben nach Hören“ oder die Einführung des Schulfachs Wirtschaft nicht überlagern.
Wohin steuert die FDP in der Corona-Politik nach inzwischen zwei Jahren Pandemie?
Für uns war in der Corona-Krise immer ein Dreiklang handlungsleitend: Gesundheitssysteme nicht überlasten, soziales Leben weiterhin ermöglichen und Arbeitsplätze sichern. In der aktuellen Omikron-Welle scheint sich die Zahl der schweren Krankheitsverläufe zum Glück stärker von den steigenden Inzidenzen zu entkoppeln, als viele das erwartet hatten. Prognosen eines Kollapses der Gesundheitsversorgung spätestens zum Jahreswechsel sind nicht eingetroffen. Auf diese veränderte Lage müssen Bund und Länder reagieren.
Was erwarten Sie?
Ich erwarte von der Ministerpräsidentenkonferenz einen neuen Geist. Nur wenn die Menschen die Maßnahmen noch nachvollziehen können und klare Kriterien für Einschränkungen erkennen, machen sie weiter mit. Kurzfristig müssen wir wieder mehr Normalität ermöglichen. Geimpfte und Genesene sollten in der Gastronomie keinen Test mehr vorlegen müssen. Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme aus Angst vor Omikron. Im Handel müssen wir wieder weg von 2G, das gibt es schließlich auch in Bayern und Niedersachen nicht.
Sind Massenveranstaltungen wieder denkbar?
Mir leuchtet nicht ein, warum in großen Arenen an der frischen Luft nur 750 Zuschauer sein dürfen. Das empfinden immer mehr Bürgerinnen und Bürger als willkürlich gezogene Grenze. Auch im Innenbereich brauchen Messen, Kultur oder Sport endlich eine Perspektive. Inzidenz, Hospitalisierungsquote, R-Faktor – man muss den Leuten schon sagen, worauf es denn jetzt ankommt. Sonst gehen ganze Strukturen in Wirtschaft und Ehrenamt den Bach runter.
Sind solche Lockerungen mit CDU-Ministerpräsident Wüst, der sich ja eher zum „Team Vorsicht“ zählt, machbar?
Wie der Ministerpräsident zuletzt gesagt hat, werden CDU und FDP wie immer freundschaftlich, sachorientiert und vertraulich nächste Woche über die neue Corona-Schutzverordnung beraten.
Können Sie nachvollziehen, dass man nach überstandener Corona-Infektion nur noch drei Monate lang als genesen gilt?
Ich finde es sehr unglücklich, dass das Robert-Koch-Institut mal eben ohne weitere Erklärungen den Genesenenstatus von sechs Monaten auf 90 Tage reduziert hat. Andere Staaten machen das nicht. Da brauchen wir mehr Transparenz, damit die Bürgerinnen und Bürger weiterhin den staatlichen Maßnahmen vertrauen. Wir müssen auch diskutieren, ob für den Genesenenstatus weiterhin ein PCR-Test erforderlich ist. Wenn die Labore am Anschlag arbeiten, sollten wir hier stärker priorisieren. Lolli-Tests in Schulen stehen dabei für mich im Vordergrund, um den Präsenzunterricht abzusichern.