Düsseldorf/Essen. Für Grüne und Liberale ist die Schlammschlacht zwischen CDU und SPD eine Chance. Experte kritisiert die Profilierungssucht der großen Parteien.
FDP und Grüne wittern angesichts der „Schlammschlacht“ zwischen CDU und SPD um Putin-Kontakte die Gelegenheit, sich als ehrliche Kümmerer in Szene zu setzen, die sich, anstatt sich zu prügeln, um die Probleme des Landes kümmern.
Gleich drei Spitzenleute saßen am Montag für die FDP in der Landespressekonferenz: Landesparteichef Joachim Stamp, Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart und Landtags-Fraktionschef Christof Rasche. Es ging um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes NRW in unruhigen Zeiten. Aber die Vorwürfe, mit denen sich die beiden großen Parteien in diesen Tagen überhäufen, lassen eine normale Tagesordnung kaum zu.
„Wenn zwei sich streiten, arbeitet der Dritte“
Christof Rasche nannte die Reibereien zwischen SPD und CDU eine „interessante Strategie“, um sich zu profilieren. „Unsere Strategie ist, sich um die Zukunft von NRW zu kümmern.“ Joachim Stamp mahnte: „Das ist nicht der Zeitpunkt, um die Parteigeschichten von CDU und SPD aufzuarbeiten.“
Kurz darauf stellten Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur und die Landtagsabgeordnete Wibke Brems ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ vor. Auf die Streithähne der großen Parteien angesprochen, sagt Neubaur: „Wenn zwei sich streiten, arbeitet der Dritte. Das machen die Grünen. Wir betreiben den Wahlkampf mit Ernsthaftigkeit.“
„Schlammschlacht“ zwischen CDU und SPD
Am Wochenende war der Konflikt um Putin-Kontakte von Sozial- und Christdemokraten und um die „Mallorca-Affäre“ inklusive Ausspähung der Tochter von Ex-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) eskaliert. CDU und SPD werfen sich Verleumdung, Ehrlosigkeit, Rücksichtslosigkeit vor.
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Am Montag legte SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty nach: „Die Sozialdemokratie hat kein Putin-Problem, die CDU hat ein Wahlkampf-Problem. Denn sie entdeckt, dass sie völlig inhaltsleer und blank ist.“ NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erinnerte an eine Altlast der SPD, den russlandnahen Ex-Kanzler Gerhard Schröder.
Experte: Zeichen der Nervosität
Der eskalierende Wahlkampf ist nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Prof. Norbert Kersting von der Uni Münster ein Zeichen für wachsende Nervosität bei CDU und SPD angesichts der jüngsten Umfragen, wonach es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben werde. Der Ukraine-Krieg überlagere auch den Wahlkampf in NRW, so Kersting. „Hier fehlen derzeit die regionalen Themen, daher nutzen die Parteien die außenpolitische Krise, um sich zu profilieren“, sagte Kersting dieser Redaktion. Vor allem der CDU falle es offensichtlich schwer, ein landespolitisches Thema zu setzen. Mit ihrem traditionellen Kernthema innere Sicherheit könne sie derzeit nicht punkten, weil die äußere Sicherheit im Fokus stehe.
„CDU und SPD sollten sich auf ihre klassischen Themen konzentrieren, anstatt nur zu poltern“, sagte Kersting mit Blick auf die „Schlammschlacht“ zwischen den Spitzenkandidaten Hendrik Wüst (CDU) und Thomas Kutschaty (SPD). Und die SPD zahle mit gleicher Münze zurück. Kersting: „Das ist nicht die richtige Zeit, um sich im Landtags-Wahlkampf mit dem Ukraine-Krieg zu profilieren.“
Grüne und FDP können punkten
Der Streit zwischen den großen Parteien nutze FDP und Grünen, die jetzt ihre Kernthemen herausstellen könnten, so Kersting. „Die Grünen punkten mit den Themen Umwelt und Klimaschutz. Und die FDP schnappt der CDU in Zeiten steigender Preise und Inflation das Gewinnerthema Wirtschaftskompetenz vor der Nase weg.“ Zugleich würden die kleinen Parteien von CDU und SPD nicht attackiert, weil man sie nach der Wahl womöglich als Partner benötige, sagte Kersting. „Die CDU müsste sich viel stärker gegen FDP und Grüne positionieren“, findet der Experte für Regionalpolitik.
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Liberale und Grüne schauen derweil nach vorne. Die FDP will mit Fördermitteln und „Transformationsgutscheinen“ für Unternehmen den Umbau der Wirtschaft Richtung Klimaneutralität beschleunigen. „Der Bund hat mit seinem 60 Milliarden Euro Sondervermögen eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. Statt wie CDU und CSU dagegen in Karlsruhe zu klagen, wollen wir Freie Demokraten einen möglichst großen Anteil dieser Mittel nach NRW holen, sagte FDP-Landeschef Stamp. So könnten zusätzliche Investitionen von insgesamt 75 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren in NRW ermöglicht werden.
Aus für 1000-Meter-Regel
Die NRW-FDP möchte zudem „Transformationsgutscheine“ einführen, die Unternehmen für Beratung, Qualifizierung und Investitionen einsetzen könnten, um sich auf klimaneutrales Wirtschaften vorzubereiten. Bürokratie-Abbau, beschleunigte Genehmigungsverfahren und digitale Erleichterungen stehen ebenfalls auf der Liste.
Die Grünen präsentierten ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“. Sie möchten schrittweise eine „Solarpflicht“ einführen, sollten sie künftig in NRW mitregieren. Photovoltaikanlagen gehörten „auf jedes Dach“, sagt Wibke Brems. Der 1000-Meter-Mindestabstand für Windkraftanlagen würde schnell gestrichen. Alle Gesetze und Förderprogramm in NRW müssten überprüft werden, ob sie für den Klimaschutz taugen. Alle unter 18-Jährigen sollten kostenlos mit Bus und Bahn fahren können.
>>>> Landespolitik zuerst
Laut Prof. Norbert Kersting sind CDU, SPD und die anderen Parteien gut beraten, sich in dieser Krisensituation wieder stärker auf landespolitische Themen zu konzentrieren. Vor der Landtagswahl am 15. Mai wollten die Wählerinnen und Wähler vor allem erfahren, was die Parteien zu Bildung, Verkehr, Wohnen, Wirtschaft und Nachhaltigkeit zu sagen hätten.
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