Essen. Vor der Landtagswahl verweist die Landesregierung auf die politische Neutralitätsgebot der Schulen. Dort versteht man das zuweilen als Drohung.
Briefe der NRW-Landesregierung sorgen derzeit für Verunsicherung unter Schulleitungen und Lehrkräften. Das Ministerium verweist darin mit Blick auf die NRW-Landtagswahlen am 15. Mai auf die gebotene parteipolitische Neutralität der Schulen. Manche Pädagogen interpretieren dies offenbar als eine Art Maulkorb gegenüber der Presse.
„Solche Briefe sind nicht ungewöhnlich vor Wahlen“, erklärt Harald Willert, Vorstandssprecher der Schulleitungsvereinigung NRW (SLV). Mit solchen Schreiben werde regelmäßig auf die Neutralitätspflicht der Schulen hingewiesen. „Manche Kolleginnen und Kollegen nehmen dies aber als eine Art Drohung wahr. Es schreckt sie davon ab, mit der Presse zu reden, da sie Schwierigkeiten befürchten.“
Gesetz verlangt Neutralität, Mäßigung und Zurückhaltung
Das NRW-Schulministerium weist diese Sichtweise zurück. Es sei „geübte Praxis seit Anfang der 90er-Jahre, dass das Innenministerium des Landes im Vorfeld von Landtags-, Bundestags- und Europawahlen an die Wahrung des Neutralitätsgebots sowie an das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot“ erinnert, das im Beamtenstatusgesetz verankert sei, teilt das Schulministerium auf Anfrage mit.
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Grundsätzlich gelte, dass Schulleiterinnen und Schulleiter die Schule in der Öffentlichkeit vertreten. Nur bei „Angelegenheiten von besonderer Tragweite sei eine Abstimmung mit der regional zuständigen Schulaufsichtsbehörde“ vorgesehen. Eine Erlaubnis des Schulministeriums sei für Gespräche mit der Presse nicht erforderlich. SLV-Sprecher Willert weiß aus der Praxis: „Wer ängstlich ist, lässt es trotzdem lieber.“
Das Thema Schule gilt in der Landespolitik als wahlentscheidend. Die Abwahl der vorherigen rot-grünen Landesregierung wird auch auf den Unmut vieler Wähler über die NRW-Schulpolitik zurückgeführt. Die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann hatte sich viel Ärger im Abitur-Streit um G8/G9 sowie bei der Steuerung der Inklusion eingehandelt. Die amtierende Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) musste sich während der Pandemie heftige Kritik an ihrer oft erst sehr spät reagierenden Politik gefallen lassen.