Düsseldorf. Der Landesparteitag, der den NRW-Kronprinzen des Kanzlerkandidaten küren sollte, wird wohl hinter die Bundestagswahl geschoben. Taktik?

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will sich offenbar für den Fall des Scheiterns als Kanzlerkandidat eine Rückkehroption in die Landespolitik offenhalten. Bei der mit Spannung erwarteten Sitzung des Landesvorstands der NRW-CDU am kommenden Montag wolle Laschet die Verschiebung des eigentlich überfälligen Landesparteitags auf Oktober vorschlagen, erfuhr unsere Redaktion von mehreren Vorstandsmitgliedern. Damit könnte der CDU-Chef bis nach der Bundestagswahl noch Landesvorsitzender in Personalunion bleiben. Laschet hatte zuvor bereits deutlich gemacht, dass er seinen Kanzlerwahlkampf aus dem Ministerpräsidenten-Amt heraus betreiben wolle.

Offiziell sollen die unsichere Corona-Lage und die hohen Kosten eines Digital-Parteitages als Gründe für die Verschiebung angeführt werden. Parteiintern wird aber gemutmaßt, Laschet glaube weiterhin daran, wie einst die Ministerpräsidenten Johannes Rau (1987) oder Edmund Stoiber (2002) nach einer gescheiterten Mission Kanzleramt in der Staatskanzlei weitermachen zu können. Sein Innenminister und enger Vertrauter Herbert Reul (CDU) hatte dieses Ansinnen zuletzt in der „Welt“ öffentlich gemacht: „Armin Laschet muss voll auf Kanzler gehen und ganz auf Sieg setzen. Aber je nach Wahlergebnis würde ich nicht ausschließen, dass er Ministerpräsident bleibt und wieder kandidiert.“ In NRW stehen bereits im Mai 2022 wieder Landtagswahlen an.

Soll Kronprinz Wüst nicht frühzeitig inthronisiert werden?

Die Verschiebung des Parteitags gilt einigen Vorständlern als taktisches Manöver, um die frühzeitige Inthronisierung des „Kronprinzen“ Hendrik Wüst zu verhindern. Der 45-jährige Verkehrsminister und Chef des Wirtschaftsflügels gilt als aussichtsreichster Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten, weil er für einen Generationswechsel stehen würde und über das in NRW verfassungsrechtlich vorgeschriebene Landtagsmandat verfügt. Zuletzt hatten mehr oder minder deutlich die Junge Union, der Sozialflügel, die Mittelstandsvereinigung und einige einflussreiche Bezirksvorsitzende Sympathie für eine frühzeitige Staffelübergabe an Wüst erkennen lassen. Eine „Übergangslösung“ im Landesvorsitz etwa mit dem 68-jährigen Laschet-Unterstützer Reul wird von Insidern als kaum noch durchsetzbar beschrieben.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass es in den Gremien am Montag Widerspruch gegen die abermalige Verschiebung des Landesparteitags geben wird. Niemand wolle den Kanzlerkandidaten Laschet in der für ihn ohnehin schwierigen Phase weiter schwächen. Allerdings wird sorgenvoll darauf hingewiesen, dass eine „Rückfahrkarten-Debatte“ Zweifel an seiner Siegeszuversicht vor der Bundestagswahl befeuern könnte. Laschet soll schließlich am Montag feierlich als Spitzenkandidat der NRW-Liste für den Bundestag nominiert werden. Mancher hofft, dass er darüber hinaus mit einem klaren Bekenntnis zu seiner politischen Zukunft in Berlin alle Spekulationen austritt. CSU-Chef Markus Söder hatte jüngst den Ton gesetzt, indem er der „Süddeutschen Zeitung“ sagte: „Generell gehört ein CDU-Bundesvorsitzender nach Berlin.“

Der historische Vergleich mit den Rückkehrern Rau und Stoiber hinkt

Anders als die historischen Vorbilder Rau und Stoiber ist Laschet erst seit vier Jahren Ministerpräsident und müsste schon wenige Monate nach einer Niederlage im Bund wieder in NRW antreten. Zudem würde ihm das womöglich schlechteste Nachkriegs-Wahlergebnis der Union persönlich angelastet, weil er gegen den deutlichen populäreren Söder und Teile der Parteibasis nach der Kanzlerkandidatur gegriffen hatte. Laschets schwarz-gelbe Landesregierung regiert mit nur einer Stimme Mehrheit und steckt aktuell in einem schweren Stimmungstief. „Es gibt realistischerweise kein Zurück nach Düsseldorf“, sagte ein Vorstandsmitglied unserer Redaktion.

Die Neuwahl eines Ministerpräsidenten müsste spätestens vier Wochen nach der Bundestagswahl erfolgen, wenn sich das Parlament in Berlin konstituiert. Der NRW-Regierungschef darf laut Verfassung nicht zeitgleich Mitglied des Bundestags sein. Der neue Ministerpräsident würde dann wohl kurz darauf auch zum Chef der NRW-CDU gewählt, weil in den erfolgreichen Phasen der Landespartei beide Ämter immer in einer Hand waren.