Düsseldorf. Das Coronavirus grassiert, aber die Maskenpflicht und andere Schutzmaßnahmen stehen auf der Kippe -- auch im Unterricht.

Ist ausgerechnet jetzt die Zeit reif für die Lockerung von Corona-Maßnahmen? In NRW werden immer mehr warnende Stimmen laut, denn die Infektionszahlen steigen stark. Auch die Landesregierung signalisiert Zurückhaltung.

Während Bund und Länder um die Frage ringen, welche Öffnungsschritte ab dem 20. März möglich sind, machte Prof. Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin sowie Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung am Mittwoch als Gast der NRW-Grünen auf die Risiken aufmerksam. Er rät der Politik, „besonnener“ vorzugehen. Ein weiterer deutlicher Anstieg der Infektionszahlen sei möglich. Die Lage in den Krankenhäusern sei zwar derzeit noch „okay“, aber Personalausfälle durch Corona machten den Kliniken schwer zu schaffen, so der Professor. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Mittwoch in NRW bei knapp über 1400.

"Brauchen Maskenpflicht für das gesamte Gesundheitswesen"

„Wir brauchen zumindest eine Maskenpflicht für das gesamte Gesundheitswesen und überall dort, wo es nicht möglich ist, große Abstände zu halten“, erklärte Karagiannidis. Die Maske habe beim Infektionsschutz „den mit Abstand größten Effekt bei der geringsten individuellen Belastung.“ NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur forderte ebenfalls, „das milde Mittel Maskenpflicht“ beizubehalten, insbesondere in Schulen.

NRW will nach der Bund-Länder-Runde am Donnerstag klarstellen, welche Regeln ab dem Wochenende gelten sollen. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), selbst an Corona erkrankt, möchte offenbar zumindest bis zum 2. April an der Maskenpflicht in Innenräumen festhalten, zum Beispiel in Geschäften, Restaurants und in Museen. Die SPD-Landtagsopposition fordert ebenfalls die Verlängerung wichtiger Corona-Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht in Innenräumen und Tests an Schulen und Kitas mindestens bis zum 2. April.

Vorsichtiges Herantasten an den 2. April

NRW-Gesundheits-Staatssekretär Edmund Heller präsentierte sich am Mittwoch im Gesundheitsausschuss nachdenklich. Die Belastungssituation durch Corona sei hoch, und die Regierung wolle jetzt zunächst von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich mit einer Übergangslösung bis zum 2. April vorzutasten. Dann endet die Übergangsfrist, die der Bund den Ländern einräumen will. In dieser Zeit könnten zwar keine Kapazitäts- und Kontaktbeschränkungen mehr möglich sein, wohl aber, jedoch die 3G-Regel, Masken-, Abstands- und Testpflichten. 

Heller bemühte ein Bild, um die bedrohliche Lage zu beschreiben: „Wenn sie eine Waage haben, und auf der einen Seite liegt das Coronavirus, dann geht die Waagschale nach unten. Wenn sie dann aber auf der anderen Seite auch noch alle Corona-Maßnahmen rausnehmen, dann erstaunen sie manch einen.“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisierte den Entwurf für das geänderte Infektionsschutzgesetz des Bundes als unzureichend. Die Regelungen zu den „Hotspots“ seien unklar formuliert. Im Notfall müsse es schnell gehen. „Hotspots“ sind Gebiete, in denen die Gefahr besteht, dass sich das Virus rasant ausbreitet. Mediziner warnen, NRW seit derzeit ein einziger „Hotspot“.

Schulministerin kündigt zeitnahe Entscheidung zu Maskenpflicht und Tests an

Obwohl das Infektionsgeschehen auch an den Schulen in NRW wieder zunimmt, will die Landesregierung noch in dieser Woche entscheiden, ob an den Schulen in NRW die Maskenpflicht und die Pflicht zu regelmäßigen Corona-Tests fällt. Das kündigte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch im Schulausschuss an. Sie verwies auf die Pläne des Bundes für ein neues Infektionsschutzgesetz, das zum 20. März den Wegfall der meisten bundesweiten Corona-Auflagen vorsieht.

Der jüngsten „Corona-Umfrage“ an den NRW-Schulen zufolge (Stichtag 9. März) konnten zuletzt 3,9 Prozent der Schülerinnen und Schüler pandemiebedingt nicht am Präsenzunterricht teilnehmen (Vorwoche: 3,2 Prozent). Rund 46.000 Infektionen unter Schülern wurden gezählt, in der Woche zuvor waren es rund 36.000. 23.000 Kinder und Jugendliche befanden sich in Quarantäne (zuvor: 21.300). Laut Landesregierung stehen derzeit knapp 92 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer für den Präsenzunterricht zur Verfügung. Fast 6500 Pädagogen waren zuletzt Corona-positiv, 1260 befanden sich in Quarantäne.

Hohe Inzidenzen unter Jugendlichen

Sigrid Beer (Grüne) hält es angesichts von Inzidenzwerten zwischen 1000 und 2000 unter jungen Menschen für unverantwortlich, die Coronatests an Schulen abzuschaffen. In Köln könnten zwölf und in Solingen zehn Prozent der Lehrkräfte pandemiebedingt nicht arbeiten. Laut Jochen Ott (SPD) melden immer mehr Schulen, dass sie die Hygiene- und Infektionsschutzvorgaben nicht mehr einhalten könnten.

Der NRW-Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau, warnte: „Das Virus richtet sich weder nach Bundesgesetzen noch nach Landesverordnungen. Wichtigstes Ziel muss nach wie vor sein, einen kontinuierlichen Unterrichts- und Schulbetrieb zu gewährleisten.“