Düsseldorf. Auftakt ins Super-Wahljahr verhagelt, Laschet schon halb in Berlin: Wie Signale aus Stuttgart und Mainz nach NRW ausstrahlen könnten.

Bringt dieser Start ins Super-Wahljahr 2021 auch die politischen Verhältnisse an Rhein und Ruhr wieder ins Tanzen? Die Ergebnisse aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beflügeln jedenfalls in Düsseldorf die Bündnis-Fantasien.

Seit dem Machtwechsel 2017 schien sich die NRW-CDU von Ministerpräsident Armin Laschet ziemlich komfortabel eingerichtet zu haben. Jede Umfrage wies sie im einstigen „Stammland“ der SPD als klare Nummer eins aus. Für Laschets mäßig beliebte schwarz-gelbe Koalition wurde zwar seit Jahren keine Mehrheit mehr gemessen, doch hinter den Kulissen tröstete man sich damit, dann eben ab 2022 mit den starken Grünen weiter zu regieren. Nur: Geht die Rechnung jetzt noch auf?

SPD-Chef geht schon länger auf Tuchfühlung

In Stuttgart und Mainz zeichnete sich am Sonntag ab, dass es sehr wohl Mehrheiten jenseits der Union geben könnte. Plötzlich blinkt überall die Ampel. Darauf hofft der neue Chef der NRW-SPD, Thomas Kutschaty, schon länger. „Warum nicht auch über eine sozialliberale Renaissance nachdenken? Das könnte großes Potenzial entwickeln“, umgarnte er schon Anfang 2020 in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ die FDP. Zuletzt lobte Kutschaty sogar die umstrittene FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer für ihren schulscharfen Sozialindex bei der Lehrer-Verteilung und ihre „Talentschulen“ in Brennpunkten: „Das ist eine sozialdemokratische Idee!“

Lange hatten die Liberalen in NRW überhaupt keinen Grund, auf solche Avancen einzugehen. Ministerpräsident Laschet behandelte sie schon wegen der knappen Ein-Stimmen-Regierungsmehrheit sehr zuvorkommend. Er gehörte zu den wenigen Spitzen-Christdemokraten, die sich nach der „Jamaika-Flucht“ von Parteichef Christian Lindner im Bund und dem Thüringen-Debakel um Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich nicht am allgemeinen FDP-Bashing beteiligten. Außerdem wird Laschet menschlich in den Reihen der liberalen Landtagsfraktion außerordentlich geschätzt.

Viele rechnen damit, dass Laschet bald komplett in Berlin ist

Zuletzt waren jedoch Kursstreitigkeiten zwischen CDU und FDP in der Pandemie-Bekämpfung unübersehbar. Manchen Liberalen nervt, wie sehr beim Partner mit der vermeintlich sicheren schwarz-grünen Regierungsoption nach 2022 kokettiert wird, während die FDP-Ministerin im Hier und Jetzt bei Problemthemen wie Kita, Schule und Wirtschaftshilfen Krisen-Kärrnerarbeit leisten müssen.

Vor allem aber: Der eben noch recht unangefochtene Ministerpräsident Laschet steht plötzlich als neuer CDU-Vorsitzender mitten im Berliner Scherbenhaufen. In der Corona-Krise changiert er zwischen Lockern und Lockdown, während sich gerade die dritte Infektions-Welle aufbaut. Seiner Partei fallen Impfdebakel und Test-Trödelei ebenso hart auf die Füße wie die Autokraten-Versteher und „Masken-Raffkes“ in der Bundestagsfraktion.

Es ist unklar, wie lange Laschet überhaupt noch in Düsseldorf bleibt. „Die Vorentscheidung Richtung Berlin ist mit dem Parteivorsitz gefallen“, sagt ein einflussreicher Christdemokrat. Ob als Kanzlerkandidat oder auch nur als CDU-Vorsitzender – Laschet werde für den Bundestag kandidieren müssen und spätestens im Oktober ganz nach Berlin wechseln, heißt es. Dass er einen Bundestagswahlkampf „mit Rückfahrkarte nach Düsseldorf“ führen könne, glaube nicht mal er selbst. Der Vergleich mit jener Vollkasko-Kanzlerkandidatur Johannes Raus 1987 hinke – die SPD-Ikone war damals frisch mit absoluter Mehrheit im Ministerpräsidenten-Amt bestätigt worden, hatte keinen Parteivorsitz, dafür den kurzen Weg nach Bonn und noch drei Jahre Zeit bis zur nächsten Landtagswahl.

FDP-Personal wirkt heute ansprechbarer als früher

In NRW wird dagegen bereits im Mai 2022 gewählt – bei recht diffuser Personallage in der CDU. Während die Laschet-Nachfolge offen ist, haben die bis auf 17 Prozent in Umfragen abgestürzten Sozialdemokraten zumindest ihre Personalstreitigkeiten beendet. Die Grünen wirken derweil mit Verena Schäffer und Josefine Paul als neuer, junger Doppelspitze in der Landtagsfraktion nicht gerade darauf erpicht, schnellstmöglich bei der CDU unterzuschlüpfen.

Je nachdem wie das weitere politische Jahr 2021 läuft, könnten durchaus Ampel-Fantasien entstehen. Die FDP wirkt personell jedenfalls ansprechbarer als noch vor zehn oder 15 Jahren. Landesparteichef Joachim Stamp, ein sozial orientierter und unprätentiöser Ex-Kommunalpolitiker aus Bonn, genießt bei SPD und Grünen ebenso Wertschätzung wie der FDP-Landtagsfraktionschef Christof Rasche, ein früherer Top-Handballer mit westfälischer Direktheit. Generalsekretär Johannes Vogel ist als FDP-Arbeitsmarkt-Experte ohnehin inhaltlich anschlussfähig. Seit diesem Sonntag könnte das noch mal wichtig werden.