Düsseldorf. Zwischen Einsatz-Roboter und Polizei-App: Innenminister Reul eröffnet ein bundesweit führendes Innovationslabor im Ruhrgebiet.
Herbert Reul kann gar nicht lassen von dem vierbeinigen Roboter, der auf jede seiner Bewegungen verblüffend zutraulich reagiert. „Meine Töchter haben sich immer einen Hund gewünscht“, entfährt es dem nordrhein-westfälischen Innenminister. Doch Reul will an diesem Dienstagmittag nicht nur spielen.
Der CDU-Mann steht in einer Büroetage am Duisburger Innenhafen, die eine neue Außenstelle des Landesamtes für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD) ist, aber gar nicht so aussieht. Glas, Sichtbeton, bunte Teppiche, Lounge-Sessel, Video-Wände – vieles erinnert eher an eine Start-Up-Schmiede als an eine Amtsstube. „Das ist eine andere Atmosphäre als ein normales Büro. Das gibt’s in der Polizei sonst nicht“, findet Reul.
Der Innenminister ist ins Ruhrgebiet gekommen, um ein „Innovation Lab“ einzuweihen. Auf 500 Quadratmetern sollen Polizisten zusammen mit externen IT-Experten und Wissenschaftlern neue Einsatztechnologien kreieren oder Marktneuheiten auf die speziellen Bedürfnisse der Verbrecherjagd anpassen. 4,3 Millionen Euro hat der Aufbau dieser Kreativabteilung gekostet.
"Dieses Labor ist in Größe und Ausstattung einzigartig"
„Dieses Labor ist in dieser Größe und Ausstattung einzigartig in der Polizei der Bundesrepublik“, schwärmt Reul. „Wir machen hier Ideen einsatzfähig.“ Der bald 70-jährige Innenminister hat seit 2017 eine Kauzigkeit kultiviert, die seinen Modernisierungsdrang nicht auf den ersten Blick erkennen lässt. Reul nennt Computer schon mal „Maschinen“ und erwachsene Polizisten gern väterlich „Jungs und Mädels“, er liebt anachronistische Sprachbilder („Wir wollen wissen, wie der Hase läuft“) und tut gerne so, als sei er bloß staunender Zaungast.
In Duisburg ist die Methode Reul jedoch ganz gut beobachten: Er entscheidet, besorgt das Geld, setzt die richtigen Leute an die richtige Stelle und lässt dann machen. LZPD-Direktor Thomas Roosen, der 20 Jahre in der IT der Polizei gearbeitet hat, schwärmt von seinem Chef: „Wir dürfen behaupten, jetzt die am besten ausgestattete Landespolizei zu sein.“
Das Innovationslabor testet, in welchen Einsatzsituationen etwa der 32 Kilogramm schwere und 60.000 Euro teure Hightech-Roboter hilfreich sein könnte. Die erste Antwort: Überall dort, wo die Lage unübersichtlich und für Polizisten zu gefährlich ist. Aber auch Alltagstechnik wird hier erprobt: Kamerasysteme zur Unfallaufnahme, Handy-Apps zur Anzeigenbearbeitung, sichere Speicherplätze für digitale Akten. Oder ein akkubetriebener mobiler IT-Würfel, der beim Ausfall von Strom- und Handynetz den schnellen Aufbau einer mobilen Wache ermöglichen soll. Nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer hatte die Polizei in voller Härte gemerkt, wie aufgeschmissen Einsatzkräfte nach dem Zusammenbruch aller Leitungen sein können.
"Wir gehen mit der Zeit und laufen nicht hinterher"
Auch die Strafverfolgung bei Verbrechen wie Kindesmissbrauch verdeutlicht, dass schnell technisch aufgerüstet werden muss. Die riesige Berge von Daten können nur mit Hilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. „Wir gehen mit der Zeit und laufen nicht hinterher, sonst laufen wir irgendwann auch den Tätern hinterher“, lautet Reuls Credo.
Lange galt die Polizei nicht unbedingt als Hort der Innovation. Die Nutzung moderner Medien hielt erst spät Einzug in den Wachen. Immer noch werde man mit ganz praktischen Problemen der Beamten konfrontiert, berichtet LZPD-Direktor Roosen: „Jüngst fragte mich ein Kollege, warum wir die Apps unserer Smartphones nicht mit dem Display des Funkstreifenwagens koppeln können. Ich musste ihm antworten, dass er eine gute Frage gestellt hat, auf die ich aber keine Antwort habe.“
Das Duisburger Innovationslabor soll der Polizei auch helfen, häufiger über den eigenen Tellerrand zu gucken. So arbeitet man mit der Universität Duisburg-Essen zusammen und tauscht sich über riesige Videowände permanent mit dem „Innovation Hub“ der Polizei in Hessen aus.
Reul wirkt so begeistert, dass er sich fast im legendären Bunker von „Q“ in London wähnt: „Was wir heute eröffnen, ist ein Innovation Lab, das den Vergleich mit – ich mache es jetzt mal ganz dicke – den Laboren von James Bond oder Google nicht zu scheuen braucht.“ Später draußen ist weiterhin nicht die Themse, sondern immer noch der Duisburger Innenhafen zu sehen.