Essen/Pjöngjang. Der Kronprinz ist ein dicklicher junger Mann mit Doppelkinn und einem etwas altmodischen Haarschnitt.
Im abgeschotteten Nordkorea blieb der Auserkorene lange ein Phantom, über das sie in Pjöngjang nur hinter vorgehaltener Hand tuschelten und das sie schon als „jungen General“ priesen, auch als er noch gar nicht ernannt war. Nun aber hat ihn sein Vater Kim Jong Il, den seine Untertanen den „geliebten Führer“ oder schlicht den „General“ nennen, dem Volk und der Welt draußen vorgestellt. Kim, zum Dritten . . .
Kim Jong Un ist der Spross aus der Liaison des „geliebten“, aber inzwischen reichlich kränkelnden Führers mit einer japanischen Tänzerin. Zwei ältere Brüder des 27jährigen waren wohl zu zimperlich für den Diktatoren-Job. Kim Jong Un hat offenbar die aggressiven Gene seines Erzeugers geerbt, bestens geeignet mithin für die bizarre Herrschaft über ein darbendes Volk, das die schmale Elite in Furcht und Schrecken (oder in Arbeitslagern) hält.
Bei der Heerschau zum 65. Geburtstag der Arbeiterpartei fiel den professionellen Nordkorea-Watchern die frappierende Ähnlichkeit mit seinem Opa, dem 1994 verstorbenen Staatengründer Kim Il Sung auf. Den „ewigen Führer“ verehren sie wie einen Heiligen: Vor der überlebensgroßen Bronzestatue im Herzen der monumentalen Hauptstadt Pjöngjang verneigen sich die Nordkoreaner in Bücklingen fast bis zum Erdboden. Die Familienähnlichkeit nährte prompt Gerüchte, da könnten Gesichtschirurgen am jungen Vier-Sterne-General herumgeschnippelt haben . . .
Für Hobbys keine Zeit mehr
Das Abbild seines Großvaters wurde bereits in Liedern und Gedichten gepriesen, obgleich nur ein Foto außerhalb Nordkoreas kursierte, das Kim junior als Schüler eines Internats in Bern zeigt, das er (ohne Abschluss) von 1998 bis 2000 unter dem Tarnnamen Chol Pak und als angeblicher Sohn eines Fahrers der nordkoreanischen Botschaft besuchte. Seither ist der rundliche Jüngling des Schwyzerdütschen und auch des Französischen einigermaßen mächtig. Mitschüler schildern Kim Jong Un als schüchtern, aber ehrgeizig vor allem beim Basketball. Er soll amerikanische Diplomatenkids zu Freunden gehabt und sich für Actionfilme, Skifahren und Michael Jordan begeistert haben.
Für derart dekadente Hobbys wird der Azubi-Diktator kaum noch Zeit finden. Seit der Absolvent der Militärakademie und Abgeordnete des Wahlkreises Pjöngjang ins ZK und die Militärkommission der Partei gehievt wurde, muss er sich in der feudalistischen Kim-Dynastie behaupten. Denn fürs Erste bleibt der Neue an der Spitze von Verwandten umstellt. Kim Jong Uns scharfzüngige Tante Kim Kyong Hui wurde soeben zur Generalin befördert, ihr Gatte Jang Song Taek, ein im Volk ungeliebter Scharfmacher, ist Vize in der Nationalen Verteidigungskommission, dem höchsten Gremium des Atomstaates. Dessen roten Knopf verwaltet, solange er kann, Kim senior - auch wenn der seit einem Schlaganfall das linke Bein nachzieht und einen dunklen Hautschatten im aufgedunsenen Gesicht trägt.