Essen.. Hat der Bundesgerichtshof der Polizei schärfere Waffen im Kampf gegen Hooligans gegeben? NRW-Innenminister Jäger prüft das. Experten warnen.
Als sich an einem Samstag Mitte Januar 2014 mitten am Tag und mitten in Köln mehrere Dutzend Hooligans aus Köln, Dortmund und Gelsenkirchen eine Massenschlägerei lieferten, traf das die Polizei damals unvorbereitet. Mit einer Telefonüberwachung wäre man den Schlägern vielleicht im Vorfeld auf die Schliche gekommen; bei Delikten wie Landfriedensbruch und Körperverletzung war das aber rechtlich tabu. Bald wohl nicht mehr. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor. Die soll bereits Wirkung zeigen.
So haben sich jüngst zwei Gruppierungen offiziell als aufgelöst erklärt, heißt es im Online-Fanportal Fanzeit.de; neben der "Standarte Bremen" auch die "Westfront Deutschland" in Aachen. Beide nennen jedoch keine Begründung, die Aachener Gruppe mag sich zudem nicht als Fußball-Hooligans bezeichnet sehen. Der Bochumer Fan-Forscher und Kriminologe Prof. Thomas Feltes glaubt unterdessen, dass solche Reaktionen "sich als Bumerang für die Strafverfolgungsbehörden erweisen". Die BGH-Entscheidung "kann dazu führen, dass Hooligan-Gruppen sich noch stärker nach außen abschotten und sich gegebenenfalls auch pro forma auflösen. Ähnlich wie bei rechtsextremistischen Gruppierungen wird dann die Kontrolle durch die Polizei erschwert."
"Drittortauseinandersetzungen" sind nun grundsätzlich strafbar
Worum es geht: Fünf rechtsextreme Hooligans der mittlerweile aufgelösten Vereinigung "Hooligans Elbflorenz" aus Dresden waren wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch verurteilt worden. Vor dem BGH hatten sie Revision eingelegt. Die Richter dort milderten zwar einige Punkte ab, gingen im Grundsatz jedoch weiter.
Bisherige Gerichtsurteile, die Prügeltreffen auf Feld, Wald und Wiese - Fachbegriff "Drittortauseinandersetzungen" - als "kampfsportähnliche Veranstaltungen" durchgehen ließen, "sind nun obsolet", sagte eine BGH-Sprecherin: Wenn Hooligan-Gruppierungen "eine gewisse Organisationsstruktur" hätten und nur dem Zweck dienten, sich gegenseitig zu verprügeln, könnten sie als "kriminelle Vereinigung" eingestuft werden, entschied der 3. Strafsenat. Schon die nachgewiesene Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe kann dann mit einer hohen Haftstrafe belangt werden.
Ausdruck einer Hysterie gegen bestimmte Fußball-Anhänger
Das sorgt für Diskussionen in der Szene, ist bei Fanprojekten im Ruhrgebiet zu hören. Gleichwohl heißt es dort: "Die Entscheidung kommt nicht überraschend". Fußballanhänger würden vor Gericht zunehmend härter bestraft. Gewalttaten mit Fußballbezug würden dort verstärkt "als Politikum" bewertet. Der Kölner Rechtsanwalt Frank Hatlé von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte sieht in dem BGH-Entscheid "die Spitze eines Prozesses" und Ausdruck einer "Hysterie" der Strafverfolgungsbehörden gegen bestimmte "besonders aktive" Fußball-Anhänger aus Ultra- und Hooligan-Szene.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) mag der Polizei indes noch keine Strategie verordnen. Noch müssen die Richter in Karlsruhe ihre Entscheidung schriftlich begründen. "Es ist gut, dass der BGH klare Worte gefunden hat", sagt Jäger. Wer den Fußball benutzt, um seine Gewalt auszuleben, sei nichts anderes als ein Straftäter. Die BGH-Entscheidung werde nun ausgewertet. "Wenn sich aus dem Urteil Handlungsspielräume ergeben, nutzen wir sie, um noch konsequenter gegen diese Gewalttäter vorzugehen", sagt Jäger.
Telefonüberwachung, Lauschangriff, Rasterfahndung
Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht bereits "einen zweiten notwendigen Schritt" im Einsatz gegen Hooligans und gewaltbereite Ultra-Gruppen: "Man müsste ihnen das Tragen ihrer Embleme verbieten". Die seien Machtsymbole, deren Verbot bereits bei Rockern in NRW Wirkung zeige. Gleichwohl sieht Plickert nach wie vor hohe rechtliche Hürden in Bezug auf härtere Ermittlungsmaßnahmen gegen Hooligan-Gruppen: "Wir müssen jeder Gruppe nachweisen, dass sie dem Ziel dient und zu dem Zweck gegründet wurde, Straftaten zu begehen" - erst dann sei das Kriterium als "kriminelle Vereinigung" gegeben.
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Telefonüberwachung, Rasterfahndung, Großer Lauschangriff auf Wohnungen: Gegen kriminelle Vereinigungen fährt das Strafrecht schwere Geschütze auf. Dass sie auch gegen Personen und Gruppen aus dem Bereich "Gewalttäter Sport" eingesetzt werden, begründet aus Sicht von Fananwalt Frank Hatlé die erhebliche Gefahr "schwerer Grundrechtverletzungen". Die einschneidenden Ermittlungsmaßnahmen, welche der Gesetzgeber zur Bekämpfung der Schwerstkriminaltät schuf, drohen nun zur Standardmaßnahme im Kampf gegen vermeintliche Gefahren durch Ultra-Gruppen oder sogenannte Hooligans zu werden, bemängelt Hatlé. "Da eine inhaltliche Überprüfung solcher Anträge durch die Ermittlungsrichter sehr häufig nur unzureichend stattfindet, droht eine inflationäre Ausweitung dieser Maßnahmen."
Fan-Forscher Prof. Thomas Feltes kritisiert zudem, es sei nicht die Regel, dass man Hooligan-Gruppen so genau bestimmen kann. Es gebe Mitläufer und viele Leute, die nicht zum harten Kern zu zählen seien. Feltes' Fazit: "Verschärfte Polizeimaßnahmen gegen Personen, die nicht eindeutig zum harten Kern einer Hooligan-Gruppierung gehören, halte ich für rechtsstaatlich bedenklich und rechtswidrig."