Essen. Horst Seehofer hat die Schweigemauer durchbrochen. Der CSU-Chef erlaubte dem “heute journal“-Moderator Claus Kleber die Veröffentlichung seiner Attacke auf Bundesumweltminister Röttgen. Viele Bürger werden den Ausbruch des Alpenvulkans zu schätzen wissen. Ein Kommentar.
Horst Seehofer hat mit seiner Mut- und Wut-Rede im ZDF vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen. Endlich einmal Klartext und nicht das übliche Politiker-Geschwurbel. Norbert Röttgen kam dabei schlecht weg, und auch die Kanzlerin ließ der CSU-Chef nicht ungeschoren.
Auf solche klaren Worte hat man lange gewartet. Bezeichnend, dass sie erst nach dem eigentlichen TV-Interview aus dem bayerischen Ministerpräsidenten herausbrachen. Offizielle Statements lenken eher von wichtigen Themen ab, Antworten versuchen die Fragen zu umgehen. Längst gibt es in der Politik die Unkultur des „Unter-uns-Gesagten“. Da werden im Parlament die Fensterreden gehalten, und in der Hinterstube wird regiert. Auch mit Journalisten wird nur Tacheles geredet, wenn diese schwören, es bleibe „unter Dreien“, also geheim. Mutig, dass Horst Seehofer diese Schweigemauer durchbrochen hat, indem er seinen zufällig mitgeschnittenen Wutausbruch zur Sendung freigab.
Typen mit Ecken und Kanten, wie Horst Seehofer oder Winfried Kretschmann, unterscheiden sich wohltuend von stromlinienförmigen Politikern wie, zum Beispiel, Norbert Röttgen.
Diskrepanz zwischen öffentlichem Reden und politischem Handeln
Viele Bürger werden den Ausbruch des Alpenvulkans zu schätzen wissen. Sie haben längst die Diskrepanz zwischen öffentlichem Reden und politischem Handeln erkannt und fühlen sich von „denen da oben“ oft verschaukelt. Seehofers Attacke beschreibt die Lage der Bundesregierung präzise: Sie steckt tief in der Krise. Ihr fehlt das Vertrauen der Bürger.
Jetzt hat Horst Seehofer gesagt, warum es so weit gekommen ist. Statt mutig zu gestalten und Politik ehrlich zu erklären, wird in Berlin „der Plumpsack geht um“ gespielt. Auch wenn nun zwischen den Unionsparteien der Haussegen endgültig schief hängt, ist Seehofers Mahnung womöglich die letzte Chance, um einen Koalitionsbruch abzuwenden: Nach dem NRW-Debakel kann es für Schwarz-Gelb ein „Weiter so“ nicht geben: nicht beim Fiskalpakt, nicht bei der Energiewende, nicht beim destruktiven Gegeneinander in der Koalition, die einen Klimawandel dringend nötig hat.