Essen. Beschatten, auflauern, bedrohen - viele Menschen sind Opfer von Stalkern. Jedes Jahr werden Zehntausende Fälle angezeigt, aber es kommt nur selten zur Verurteilung der Täter. Die CDU-Fraktion im NRW-Landtag fordert jetzt eine Verschärfung des sogenannten Stalking-Paragraphen.
Anfang Januar wurde in Münster eine junge Frau auf offener Straße erschossen. Im Rückblick war dies eine Tod mit Ankündigung. Der Täter, der Ex-Freund des Opfers, hatte die 30-Jährige schon seit Monaten verfolgt. An einem Tag rief er sie gleich 50 Mal an, auch mit einer Waffe soll er ihr zuvor aufgelauert haben. Zweimal erstattete die Frau Anzeige bei der Polizei: wegen Bedrohung, Beleidigung und übler Nachrede. Die Beamten haben den Stalker daraufhin ermahnt, sein Opfer in Ruhe zu lassen. Ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob die Polizei härter hätte durchgreifen müssen.
Die Geschichten ähneln sich: Sie beginnen mit Trennung oder Zurückweisung des Täters, der daraufhin sein Opfer permanent ins Visier nimmt, ihm das Leben teils zur Hölle macht. Die Mittel der Behörden gegen solche Stalker sind begrenzt. 2007 wurde Stalking erstmals als Straftatbestand der Nachstellung im Strafgesetzbuch verankert. Seitdem können Polizei und Justiz gegen die Belästigungen vorgehen. Doch der CDU in NRW geht dieser sogenannte Stalking-Paragraph nicht weit genug. "Erfahrungen aus der Praxis haben gezeigt, dass nicht alle strafwürdigen Fälle auch tatsächlich von dieser Vorschrift erfasst sind", heißt es in einem Antrag, den die CDU-Fraktion am Mittwoch in den NRW-Landtag einbringen will.
Nur wenige Stalker werden verurteilt
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Bisher sei es erforderlich, dass das Stalking des Täters "zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers" führe. Eine rein psychische Belastung - und sei sie auch noch so stark - sei nicht ausreichend. Die psychische Last müsse sich vielmehr im Verhalten des Opfers niederschlagen. Das bedeutet konkret: Erst wenn der Betroffene etwa seine Arbeitsstelle wechselt oder sein Freizeitverhalten ändert, hat eine Anzeige Aussicht auf Erfolg. "Opfer, die sich nach außen unbeeindruckt zeigen, um Stärke zu demonstrieren, kann dagegen kaum geholfen werden", klagt die NRW-CDU. "Ob das Verhalten des Täters strafbar ist oder nicht, hängt damit in erster Linie von der Persönlichkeit des Opfers ab. Effektiver Opferschutz sieht anders aus."
Dies erkläre auch das starke Missverhältnis zwischen angezeigten Delikten und späteren Verurteilungen. Im Jahr 2010 wurden demnach mehr als 26.800 Stalking-Fälle angezeigt, aber nur 414 Stalker verurteilt. "Dies vermittelt den Opfern ein Gefühl der Hilflosigkeit und ist geeignet, ihr Vertrauen in die Rechtsordnung zu erschüttern", argumentiert die NRW-CDU in ihrem Antrag. Der Täter wiederum werde in seinem Gefühl bestärkt, nichts Verwerfliches getan zu haben.
CDU will Bundesratsinitiative anstoßen
Die CDU tritt daher für eine Verschärfung des Stalking-Paragraphen ein. Demnach soll es künftig bereits ausreichen, "dass das Verhalten des Täters geeignet ist, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebenssituation des Opfers herbeizuführen - unabhängig davon, ob das Opfer seine Lebensgewohnheiten tatsächlich maßgeblich ändert". Die Antragsteller drängen auf eine entsprechende Bundesratsinitiative des NRW-Landtags zur Änderung des Strafgesetzbuches.
Die schwarz-rote Bundesregierung hat das Thema schon auf dem Radar. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Beim Stalking stehen vielen Strafanzeigen auffällig wenige Verurteilungen gegenüber. Im Interesse der Opfer werden wir daher die tatbestandlichen Hürden für eine Verurteilung senken." Zudem sollen Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung von Kontakt- und Nährungsverboten erarbeitet werden. Die NRW-CDU wolle erreichen, dass dieses Vorhaben nun möglichst schnell in die Tat umgesetzt wird, erklärt Axel Birkenkämper, Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.