Athen/Berlin. In Griechenland hat sich der Chef der sozialistischen Pasok-Partei Evangelos Venizelos zuversichtlich über die Chancen einer All-Parteien-Regierung geäußert. Zwei Anläufe waren zuvor gescheitert. Mitten im Regierungsbildungs-Chaos machte Bundesfinanzminister Schäuble den Griechen klar, dass es einen “bequem Weg“ nicht geben werde.
Erstmals seit den Wahlen vom vergangenen Sonntag gibt es in Griechenland
Hoffnung auf die Bildung einer handlungsfähigen Regierung. Der Chef der
sozialistischen Pasok-Partei, Evangelos Venizelos, sprach am Donnerstag nach
einem Sondierungstreffen mit der Demokratischen Linken von einem "guten Omen"
für eine mögliche Koalition. Venizelos ist als dritter Parteiführer mit der
Regierungsbildung beauftragt.
Der Chef der Linkspartei, die der Pasok im Bündnis
mit den Konservativen an die Macht verhelfen könnte, zeigte sich grundsätzlich
bereit zur Bildung einer Koalition, beharrte aber auf einer Aufgabe des
Sparkurses. Aus EU-Kreisen verlautete, die Euro-Zone werde ihre Hilfen
aufrechterhalten, bis eine Regierung stehe.
Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble mahnte die Griechen eindringlich, nicht vom Weg der Reformen
abzuweichen. Bei nochmaligen Wahlen kann das strikt gegen eine Umsetzung der
Sparauflagen eingestellte Syriza-Parteienbündnis Umfragen zufolge mit einem Sieg
rechnen.
Euro ja, sparen nein
Der Chef der Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, erklärte, mit der
Bildung einer Koalition könne das südosteuropäische Land im Euro gehalten
werden. Die Sparauflagen der internationalen Geldgeber lehnte aber erneut ab.
"Ich schlage die Bildung einer ökumenischen Regierung vor, die das Mandat des
Volkes respektiert." Bei der Wahl am Sonntag hatten die Griechen Sparbefürworter
massiv abgestraft und sich radikaleren Parteien zugewandt, die den
Konsolidierungskurs aufgeben wollen. Das mit EU und IWF vereinbarte Sparprogramm
ist Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen.
Einem ungenannten EU-Vertreter zufolge wird ein Ausscheiden des
Landes aus der Währungsgemeinschaft beim nächsten Treffen der Eurogruppe am
Montag aber kein Thema sein. "Ich kann keinen Appetit erkennen von Seiten
Griechenlands, aus der Währungsunion auszuscheiden - ich sehe auch keinen
Appetit seitens der 16 anderen Länder, dass Griechenland rausgehen soll", sagte
der mit der Vorbereitung des Treffens Vertraute.
Ohne Regierung gibt es kein Geld mehr
Die Geldgeber drohten mit einem Ende der Unterstützung. "Das Land
kann keine weitere Hilfe erwarten, wenn es die Reformen nicht vorantreibt",
mahnte EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny. Schäuble sagte, die internationale
Gemeinschaft sei bereit zu tun, was immer nötig sei, um Griechenland auf seinem
Weg zu helfen: "Aber das setzt, voraus, dass Griechenland diesen Weg geht." Die
notwendigen Anpassungen seien sehr anspruchsvoll. Wer dem Volk etwas anderes
einrede, werde seiner politischen Verantwortung nicht gerecht.
Griechenland droht Ende Juni das Geld auszugehen, wenn bis dahin
keine neue Regierung im Amt ist und die Spar-Zusagen gegenüber den
internationalen Helfern einhält. Scheitert auch die am Sonntag von den Wählern
abgestrafte sozialistische Pasok an der Regierungsbildung, werden Mitte Juni
Neuwahlen fällig. Erhalten die Spargegner dabei die Mehrheit, droht dem Land die
Pleite und der Verlust des Euros.
In einer Umfrage des Instituts Marc deutete sich genau das an: Danach
kann das linksradikale Syriza-Parteienbündnis mit einer Unterstützung mit rund
24 Prozent stärkste Kraft werden. Wirtschaftsexperten waren sich in einer
Umfrage von Reuters denn auch uneins, ob Griechenland noch lange Mitglied der
Euro-Gruppe bleibt. Eine knappe Mehrheit von 35 der 64 in den vergangenen zwei
Tagen befragten Fachleute glaubt, dass die Griechen Ende des Jahres noch mit dem
Euro bezahlen.
Erster Warnschuss vom IWF
Der deutsche Chef des Euro-Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, machte
deutlich, dass es keine weiteren Auszahlungen an Griechenland nach Juni geben
werde, wenn zuvor nicht der nächste Besuch der Troika aus EU, IWF und EZB
abgeschlossen sei. Die Troika beurteilt regelmäßig die Fortschritte
Griechenlands bei seinem Reformprogramm. Der Rettungsfonds EFSF feuerte bereits
einen Warnschuss ab: Von der seit längerem zugesagten Kredit-Tranche im Volumen
von 5,2 Milliarden Euro wird wegen der unklaren politischen Lage zunächst einmal
eine Milliarde einbehalten. Die Ratingagentur Standard & Poor's warnte vor
einer erneuten Absenkung der ohnehin extrem schwachen griechischen Bewertung,
sollten der IWF oder die Euro-Zone ihre Hilfen einstellen.
Das radikale Linksbündnis hatte am Mittwochabend seine Bemühungen um
eine Regierungsbildung aufgegeben. Zuvor war der Chef der konservativen ND,
Antonis Samaras, daran gescheitert. Ihm hatte auch die Demokratische Linke einen
Korb gegeben, die im neuen Parlament 19 Sitze stellt. Nach Gerüchten über eine
erfolgreiche Koalitionsbildung in Athen baute der Leitindex der dortigen
Aktienbörse seine Kursgewinne auf 4,2 Prozent aus. Der Bankenindex stieg um 13
Prozent.
Sollte Venizelos kein Regierungsbündnis zusammenbringen, ruft das
Staatsoberhaupt alle Parteichefs zusammen und sucht eine Lösung. Sollte auch
dies scheitern, wird eine amtierende Regierung ernannt, die das Land bis zu
Neuwahlen führt. (rtr)