Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik wird wohl den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen und hat am Ende seines Prozesses das Gericht noch einmal als Bühne für eine Hass-Botschaft genutzt.
Oslo (dapd). Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik wird wohl den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen und hat am Ende seines Prozesses das Gericht noch einmal als Bühne für eine Hass-Botschaft genutzt. Breivik akzeptierte das Urteil zu 21 Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung, in seinem Schlusswort zeigte er aber nicht nur keine Reue über die von ihm begangenen 77 Morde, sondern entschuldigte sich bei seinen rechtsextremistischen Gesinnungsgenossen dafür, im vergangenen Juli bei seinen Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utöya nicht noch mehr Menschen umgebracht zu haben.
"Da ich die Autorität des Gerichts nicht anerkenne, kann ich das Osloer Bezirksgericht nicht legitimieren, indem ich das Urteil akzeptiere", sagte Breivik und fügte hinzu: "Zugleich kann ich keine Berufung gegen das Urteil einlegen, weil ich mit der Anfechtung das Gericht legitimieren würde." Und weiter: "Ich möchte mich bei allen militanten Nationalisten dafür entschuldigen, dass ich nicht fähig war, mehr zu exekutieren." Die Vorsitzende Richterin Wenche Elisabeth Arntzen schnitt Breivik nach diesen Aussagen das Wort ab.
Bis zu dieser unglaublichen Provokation nach einer stundenlangen Urteilsbegründung hatte sich in Norwegen eine Erleichterung darüber breit gemacht, dass der Massenmörder wohl nie wieder auf freien Fuß kommt. Aber das Gericht erklärte den 33-Jährigen - entgegen des Antrags der Anklage - für zurechnungsfähig und schien damit auch eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung über Breiviks rechtsextremes Gedankengut anzumahnen - und wie jemand dazu kommt, so zu denken. Mit einem Lächeln nahm Breivik das Urteil zur Kenntnis. Von Reue keine Spur.
Mit dem Urteil ist die juristische Aufarbeitung des schlimmsten Massakers Norwegens in Friedenszeiten abgeschlossen. Doch auch Breivik bekam, was er wollte: Er wurde mit dem Urteil als politischer Terrorist und nicht als psychopathischer Massenmörder eingestuft. Über seinen Anwalt Geir Lippestad hatte Breivik bereits vor dem Urteil erklären lassen, er wolle keine Berufung einlegen, sollten die Richter ihn für schuldfähig erklären. Breivik bestätigte das in seinem Schlusswort dann persönlich. Auch die Staatsanwaltschaft teilte mit, sie werde nicht berufen, nachdem sie zuvor noch um mehr Bedenkzeit gebeten hatte.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussplädoyer gefordert, Breivik für unzurechnungsfähig zu erklären. Damit wäre er nicht ins Gefängnis, sondern in psychiatrische Behandlung geschickt worden. Der Massenmörder hatte im Prozess gesagt, dass dies für ihn die schlimmste Strafe wäre, da es seine politischen Motive infrage stellen würde. Zwei vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten von Experten hatten zum geistigen Zustand Breiviks widersprüchliche Ergebnisse geliefert.
Verurteilung wegen Terrorismus' und vorsätzlichen Mordes
Die Richter folgten der Empfehlung der Staatsanwaltschaft am Freitag nicht. In ihrer einstimmig gefällten Entscheidung erklärten sie Breivik für voll schuldfähig und verurteilten ihn wegen Terrorismus' und vorsätzlichen Mordes. Eine längere Haftstrafe als 21 Jahre ist im norwegischen Recht nicht möglich. Die Sicherungsverwahrung erlaubt es den Behörden aber, Breivik so lange hinter Gittern zu halten, wie er als Gefahr für die Gesellschaft eingeschätzt wird. Für die Haftzeit sind drei Räume in einem Hochsicherheitstrakt in dem am Rande von Oslo gelegenen Gefängnis Ila vorbereitet.
Richterin Arntzen begann nach der Urteilsverkündung am Vormittag mit der Verlesung einer ausführlichen, 90 Seiten langen Begründung. Dabei beschrieb sie zunächst den Werdegang Breiviks, psychische Probleme in seiner Kindheit, seine schwierigen Familienverhältnisse und seine extensive Beschäftigung mit gewaltverherrlichenden Computerspielen. Am Nachmittag ging sie darauf ein, warum Breivik dennoch als schuldfähig einzustufen sei.
"Von jetzt an werde ich nicht mehr an ihn denken"
Viele Überlebende und Angehörige von Opfern begrüßten das Urteil. "Jetzt werden wir eine Weile nichts mehr von ihm hören. Jetzt haben wir endlich unsere Ruhe", sagte Per Balch Sörensen, dessen Tochter auf Utöya von Breivik getötet wurde, dem dänischen Sender TV2. "Er ist verurteilt, und niemand kann etwas anderes behaupten", sagte Emma Martinovic, die das Massaker auf der Insel überlebte, der norwegischen Zeitung "Verdens Gang". "Von jetzt an werde ich nicht mehr an ihn denken."
"Ich bin überzeugt, dass er verrückt ist, aber er ist es in seinen politischen Ansichten, nicht auf psychischer Ebene", sagte Tore Sinding Bekkedal, der das Massaker auf Utöya ebenfalls überlebte. Breivik sei eine pathetische und traurige, kleine Person. Der Überlebende Per Anders Langerod sagte, er würde Breivik gerne im Gefängnis besuchen und "ihn 15 Minuten lang anschreien".
Die Taten am 22. Juli 2011 hat Breivik nie bestritten: Zunächst zündete er eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo, bei deren Explosion acht Menschen ums Leben kamen. Dann fuhr er auf die Insel Utöya und richtete unter den Teilnehmern eines Jugendlagers der regierenden Arbeiterpartei ein Massaker mit 69 Toten an. Als die Polizei auf der in einem See nordwestlich von Oslo gelegenen Insel eintraf, ließ er sich ohne Widerstand festnehmen. Bezüglich des Anschlags in Oslo sagte der Richter Arne Lyng, es sei "reines Glück, dass nicht noch viel mehr Menschen getötet wurden".
Keine Beweise für Existenz von Extremistennetzwerk
Im Prozess hatte Breivik wiederholt erklärt, er halte sich nicht im juristischen Sinne für schuldig. Seine blutigen Anschläge begründete er mit einer von ihm empfundenen Notwendigkeit, Norwegen vor Überfremdung zu schützen. Schuld daran sei vor allem die liberale Politik der Arbeiterpartei, sagte er. Nach eigenen Angaben ist er Mitglied einer muslimfeindlichen Gruppierung nach dem Vorbild der Tempelritter. Die Richter erklärten am Freitag, dass es zwar sehr wohl Menschen mit ähnlich extremen Positionen gebe, für die Existenz des von Breivik beschriebenen Netzwerks aber keine Beweise vorlägen.
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