Düsseldorf.. Die Beamten in NRW befürchten drastische Einschnitte bei ihrer Besoldung und Versorgung sowie eine erneute Verlängerung der Arbeitszeit. In einem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) warnte der Landesvorsitzende des Deutschen Beamtenbunds (dbb), Meinolf Guntermann, den Landeshaushalt, auf dem Rücken der Beamten zu sanieren.
Für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wird es ungemütlich. Erstmals seit ihrer Regierungsübernahme zogen gestern mehrere tausend Beschäftigte vor den Landtag, um für mehr Lohn und gegen drohende Kürzungen im öffentlichen Dienst zu demonstrieren. Gehörten Massenproteste – etwa gegen Studiengebühren oder das Stadtwerke-Sterben – unter der Regierung Rüttgers zum festen Ritual der Straße, bekommt nun auch Rot-Grün die Folgen des Spardrucks zu spüren.
„Ihr regiert – wir zahlen die Zeche“, haben Polizisten auf ein Plakat geschrieben. Die 250.000 Beamten im Landesdienst wehren sich gegen Einschnitte, etwa bei der Besoldung und den Pensionen. Nach Befürchtungen von Meinolf Guntermann, Landeschef des Beamtenbundes (DBB), plant die Koalition mehrjährige Nullrunden. Zudem, so argwöhnt er, soll in diesem Jahr die Tariferhöhung für Angestellte nicht eins zu eins auf die Beamten übertragen werden.
23 Milliarden Euro für Personal
Die Landesregierung spricht von „Spekulationen“. Bisher sei nichts entschieden. In einem Brief an Guntermann verweist Kraft allerdings auf den Druck, die Schuldenbremse einhalten zu müssen, und fügt vielsagend hinzu: „Dies soll auch dazu dienen, für künftige Generationen einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst zu erhalten.“ Drastischer formuliert es ein führender SPD-Politiker im Gespräch mit dieser Zeitung: „Wenn die geforderte Lohnerhöhung von 6,5 Prozent tatsächlich kommt, kann der Finanzminister den Laden dichtmachen.“
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Bis zur Sommerpause soll über Sparmaßnahmen entschieden werden. Doch der Beamtenbund-Chef will aus dem „Flurfunk“ in mehreren Ministerien „erschreckende“ Details vernommen haben. Danach plane das Kabinett die Streichung des Weihnachtsgeldes für Beamte, Kürzungen der Altersbezüge und eine Verlängerung ihrer Wochenarbeitszeit. Nichts davon bestätigt Kraft.
Spardruck wächst
Unbestritten ist, dass der Spardruck wächst: Jährlich gibt NRW 23 Milliarden Euro für Personal aus. Weil 40 Prozent des Etats davon aufgezehrt werden und eine Pensionslawine auf die Landeskasse zurollt, führt für die Regierung kein Weg an Einschnitten vorbei. Das entspricht auch der Analyse des Landesrechnungshofs. Von geplanten strukturellen Kürzungen um eine Milliarde Euro bis 2017 hat Rot-Grün erst 150 Millionen umgesetzt.
Andere Länder sind weiter: Baden-Württemberg will 10.000 Stellen im Landesdienst streichen. Sachsen-Anhalt will jede fünfte, das Saarland jede dritte Stelle in den Behörden abbauen. Der Beamtenbund warnt Kraft vorsorglich vor „Wortbruch“. Schließlich habe die Ministerpräsidentin noch Ende 2011 zugesagt, „dass die Landesregierung keine weiteren Einschnitte bei der Beamtenschaft plant“.
Keine Tabus
Doch das Klima hat sich geändert. SPD-Fraktionschef Norbert Römer hat wie sein Grünen-Kollege Reiner Priggen erklärt, beim Sparen dürfe es kein Tabu geben. Dabei rücken vor allem Beamtenpensionen ins Visier. Denn während Beamte nach 40 Berufsjahren 70 Prozent ihrer letzten Bezüge erhalten, sinkt das Versorgungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung in den nächsten Jahren unter 50 Prozent des Durchschnittsverdienstes aller Aktiven.
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Weniger gefragt sind solche Rechenexempel vor dem Landtag, wo Lehrer, Justizbeamte und Feuerwehrleute „weitere Sonderopfer“ ablehnen. Im Finanzministerium lädt der Demonstrationszug „säckeweise“ Protestkarten ab. Ob es hilft, ist offen.