Athen. Griechenlands Finanzminister spricht im TV Klartext über das Verhältnis zu Berlin. Und ein deutscher Jurist stützt Athens Forderung nach Reparationen.
Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis hat erneut gegen die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) im Schuldenstreit gewettert. "Aus meiner Sicht verfolgt die EZB eine Politik gegenüber unserer Regierung, die ihr die Luft zum Atmen nimmt", sagte Varoufakis dem griechischen Fernsehsender Mega am späten Mittwochabend. Die griechischen Banken sind auf die Unterstützung der Frankfurter Notenbank angewiesen - zuletzt hatte EZB-Präsident Mario Draghi aber betont, dass diese Hilfen nicht immer weiter ausgeweitet werden könnten.
Varoufakis äußerte sich auch zu seinem Verhältnis mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). "Wir sprechen immer sehr zivilisiert und konstruktiv", sagte der Athener Politiker. Zugleich betonte er: "Bei einem Treffen, das ich mit Herrn Schäuble hatte, sagte er mir, ich hätte das Vertrauen der deutschen Regierung verloren. Und ich sagte ihm: Ich hatte es nie, ich bin Mitglied einer Regierung der radikalen Linken." Er halte es für offensichtlich, dass er nicht das Vertrauen der Bundesregierung besitze. "Aber ich habe das Vertrauen des griechischen Volkes." Er bemühe sich aber auch, in Deutschland Vertrauen zu gewinnen.
Schäuble: Habe Varoufakis nicht beleidigt
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat Vorwürfe zurückgewiesen, er habe seinen griechischen Kollegen Gianis Varoufakis beleidigt. Dies sei Unsinn, sagte Schäuble am Donnerstag in Berlin am Rande der Zoll-Jahrespressekonferenz.
Die griechische Regierung hatte sich zuvor bei der deutschen Regierung über eine Äußerung Schäubles beschwert. Der Botschafter in Berlin habe am Dienstagabend dem Auswärtigen Amt einen förmlichen Protest Athens wegen einer Äußerung des Bundesfinanzministers vorgetragen, sagte ein Ministeriumssprecher. Auf welche konkrete Äußerung sich der Protest bezog, wollte er nicht sagen. Auch Athen ließ das zunächst offen. Später hieß es in Athen, es gehe allgemein auch um den Ton Schäubles.
Auslöser waren womöglich Berichte griechischer Medien, nach denen Schäuble die Kommunikation von Varoufakis am Rande des Treffens der Finanzminister am Dienstag in Brüssel vor Journalisten angeblich als «dümmlich naiv» bezeichnet haben soll. Dabei handelt es sich aber offensichtlich um eine falsche Übersetzung und ein Missverständnis.
Tatsächlich hatte Schäuble von einem langen, intensiven Gespräch mit Varoufakis am Vorabend berichtet und gesagt, in Sachen Kommunikation habe Varoufakis einen stärkeren Eindruck gemacht als in der Substanz: «Also, dass er (Varoufakis - d. Red.) nun plötzlich naiv in Sachen Kommunikation wäre, habe ich ihm gesagt, das ist mir ganz neu. Aber man lernt ja nie aus.»
Reparationen? Für Berlin stellt sich die Frage gar nicht
Gleichzeitig bekommt Griechenland Schützenhilfe im Streit um deutsche Reparationszahlungen - und zwar aus Deutschland. Der Bremer Völkerrechtler Andreas Fischer-Lescano kritisierte am Donnerstag die Haltung Deutschlands. "Die Argumentation der Bundesregierung ist juristisch sehr dürftig und anfechtbar", sagte der Professor der Universität Bremen dem ARD-Magazin "Kontraste".
Der erwähnte Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Wiedervereinigung 1990 binde Griechenland nicht, denn das Land sei nicht Partei dieses Vertrags. "Es ist völkerrechtlich nicht zulässig, einen Vertrag zu Lasten Dritter - in diesem Falle Griechenlands - abzuschließen", sagte Fischer-Lescano.
Die Bundesregierung argumentiert, zur Wiedergutmachung für NS-Unrecht habe Deutschland Ende der 1950er Jahre Globalentschädigungsabkommen mit zwölf westlichen Ländern vereinbart, mit Athen einen Vertrag 1960. Darin sei festgehalten, dass die Wiedergutmachung abschließend geregelt sei. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Wiedervereinigung 1990 sei von Reparationen keine Rede gewesen. Dieser sei auch von Athen als rechtlich bindend anerkannt worden im Rahmen der Charta von Paris (1990). Die Frage neuer Verhandlungen stelle sich nicht.
Das hoch verschuldete Griechenland droht offen mit der Beschlagnahme deutschen Staatseigentums, sollte es zu keiner Einigung mit Berlin über die Reparationsforderungen kommen. (dpa)