Berlin. Deutschland regelt den Zivilschutz neu. Wie rüsten sich andere für den Katastrophenfall? Sehr unterschiedlich, wie Stichproben zeigen.
Mit einem neuen Konzept für den Katastrophenfall will die Bundesregierung Deutschland gegen Bedrohungen durch Terror, Cyberangriffe und militärische Attacken wappnen. In der „Konzeption Zivile Verteidigung“ werden die Bürger auch aufgerufen, Lebensmittelvorräte anzulegen. Was manche für Panikmache halten, ist im Vergleich zu andren Ländern eher noch die harmlosere Variante, wie ein Blick über die Grenzen zeigt.
USA: Im Keller liegt der Fluchtrucksack bereit
Im September ist es wieder soweit: In Amerika beginnt der „National Preparedness“-Monat. Im ganzen Land stimmen staatliche und private Organisationen die Menschen darauf ein, sich auf Naturkatastrophen und „man-made disaster“, von Menschen gemachte Notlagen, vorzubereiten. Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 ist die in Amerika ohnehin verbreitete Neigung, sich für den Tag X zu präparieren – sei es ein Tornado, eine Flutwelle, ein Militärschlag oder der unfreundliche Besuch Außerirdischer – weiter gewachsen. Auf Dutzenden Internetseiten geben Behörden wie das Heimatschutzministerium oder die Katastrophenschutzbehörde Fema umfangreich Auskunft.
Viele Haushalte haben darum einen so genannten Fluchtrucksack („bug out bag“) im Keller gelagert – mit Vorräten und nützlichen Gebrauchsgegenständen für die ersten drei Tage nach einer Katastrophe: mit Wasser (mindestens zehn Liter), Lebensmitteln (Dosen-Suppen, Nudeln, Milchpuder, Reis und getrocknete Bohnen, Weizen- und Maismehl, Öl, Zucker, Erdnussbutter und Konserven mit Obst, Gemüse und Fleisch), Radio, Batterien, Taschenlampe, Dosenöffner und einem Werkzeug, um den Gashahn zuzudrehen und so Explosionen zu verhindern. Vielen Amerikanern reicht das nicht. Die Bewegung der „Survivalists“ hat Hunderttausende Anhänger. Etliche verfügen über selbstgebaute Bunker, die mit Vorräten auf Monate hin bestückt sind.
Russland: Der Wodka darf nicht fehlen
Russland amüsiert sich über die deutschen Diskussionen. „Zehn Tage ohne Bier“, spottet die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“ über die Vorratsratschläge der Bundesregierung. Dabei wird auch in Russland Katastrophen- und Zivilschutz groß geschrieben. Aber hier fühlt der Staat sich allein zuständig. Er erstellt nicht nur Pläne zur Rettung oder Evakuierung der Bevölkerung im Gefahrenfall, sondern unterhält auch Lager mit Schutzgerät wie Gasmasken, mit Medikamenten oder Verbandsmaterial sowie mit Lebensmitteln, vom Graubrot über Graupen, Fleisch- und Fischkonserven bis zu Trinkwassertanks.
Was aber die kriegs- und krisenerprobten Russen gerade der älteren Generation nicht hindert, zu Hause auf eigene Faust kiloweise Makkaroni, Speck, Knoblauch und Zwiebeln zu hamstern, auch Streichhölzer oder Kerzen – und oft einige Flaschen Wodka. Hochprozentiger Alkohol gilt in Russland vielen Menschen als Heilmittel gegen allerlei Vergiftungen bis hin zur radioaktiven Verstrahlung.
Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche, Starkregen, Wirbelstürme – kaum ein Land ist so sehr von Katastrophen geplagt wie Japan. Der Inselstaat zählt allein rund 100 aktive Vulkane, 20 Prozent aller weltweiten Erbeben mit einer Stärke von sechs und aufwärts treffen Japan. Dennoch bleibt die Opferzahl meist verhältnismäßig gering. Denn der Japaner sorgt kräftig vor. Schon in der Grundschule wird den Kindern eingetrichtert, was sie an Notvorräten bei sich zu Hause haben sollten. Der staatliche Katastrophenschutz empfiehlt Vorräte für mindestens drei Tage: Pro Person machen das neun Liter Trinkwasser. Fein portionierter sogenannter Alpha-Reis, eine speziell gezüchtete Sorte, die besonders nährreich sein soll. Zudem mehrere Stangen extra kalorienreiche Kekse. Empfohlen werden auch Schokolade, Zwieback und mehrere Packungen Instantnudeln.
Im Notfallschrank sollten auch mehrere Sätze Unterwäsche lagern, Rettungsjacke, Helme, Toilettenpapier, Feuchttücher, Streichhölzer, Kerzen, Batterien und ein Campingkocher. An elektrischen Geräten, die im Fall von Katastrophen auch ohne Strom auskommen, ist in Japan eine ganze Industrie entstanden. Es gibt Kurbelradios, Kurbelladegeräte für Handys und Lampen, die mit entsprechend körperlicher Ertüchtigung für einige Minuten zum Leuchten gebracht werden können.
Schweden: Schutzräume für drei Viertel der Bevölkerung
Im bündnisfreien Schweden wurden vor gut 15 Jahren zivile Notmaßnahmen aus der Zeit des Kalten Krieges abgeschafft. Allerdings wirkt die Zeit des Ost-West-Konflikts nach. Denn noch immer verfügt Schweden über nutzbare Zivilschutzräume im ganzen Land, die im Ernstfall rund sieben Millionen Menschen Platz bieten. Das ist eine Menge bei knapp zehn Millionen Einwohnern insgesamt. „Generell sagen wir, dass jeder Haushalt sich für mindestens drei Tage Krise ausrüsten sollte. Wenn alle gesunden Erwachsenen sich daran halten, können wir im Ernstfall die staatlichen Einsätze auf die Bedürftigsten konzentrieren“, sagt Svante Werger vom schwedischen Amt für Zivilschutz und -bereitschaft (MSB).
Auf der Internetseite „Deine Sicherheit“ stellt die MBA Checklisten zur Verfügung. Darin wird geraten, einen Vorrat aus haltbaren Lebensmitteln und Wasser für drei Tage anzulegen: Trockenmilch, Tee und Kaffee, Fleisch- und Fischkonserven, Pulverkartoffelbrei, Nudeln und Reis, Zwieback, Butter, Käse aus der Tube, Zucker, Früchtekonserven, Pulversuppen, Gemüsekonserven, getrocknete Früchte werden dort in exakten Mengen pro Person angegeben.
Es gibt dort auch genaue Empfehlungen zu warmer Krisenkleidung. Zudem sollte jeder Haushalt laut der Checkliste über Kerzen, Taschen- und Petroleumlampen samt Batterien und Petroleum verfügen. Kanister um Wasser zu holen, eine grundlegende Hausapotheke. Empfohlen wird da auch ein Radio mit Kurbel- oder Solarantrieb sowie ein Kurbelladegerät für Handys. Hinzu kommen extra Heizkörper, die etwa mit Petroleum betrieben werden, Schlafsäcke und warme Decken, Hygieneartikel, die ohne Wasser anwendbar sind, Campingkocher mit Treibstoff, Bargeld, eine Telefonnummernliste auf Papier mit wichtigen Nummern.
Belgien: Gelassenheit trotz der Terrorgefahr
In Belgien informiert das Innenministerium in Zusammenarbeit mit regionalen und lokalen Behörden die Bürger über Risiken und empfiehlt zweckmäßige Vorkehrungen. Die Internet-Seite des Föderalen Dienstes Innere Angelegenheiten zählt sechs Haupt-Gefährdungen auf: „Seveso“ (also Chemie-Industrie), Erdbeben, Stromknappheit, Smog, Cyber-Angriff und – nach den Brüsseler Anschlägen vom März hinzugekommen – Terrorismus. Das „Grundnotpaket“ soll enthalten: Radio (batteriebetrieben), Feuerzeug, Kurbel-Taschenlampe, Taschenmesser, Verbandskasten. Außerdem sollen Familien für den Fall des Falles einen Wer-tut-was-Plan entwickeln („Nummern von Kontaktpersonen im Handy speichern“).
Außer der Bevorratung von Trinkwasser gibt es keine speziellen Proviant-Empfehlungen. Sonderlich aufregend finden die Bürger das Thema ohnehin nicht. „Hysterische Reaktionen haben wir nicht“, sagt ein Sprecher des Dienstes. Eher das umgekehrte Problem: „Wir müssen kontinuierlich das Bewusstsein der Leute für die Risiken schärfen.“ (diha/scho/fl/anw/krp)