Hamburg..

Am Ostermontag überfallen zehn Somalis die Taipan. Das Schiff liegt 500 Meilen vor der Küste. Die Besatzung kann sich retten. Wenige Stunden später erlöst die Marine sie. Jetzt stehen die Piraten vor Gericht.

Arme Teufel, wie sie da in den Saal 337 des Landgerichts schleichen, verschlagen aus den warmen Gewässern Ostafrikas ins November-Schmuddelwetter von Hamburg. Einer humpelt, ein zweiter hat ein Nierenproblem. Der Angeklagte Ahmed Wasami sagt, er sei 13. Ein Kind also, findet sein Verteidiger. Ein Kind sei nicht strafmündig.

Ihre 15 zeitweiligen Opfer werden dagegen halten wollen. Die zehn Somalis, die sich seit gestern wegen des Angriffs auf den Seeverkehr und erpresserischen Menschenraubes vor der dritten großen Strafkammer im ersten großen Piratenprozess seit 400 Jahren verantworten müssen, haben laut Anklage brutal mit Sturmgewehren und russischen Panzerfäusten die deutsche „MV Taipan“ beschossen und gekapert, bis niederländische Soldaten die Besatzung befreiten.

Den Delinquenten drohen 15 Jahre Haft

Früher hätte dieses Delikt den Angeklagten den Kopf gekostet. Seeräuber wurden in Hamburg unweit vom Landgericht hingerichtet, da, wo jetzt die Elbphilharmonie entsteht. 1400 war es Klaus Störtebeker, eineinhalb Jahrhunderte später der letzte Freibeuter. Jetzt wartet Haft auf die Delinquenten, bis zu 15 Jahren.

Sie zu überführen, glauben die Staatsanwälte, wird in den zunächst anberaumten 13 Prozesstagen leicht sein – trotz der 20 Pflichtverteidiger, die den Steuerzahler pro Tag 5200 Euro kosten. Es gibt Fotos und Filme, beschlagnahmte Waffen, Fingerabdrücke, das Ertappen auf frischer Tat. Die Beweislage scheint eindeutig für das, was in diesem Frühjahr 6000 Kilometer vom Elbufer entfernt passierte.

„Hier sind keine Piraten mehr“

Der Ostermontag 2010, 530 Seemeilen vor Somalia. Die Kaperer kommen in der Morgendämmerung. Sie haben die „Taipan“ von Kapitän Dierk Eggers gestürmt, aber nicht so schnell, dass sich die Besatzung nicht hat zurückziehen können. Der Rückzugsraum liegt tief unten im Schiffsbauch, ist gepanzert.

Die Opfer der Attacke, die kurz zuvor noch die Treibstoffzufuhr lahmlegen und den Notruf absetzen konnten, sagen keinen Mucks. Vier lange Stunden halten sie so aus. Dann sind plötzlich Soldaten an Bord. „Hier ist die Königlich Niederländische Marine. Hier sind keine Piraten mehr.“ Sie haben sich nach der Attacke schnell ergeben, sind längst gefesselt und werden später nach Holland gebracht.

Jetzt das Nachspiel auf deutschem Boden vor einer Kammer, die sonst für schwere Verkehrsdelikte zuständig ist.

Niemand wollte der Bande den
Prozess machen

Niemand sonst in der Welt wollte der Zehnerbande den Prozess machen. Selbst die Bundesregierung hat sich lange gesträubt. Die globale Gemeinschaft hat noch keine Regeln gefunden, wie mit dieser Art von Kriminalität umzugehen ist.

Das weiß Bernd Steinmetz. „Ordentlich“ will er, der Vorsitzende Richter, den Prozess hinter sich bringen. Er will die völkerrechtliche Frage prüfen: Dürfen wir in Deutschland urteilen? Aber auch die nach den Ursachen der Piraterie in einem Land, das der UNO als „failed state“, unregierbar und ohne Rechtsordnung gilt und als völlig verarmt.

Die Verteidigung setzt auf Mitleid

In einem dramatischen Appell hat die Verteidigung sogleich klar gemacht, dass „das somalische Volk leidet, dass Hunderttausende hungern“. Raubfischer hätten den Golf von Aden geplündert. Gangster nutzten die Küste vor Somalia, um den hochgiftigen Müll der Industrieländer zu entsorgen. Bekannt ist: Das Pro-Kopf-Einkommen liegt unter 300 Dollar im Jahr, eine Entführung mit Lösegelderpressung bringt für jedes Bandenmitglied 10 000 Dollar. Gewinn und Risiko sind ziemlich ungleich verteilt.

Und doch gibt es noch eine andere Wahrheit. Es ist die von Krzysztof Kotiuk, der die „Hansa Stavanger“ steuerte. Vor einem Jahr von Seeräubern geentert, erlitt seine Besatzung vier Monate Geiselhaft. Es gab Erniedrigungen, Scheinhinrichtungen. Sein Reeder kaufte sie frei. Kotiuk wünscht den zehn Somalis die härteste Bestrafung, die das deutsche Recht hergibt. Zur Abschreckung.