Duisburg. Staatsanwälte wollen kriminelle Clans zunehmend an einer empfindlichen Stelle treffen: ihrem Vermögen. Duisburg zeigt, wie das geht.

Duisburg gilt neben Essen als Hochburg der Clan-Kriminalität. Das Land hat deshalb die Staatsanwaltschaft vor Ort verstärkt. Oberstaatsanwalt Stefan Müller, Leiter der Abteilung für Clan- und Bandenkriminalität, berichtet im Gespräch mit unserer Redaktion über das Clan-Wesen, rechtliche Probleme bei der Vermögensabschöpfung und den fordernden Alltag seiner Kollegen.

Sie ermitteln in einem Milieu, das vor Gewalt auch gegen Staatsvertreter nicht zurückschreckt. Wie gehen Sie persönlich damit um?

Stefan Müller: Ich spüre die Gefahr nicht. Klar macht man sich Gedanken. Aber wir leben in einem Rechtssystem, in dem im Prinzip jeder ersetzbar ist. Und natürlich gibt es Maßnahmen zur Gefahrenminimierung. Aber die sage ich Ihnen natürlich nicht.

Im Kampf gegen kriminelle Clans verfolgt ihre Abteilung unter anderem den Weg, Clans an einer empfindlichen Stelle zu treffen, ihrem Vermögen. Wie gehen Sie dabei vor?

Müller: Vermögensabschöpfung ist ein Weg, über den wir uns aus taktischen Gründen nicht gerne äußern. Aber so viel kann man sagen: Vermögen hat den großen Vorteil, dass man seine Spuren nicht so leicht verwischen kann. Kontobewegungen sind noch nach vielen Jahren nachvollziehbar. Und für die meisten Geldgeschäfte braucht man halt ein Konto.

Was sagt dazu das Bankgeheimnis?

Müller: Gegenüber Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft können sich Banken in einem Ermittlungsverfahren nicht auf das Bankgeheimnis berufen. Allerdings muss man den Banken exakt auflisten, welche Angaben für welchen Zeitraum wir Einsicht wollen. Wir versuchen dem Geldfluss zu folgen. Das ist ein langer mühsamer Weg, der am Ende aber oft zum Ziel führt. Es geht darum, Spuren zu finden wie bei einer Hausdurchsuchung - nur viel komplizierter. Wie wurde das Konto überhaupt gefüllt? Woher und von wem stammen regelmäßige Einzahlungen? Wohin fließt das Geld bei Überweisungen? Wohin fließen bei Häusern die Mieteinnahmen?

Es geht also auch um Immobilien?

Müller: Einen Immobilienkauf kann man in der Regel ohne Bankkonto nicht abwickeln. Und Immobilien zu kaufen, ist eine bewährte Methode illegal erworbenes Geld zu waschen. Eine unserer Aufgaben ist es nachzuweisen, einer bestimmten Person überhaupt eine bestimmte Immobilien zuzuordnen, auch wenn der Besagte im Grundbuch steht. Das zu recherchieren, bindet irrsinnig viel Arbeitszeit. Für alles brauchen wir natürlich zunächst den Anfangsverdacht einer Straftat, erst dann kann ich mich auf den Weg machen, die Geldströme aufzudecken. Es ist eine dünne gesetzliche Linie: Eigentum ist ja ein grundgesetzlich geschütztes Gut. Das kann man nicht so einfach aushebeln.

Wie funktioniert die Vermögensabschöpfung konkret?

Müller: An Immobilienvermögen kommen wird über den Weg der Zwangshypothek. Dazu brauchen wir einen bezifferbaren Schaden, etwa illegal erworbenes Geld aus dem Drogenhandel. Das muss man natürlich nachweisen und dann den Bezug des Verdächtigen zur Immobilie herstellen. Die Zwangshypothek führt in der Regel zur sofortigen Zwangsversteigerung. Der Verkaufserlös fällt dann an den Staat.

Wissen Sie, wo im Ruhrgebiet Häuser zur Geldwäsche erworben werden?

Müller: Sagen wir es so: Kriminelle Clans investieren ihr Geld eher in billige Mehrfamilienhäuser in Duisburg-Marxloh als in eine Villa in Essen-Bredeney. Dort kann man mit Mieten noch Rendite machen, hier fällt man viel zu sehr auf. Für Clan-Mitglieder ist es viel leichter, im Milieu und damit unbeobachteter zu bleiben.

Welche Formen der Geldwäsche gibt es außerdem?

Müller: Wenn ich illegal erworbenes Geld waschen will, sind Autos ein gängiges Mittel. Barzahlung ist im Autohandel nach wie vor weit verbreitet, auch wenn es sich um teure Fahrzeuge handelt. Besonders auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist es dann schwierig nachzuweisen, woher und von wem das Geld kommt. Beim Thema Sozialleistungsbetrug kommt hinzu, dass viele Autos zwar hochwertig aussehen, aber aufgrund ihres Alters es gar nicht mehr sind. Dann fällt auch ein dicker Mercedes-Geländewagen mit einem Restwert von 8000 Euro plötzlich unter das Schonvermögen.

Woher stammt das Geld?

Müller: Das Geld kommt aus dem Drogenhandel, aus Schutzgelderpressung, dem Bereich Glücksspiel. Shisha-Bars sind ein beliebter Ort für Geldwäsche. Mehr will ich aus ermittlungstaktischen Gründen dazu nicht sagen.

Wie groß ist die Gefahr, die von kriminellen Großfamilien ausgeht?

Müller: Clan-Kriminalität ist ein reales Problem. Entstanden ist es auch deshalb, weil zu lange nicht hingeschaut wurde. Oft sind die Menschen sich selbst überlassen worden. Viele Mitglieder der Familien-Clans aus dem Ruhrgebiet leben schon seit Jahren hier, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, einer legalen Arbeit nachzugehen. Das soll die Entstehung von kriminellen Strukturen nicht entschuldigen, gehört aber zum Erklärungsansatz. Hinzu kommt, dass Familienzugehörigkeit und -zusammenhalt besonders unter arabischen Clans einen Stellenwert genießen, der weit über das hinausgeht, was wir darunter verstehen.

Wie sieht die Clan-Welt aus?

Müller: Clan ist nicht gleich Clan. Es gibt Clans, die gut strukturiert sind und längst auch legale Geschäfte betreiben. Aber es gibt auch Familien, die meist nur lokal agieren und dort ganz plump kriminell auftreten. Aus dem Blickwinkel des braven Bürgers mögen diese kleineren Gruppierungen bedrohlicher wirken als die gut organisierten Großen. Das Clanwesen ist übrigens durchaus nicht ethnisch gebunden. Es gibt nicht nur kriminelle arabische Großfamilien, sondern auch Clans aus Osteuropäern und aus Deutschen.

Wie kann man Clan-Kriminalität nachhaltig bekämpfen?

Müller: Wenn ich genügend Ermittlungskräfte habe, erziele ich auch Erfolge. Das hat man bei den Wohnungseinbrüchen, deren Zahl in den vergangenen Jahren auch wegen des erhöhten Ermittlungsdrucks der Polizei rapide zurückgegangen ist, deutlich erkennen können. Anders als bei den Einbrüchen ist es aber viel schwerer, Erfolge gegen die Clan-Kriminalität zu messen. Dafür ist dieses Feld viel zu komplex. Wir können zum Beispiel nicht sagen, wie viel Geld ein bestimmter Clan hat. Häufig tauchen im Zusammenhang mit unseren Ermittlungen plötzlich hohe Bargeldbeträge auf, gern auch in sechsstelliger Höhe. Woher das Geld kommt, ob es unterm Kopfkissen versteckt wurde, das wissen wir nicht.

Was fordern Sie konkret?

Müller: Wir brauchen mehr Kriminalbeamte. Und einen langen Atem. Es wird Jahre in Anspruch nehmen, die Erkenntnisse auszuwerten, die wir in unserer Abteilung allein bis heute schon gewonnen haben. Hier brauchen wir langfristig angelegte Kapazitäten. Außerdem muss der Informationsfluss zwischen den verschiedenen Strafverfolgungsbehörden in unserem Land - Bundespolizei, Landespolizei, LKA etc. - verbessert werden. Es geht zu viel verloren.

Was steht am Ende der Ermittlungen? Die Zerschlagung krimineller Clans?

Müller: Wenn ich Clan streiche, bleibt Familie stehen. Es ist aber nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Familien zu zerschlagen. Auch das muss man berücksichtigen. Am Ende sollte es so sein, dass die nicht-kriminellen Mitglieder eines Familienclans erkennen, dass es besser ist, sich an Recht und Gesetz zu halten. Und natürlich geht es uns darum, hochkriminelle Tatverdächtige hinter Gitter zu bringen.