Berlin.. Ursula von der Leyen ist seit Jahren Kämpferin und Kümmerin zugleich, geht keinem Streit aus dem Weg. Nicht mal, wenn die Kanzlerin anderer Meinung ist als sie. Als künftige Verteidigungsministerin muss sie nun vor allem eine frustrierte Truppe umsorgen.

Es kommt nicht darauf an, ob sie auf Anhieb den militärischen Rang ihrer Gesprächspartner ­erkennt oder die Zoologie der Truppe beherrscht, wo Panzer „Marder“, „Leopard“ oder „Wiesel“ heißen. „Mittlerweile“, erzählt André Wüstner, seien sie so weit: „Es ist völlig egal, wer ein Ressort leitet.“ Es sei bloß wichtig, dass richtige Impulse gesetzt würden. Die erwartet der Chef des Bundeswehrverbandes von Ursula von der Leyen (CDU), der neuen Vertei­digungsministerin. Auch einen Tag nach ihrer Nominierung hält in Berlin das Staunen darüber an.

Porträts von ihr zieren seit ­Jahren Überschriften wie „Die ­Angreiferin“, „Mit Härte“ oder „Unbeirrt rabiat“. Die 55 Jahre alte CDU-Frau ist als Mensch ein ­Musterbeispiel an Selbstdisziplin, eine Frau von robuster Höflichkeit.

Die nächste Kanzler-Kandidatin?

Sie ist als Politikerin eine Einzelkämpferin geblieben; beliebt ist sie in der Unions-Fraktion nicht. Und als Ministerin ging sie keinem Streit aus dem Weg, auch oder ­gerade nicht mit der Kanzlerin, wenn man an die Frauenquote oder die Rentenpolitik denkt.

Merkels ärgste Biografin, die Publizistin Gertrud Höhler, behauptet, an von der Leyen würden die Waffen der Kanzlerin stumpf. Die Frage ist, ob Merkel so souverän ist und eine Nachfolgerin aufbaut – oder ob ein Scheitern einkalkuliert ist. Das Amt gilt seit jeher als Schleudersitz. In den letzten acht Jahren wechselte der Minister dreimal: Von Peter Struck zu Franz ­Josef Jung, dann zu Karl-Theodor zu Guttenberg und zuletzt zu de Maizière. Allenfalls auf der Trainerbank von Schalke 04 sind die Jobaussichten noch unsicherer.

„Ich habe einen Mordsrespekt“

Nun also: eine Frau. Eine Premiere in dem Amt. Eine Kämpferin ist sie. Über viel Verwaltungserfahrung verfügt sie. Und ein Medienprofi ist sie auch. Nur mit Fachkompetenz kann die Frau aus Niedersachsen nicht dienen. Man glaubt es ihr ­sofort, wenn sie beteuert: „Ich habe einen Mordsrespekt davor, was da jetzt auf mich zukommt.“

Das größte Minenfeld ist die ­Rüstungsbeschaffung. Bei Projekten laufen die Kosten notorisch aus dem Ruder. Schon Anfang 2014 wird die Ministerin über das Drohnen-Aufklärungssystem ISIS entscheiden müssen, dazu über den Kauf von Hubschraubern.

Merkels Minister im Steckbrief

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Merkel und ihre Minister
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Die Mission in Afghanistan läuft Ende 2014 ab – die Folgemission ist noch nicht klar. Die Ministerin muss ferner über den Pirateneinsatz vor Somalia befinden und sie wird sich mit Anfragen der Franzosen befassen müssen, die sich mehr Hilfe bei Einsätzen in Afrika erhoffen. Und das sind nur einige ­Beispiele für die vielen Aufgaben.

Gute Erfahrungen mit dem Küchenkabinett

Bisher ist sie es gewohnt, ein Haus mit einem Küchenkabinett mit ganz wenigen Vertrauten wie Gerd Hoofe zu führen. Die Frage ist nur: Taugt das „System von der Leyen“ auch im großen Maßstab? Allein die Bundeswehr hat eine Truppenstärke von 185 000 Soldaten. Dazu kommen Zehn­tausende Zivilbeschäftigte.

Sie alle leiden an Reformstress und Frust. Standorte werden ­ge­schlossen. Viele Soldaten wissen noch nicht, wo sie demnächst dienen werden. Es wurde zu viel über Prozesse und Strukturen geredet und darob der Mensch aus den Augen verloren. Das war de Maizières Fehler. Von der Leyen ist die Dritte, die sich an der Neuausrichtung versucht. Guttenberg entwarf die Reform, die de Maizière umsetzte und von der Leyen nachbessern soll.

Rückhalt für die Soldaten

Es ist eine Chance für sie. Sie kann nämlich eine Kümmerin sein. Und: gut kommunizieren. Mehr Öffentlichkeit, das müsse ja nicht nachteilig sein, hat Verbandschef Wüstner erkannt. Am Sonntag ­er­zählte sie im Fernsehen, wie „elementar wichtig“ es sei, dass die Soldaten „Rückhalt hier im Land haben“, dass man ihnen zur Seite ­stehen müsse, wenn sie versehrt von den Einsätzen zurückkehrten.

Sie kann ihre soziale Kompetenz ausspielen, wenn es um die Versorgung der Soldaten, die Anerkennung der Veteranen, die Chancen von Frauen oder um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade in einer Pendlerarmee geht. „VdL“ wird sich in Szene setzen bei Truppenbesuchen. Vielleicht schafft sie es noch, vor Weihnachten die ­Sol­daten im Ausland zu besuchen.

Es steht also unvermeidlich eine Charme-Offensive an. Nicht nur die Medien sind dafür empfänglich – die Herren Generäle auch.