Mainz..
Bundesinnenminister de Maizière sieht einen Missbrauch des Demonstrationsrechts bei „Stuttgart 21“. Eltern hätten ihre Kinder krank geschrieben, damit sie demonstrieren gehen können. Grünen-Chef Özdemir ist verärgert über de Maizières Kritik.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht bei den Protesten gegen das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit missbraucht. „Wenn tausende 13-jährige Schüler von ihren begüterten Eltern Krankschreibungen kriegen, um zu demonstrieren, dann ist das ein Missbrauch des Demonstrationsrechts“, sagte de Maizière im ZDF-Morgenmagazin.
Der Minister bezog sich dabei auf eine von der Polizei Ende September gewaltsam beendete Demonstration, an der hunderte Schüler teilgenommen und teils durch Pfefferspray und Wasserwerfer verletzt worden waren. Gegen einen Beamten wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, weil er zu brutal gegen Demonstranten vorgegangen sein könnte. De Maizière forderte, dass die Organisatoren von Demonstrationen „sicherstellen“ müssen, „dass keine Gewalttäter teilnehmen“. Friedliche Demonstranten müssten sich zudem von Gewaltgruppen lösen, damit die Polizei eingreifen könne.
Gegen „Stuttgart 21“ gehen seit Wochen immer wieder tausende Demonstranten auf die Straße. Das Projekt sieht vor, den bisherigen Stuttgarter Kopfbahnhof als Durchgangsbahnhof in den Untergrund zu verlegen. Die Kritiker warnen vor hohen Kosten, negativen ökologischen Folgen und Sicherheitsgefahren. Am vergangenen Freitag hatten Vermittlungsgespräche zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts unter Leitung des Schlichters Heiner Geißler begonnen. Sie sollen am kommenden Freitag fortgesetzt werden.
„Trauriger Offenbarungseid“
Die Grünen haben verärgert auf die Demonstranten-Schelte von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) reagiert. Es sei ein „trauriger Offenbarungseid, wenn ausgerechnet der Verfassungsminister der Republik Menschen beschimpft“, die in Stuttgart in friedlicher Form ihr Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit wahrnähmen, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir am Dienstag in Berlin. Gerade Schüler und Jugendliche sollten darin unterstützt werden, ihre Rechte als demokratische Bürger zu kennen und auch aktiv auszuüben.
Özdemir bezeichnete es als bemerkenswert, dass es der Innenminister offenbar in Ordnung finde, wenn auf Schüler „mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Prügelstöcken losgegangen wird“. De Maizière wolle offenkundig auch keinen Erfolg des schwierigen Schlichtungsprozesses in Stuttgart, wenn er ihn in dieser Art und Weise torpediere und ihm damit schwer schade.
Geißler führt Vorgespräche für Schlichtungsverhandlung
Vor dem für Freitag geplanten Schlichtungsgespräch trifft sich Vermittler Heiner Geißler am Dienstag mit Gegnern und Befürwortern des umstrittenen Bahnprojekts „Stuttgart 21“. Bei den Vorgesprächen im Landtag geht es um die Termin- und Themenplanung sowie die Modalitäten der Übertragung, wie ein Sprecher Geißlers sagte. Das Treffen werde auf der „Arbeitsebene“ stattfinden.
Am Nachmittag wolle der ehemalige CDU-Generalsekretär in den Fraktionen die Ergebnisse präsentieren und danach die Öffentlichkeit informieren.
Die Schlichtungsgespräche zu „Stuttgart 21“ sollen am kommenden Freitag offiziell beginnen. Bei „Stuttgart 21“ wird der Hauptbahnhof vom oberirdischen Kopfbahnhof zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof umgestaltet. Das Projekt soll nach derzeitigen Kalkulationen 4,1 Milliarden Euro kosten und 2019 fertiggestellt werden. (dapd/afp)