Berlin..

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird Grünen-Fraktionschefin Renate Künast den Amtsinhaber bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2011 herausfordern. Am 5. November will die 54-Jährige ihre Kandidatur bekanntgeben.

Die Landesgeschäftsstelle bestätigte die Veranstaltung für jenen Abend. Als hätte er noch letzte Zweifel, forderte Wowereit von Künast am Donnerstag eine klare Ansage von der Kontrahentin in spe. Zugleich verlangte er von ihr eine Kandidatur „ohne Rückfahrkarte in die Bundespolitik“. Danach sieht es aber nicht aus.

Überraschend kommt die Künast-Kandidatur nicht. Seit Wochen raunen Grünen-Abgeordnete, dass die gebürtige Recklinghäuserin antreten will und nicht mehr kneifen kann. In der Tat stehen die Chancen gut, Wowereit abzulösen. Derzeit kommen die Grünen in Berlin auf 28 Prozent und die SPD auf 24 Prozent. Bei einer Direktwahl würden sich 43 Prozent der Berliner für Künast und 37 für Wowereit entscheiden.

Künasts politische Qualitäten sind unbestritten, sie scheint sowohl für den alternativen als auch eher konservativen Hauptstädter wählbar. Für Rückenwind sorgt das Grünen-Hoch auf Bundesebene. Zudem gelten die Grünen als bürgernäher. Wowereit muss sich mit dem Vorwurf herumplagen, er sitze Probleme aus, sei amtsmüde und bürgerfern. Auf Hilfe durch die schwächelnde Bundes-SPD kann der 57-Jährige nicht zählen. Auch die Debatte um Thilo Sarrazin hat der SPD geschadet.

Weitgehend offen ist die Frage, wie die Grünen inhaltlich punkten wollen. Berlin ist hoch verschuldet, Raum für Wahlgeschenke nicht da. Die Haushaltskonsolidierung ist Pflicht, aber kein Siegthema. Entsprechend nebulös klingen die Andeutungen aus der Landespartei. So wollen die Grünen den sozialen Zusammenhalt in der Stadt fördern und auf ihre grünen Wirtschaftskonzepte setzen. Konkreter klingen die Vorschläge von Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele. Die Grünen müssten gegen die „exorbitanten“ Mietsteigerungen vorgehen. „Manche Kieze sind für den Normalbürger nicht mehr erschwinglich“, sagt Ströbele. Außerdem müssten sich die Grünen versuchen, „die produzierende Kreativwirtschaft zu fördern und vor Ort anzusiedeln“.

Themen statt Konzepte

Worauf Künast setzt, ist aus Sicht von Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner „relativ egal“. Die Bedeutung von politischen Themen habe stark nachgelassen, sagt Schöppner dieser Zeitung. „Themen wie Vertrauen oder Nachhaltigkeit haben Konzepte ersetzt.“ Soll heißen: Immer mehr Wähler entscheiden aus dem Bauch heraus, wem sie vertrauen und ihr Kreuz geben. Bei den Grünen hätten die Bürger das Gefühl, ernst genommen zu werden, sagt der Emnid-Chef. „Die Grünen sind zum Bürgerwahlverein für die breite Mitte geworden.“

Die Wahl bedeutet für einen der Spitzenkandidaten eine Zäsur. Verliert Künast deutlich, wäre ihr Image stark angekratzt. Verliert Wowereit, steht seine politische Karriere vor dem Aus. Der SPD indes graut vor einem umgekehrten Kräfteverhältnis. Kleiner Partner von der Ökopartei in Berlin -- dies würde den Weg für weitere grün-rote Bündnisse ebnen. Falls es dazu nicht schon im Frühjahr in Baden-Württemberg kommt.