Paris.
Die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ sorgte immer wieder für Skandale in Frankreich. Ziel ihrer teils derben Karikaturen waren auch radikale Ausprägungen der Religion. Und vieles deutet an diesem Tag in Paris darauf hin, dass es wohl eben jene Zeichnungen waren, die die Zeitschrift und ihre Mitarbeiter gestern zum Ziel skrupelloser Terroristen machten.
Es ist nicht das erste Mal, dass in der Presse veröffentlichte Karikaturen, die sich auf den Islam beziehen, Auslöser von Gewalt und Terror sind. Internationale Verwicklungen und terroristische Anschläge löste der Fall der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ aus, die im September 2005 rund ein Dutzend Karikaturen mit dem Propheten Mohammed veröffentlichte.
Kein generelles Bilderverbot
Darin war der Religionsstifter unter anderem als finsterer Terrorist mit Bombe im Turban, aber auch als freundlicher älterer Herr zu sehen. Auf einer anderen Zeichnung verwehrt er Männern den Zutritt zum Himmel mit den Worten: „Stopp! Uns sind die Jungfrauen ausgegangen.“ Zeichnungen, die auch unter gemäßigten Muslimen Wut und Zorn auslösten. Sie sahen nicht nur Mohammed verunglimpft, sondern den Islam insgesamt. Zudem sehen viele Muslime in Mohammed ein Vorbild und einen Gesandten Gottes, von dem kein Bild gezeichnet werden und der nicht lächerlich gemacht werden darf.
Eine Sicht, die nicht unumstritten ist. „Ein unwiderrufliches Bilderverbot gibt es im Islam ebenso wenig wie in anderen Religionen“, so der Arabist Michael Lüders. Allerdings: Im Koran heiße es ebenso wie in der Bibel, der Gläubige solle sich kein Bild von Gott machen. Schon in früher islamischer Zeit habe sich ein Konsens gebildet, den Propheten Mohammed nicht bildlich darzustellen. Diese Übereinkunft habe sich zu einer generellen Ablehnung bildlicher Darstellung in der arabischen Welt entwickelt.
Dennoch gab es Zeiten in der Geschichte des Islam, in denen bestimmte bildliche Darstellungen regelrecht florierten. In der älteren islamischen Kunst des Osmanischen Reiches etwa wurde Mohammed oft gezeichnet, allerdings mit verdecktem Gesicht.
Nicht so bei „Jyllands-Posten“. Deren Karikaturen lösten 2005 eine Protestwelle in der islamischen Welt aus. Dabei starben Dutzende Menschen, dänische Botschaften und andere Einrichtungen des Landes wurden angegriffen und beschädigt. Saudi-Arabien, Libyen, Iran und Kuwait riefen ihre Botschafter aus Dänemark zurück. In Indonesien, Bangladesch, Irak, Iran, Syrien, Ägypten, der Türkei, den Palästinensergebieten und Pakistan gab es Groß-Demonstrationen.
2008 erklärt die dänische Polizei, ein Mordkomplott gegen den Karikaturisten der „Posten“, Kurt Westergaard, verhindert zu haben. Al-Kaida-Führer Osama Bin Laden drohte Europa wegen der Karikaturen mit einer „Abrechnung“. Wenig später kamen bei einem Bombenanschlag vor der dänischen Botschaft im pakistanischen Islamabad acht Menschen ums Leben.
Eskalation in Dänemark
Dann, Anfang 2010, eine neue Eskalation. Ein somalischer Islamist drang, bewaffnet mit Messer und Axt, in Westergaards Haus ein. Er wurde von der Polizei überwältigt und wegen versuchten Mordes angeklagt. Weitere geplante Anschläge auf die „Posten“ wurden verhindert. Im Sommer 2012, sieben Jahre nach Veröffentlichung der Karikaturen, verurteilte ein dänisches Gericht vier Männer zu langen Haftstrafen. Sie hatten einen Terroranschlag auf die Zeitung geplant. Die Tat war als Vergeltung für die Mohammed-Karikaturen gedacht.
Umstrittene Mohammed-Karikaturen brachte auch die Redaktion von „Charlie Hebdo“, erstmals 2006. Fünf Jahre danach brachte das Blatt zum Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien eine Sonderausgabe mit einem „Chefredakteur Mohammed“ heraus. 2012 sorgte die Zeitung erneut mit Zeichnungen des islamischen Propheten für Aufsehen. Danach mussten französische Einrichtungen in einigen Ländern aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Anfang 2013 veröffentlichte „Charlie Hebdo“ eine Comic-Biografie Mohammeds. Die Internet-Seite der Zeitschrift war darauf tagelang von Hackern gestört.
In Kopenhagen, bei den Journalisten von „Jyllands-Posten“, löste die gestrige Nachricht aus Paris Bestürzung aus – und hektische Betriebsamkeit. „Die Beobachtungen und das Sicherheitsniveau an unseren Standorten in Kopenhagen und Viby sind erhöht worden“, hieß es in einer Mitteilung des Verlages an die Mitarbeiter.