Essen. In der Debatte über deutsche Chemikalien-Lieferungen nach Syrien gibt es neue Vorwürfe in Richtung Bundesregierung: ein US-Institut erhebt den Vorwurf, deutsche Konzerne hätten Teile für Giftgas-Fabriken nach Syrien geliefert. Es nennt auch einen Essener Betrieb.
Bundesregierungen haben in der Vergangenheit nicht nur die Lieferungen von Chemikalien an Syrien erlaubt, die wohl zur Herstellung des Giftgases Sarin geeignet waren. Sie gaben möglicherweise auch grünes Licht für den Export von industriellen Teilen für den Bau syrischer Giftgas-Fabriken. Die Exporte sollen durch staatliche Hermes-Kreditbürgschaften gesichert gewesen sein.
Der Vorwurf wird in einem Papier des renommierten amerikanischen Center für Strategic and International Studies (CSIS) in Washington erhoben. In der Untersuchung über Syriens Potenzial an Massenvernichtungswaffen sind verkaufte Komponenten wie auch Firmen genannt, die geliefert haben sollen. Darunter sind explizit der Glashersteller Schott, aber auch der der Essener Ferrostaal-Handelskonzern aufgeführt.
Der Report aus dem Jahr 2000 liegt unserer Zeitung vor. Danach hat die Firma Schott eine Art Grundausstattung der Giftgasfabrik („Reaktoren und Produktionsausstattung“) geliefert, auch „wichtige deutsche pharmazeutische, chemische und maschinenbautechnische Unternehmen“ hätten „Syrien geholfen, seine Produktionsanlagen aufzubauen“.
Ferrostaal bestreitet Vorwürfe
Konkret: „Spezielle Mischtrommeln, Hochtemperaturöfen und isostatische Pressen sowie anspruchsvolle Werkzeuge sind mit deutschen Exportlizenzen an Syriens Scientific Research Council (CERS) von Ferrostaal, Carl Schenck, der Leifeld-Weber GmbH und anderen bedeutenden Firmen geliefert worden“.
Das US-Institut, das auch die Niederlande, die Schweiz, Frankreich und Österreich der Zulieferung zu Assads Waffenprogramm beschuldigt, vermutet, dass die Lieferungen, die in den 80er und 90er Jahren erfolgt sein müssen, nicht gegen deutsches Recht verstießen.
Der Essener Ferrostaal-Konzern hat auf Anfrage der WAZ seine Lieferungen überprüft. „Die Darstellung der CSIS können wir nicht nachvollziehen“, sagte Unternehmenssprecher Clemens Pawlak. „Ferrostaal hat keine Waren an das Scientific Research Council (CERS) oder Schott Glaswerke geliefert“. Auch verfüge man über ein internes Informations- und Kontrollsystem „zur Entsprechung der gesetzlichen Vorgaben“. 2012 habe die Geschäftsführung festgelegt, dass keine Geschäfte mit syrischen Handelspartnern abgeschlossen würden. Ähnlich haben sich auch andere genannte Firmen geäußert.
Doppelt nutzbare Technik
Dennoch passt die Ausstattung von Nahost-Regimen mit deutscher, sowohl militärisch wie zivil nutzbarer Technologie („dual use“) unter den Augen der Bundesregierung gut in diese Zeit. Das badische Unternehmen Imhausen baute damals für den libyschen Staatschef Gaddafi eine Fabrik für C-Waffen in der Wüste bei Rabta. Obwohl der Bundesnachrichtendienst (BND) das Kanzleramt gewarnt hatte, führte erst amerikanischer Druck zum Aufdecken der Vorgänge. Spektakulär schrieb der New York Times-Autor William Safire vom „Auschwitz in the sand“.
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In den 80er-Jahren, als Syrien seine Giftgas-Fabriken bauen wollte, waren deutsche Exportkontrollen eher lässig, die Genehmigungspraxis des Bundesamtes für Wirtschaft wenig streng. Das ist heute anders.
Zollfahnder ermitteln wegen Iran
Das neue „Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle“ prüft intensiv, ob die zum Export angemeldeten Waren unrechtmäßig verwendet werden könnten. Leitfäden sind Listen mit europäisch abgesprochenen Ausfuhrverboten.
Zum anderen überwacht das Zollkriminalamt (ZKA) in Köln-Dellbrück die Einhaltung der erteilten Ausfuhrverbote. Die Fahnder haben vor allem Probleme mit illegalen Lieferung für das iranische Atomprogramm oder für die Ausstattung Irans mit Drohnen.
„Im Zusammenhang mit Syrien gibt es kein Ermittlungsverfahren“, sagt ZKA-Sprecher Wolfgang Schmitz.