Münster. Peer Steinbrück hat in seiner ersten Rede als designierter SPD-Kanzlerkandidat die Parteibasis zur Geschlossenheit aufgerufen. “Ich werbe für euer Vertrauen, meines habt ihr“, sagte Steinbrück auf dem SPD-Landesparteitag in Münster. Die Delegierten feierten ihren Hoffnungsträger mit langem Beifall.

Welch ein Zufall - wenn es denn einer war. Die Regie hätte jedenfalls kaum besser funktionieren können. Am Tag 1 nach seiner Vorstellung als künftiger Kanzlerkandidat der SPD stand für Peer Steinbrück bereits der erste große Stimmungstest an der Basis an. Beim Parteitag des größten Landesverbandes NRW ließ ihm Hannelore Kraft die Bühne bereiten. Die SPD feierte Steinbrück für eine kämpferischen Rede, mit der er klaren Kurs vorgab für die Abwahl der Regierung Merkel. "Wir setzen eindeutig auf Sieg und nicht auf Platz", rief er unter dem Beifall der 490 Delegierten in Münster, "und wir wollen Rot-Grün."

"Ich werbe um euer Vertrauen, meines habt ihr", sagte er in typisch steinbrück’scher Manier zum Ende seines halbstündigen Auftritts, für den sie ihn minutenlang feierten. Zwei Botschaften hatte der Hoffungsträger der SPD für die Bundestagswahl 2013 dem Parteitag übermittelt. Skeptiker in der NRW-SPD bediente er mit einem klaren Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit und gegen die Spaltung des Arbeitsmarkts sowie einem Plädoyer zur Reichensteuer: "Wir wollen nicht alle Steuern für alle erhöhen, sondern mache Steuern für einige."

"Getragen, ertragen, vertragen" - Steinbrück kalauert

Zweitens erbat Steinbrück für sich von den Genossen im Wahlkampf "etwas Beinfreiheit an der einen oder anderen Stelle" - damit ließ er aufhorchen. Denn wer Kanzler werden wolle, sagte er, müsse 62 Millionen Menschen erreichen und nicht nur 500.000 "rechtgläubige" SPD-Mitglieder. Nur wenn der Kandidat zum Programm passe und umgekehrt, nur wenn die SPD in größter Geschlossenheit agiere, könne sie gewinnen. "Frau Merkel wird versuchen, unsere Anhänger zu demobilisieren", warnte er die Wahlkämpfer davor, sich einlullen zu lassen.

Eindringlich warb Steinbrück, der für sich erneut ein Ministeramt in einer Regierung Merkel ausschloss, um die Gunst der SPD in ganz NRW. "Ihr habt mich getragen und manchmal musstet ihr mich ertragen, aber wir haben uns immer wieder vertragen", kalauerte er in versöhnlichem Ton. Mehrfach berief er sich auf Parteichefin Kraft, die mit dem Rekordergebnis von 99,08 Prozent wiedergewählt wurde,  würdigte etwa ihre Politik der sozialen Prävention und verteilte Honneurs an die Parteibasis.

Merkel "kommt einfach nicht zu Potte", findet Hannelore Kraft

Kraft sagte dem designierten Kandidaten in ihrer Rede die Unterstützung des Landesverbands zu und gab ihm ein paar Aufgaben mit auf den Weg. "Lieber Peer, du wirst als künftiger Kanzler die Kommunen nicht im Stich lassen", rief sie. Ab sofort befinde sich die SPD wieder "im Wahlkampfmodus", so Kraft. Nicht unerwähnt ließ sie, dass der Wahlsieg in NRW der ganzen Partei neuen "Schub" verliehen habe, um die "blut- und inhaltsleere" Koalition in Berlin abzulösen. Deutschland müsse besser und gerechter regiert werden. "Frau Merkel sitzt alles aus kommt einfach nicht zu Potte", sagte Kraft, "deshalb ist ihre Zeit abgelaufen."

Delegierte zeigten sich am Rande des Parteitags angetan von Steinbrücks Rede. Er habe aus früheren Fehlern gelernt und sei mit seinen Positionen zur Finanzmarkt-Krise oder zum Mindestlohn "absolut tragbar" für den Gewerkschaftsflügel, meinte der Sozialpolitiker Günter Garbrecht. "Deshalb ist er der richtige Mann." Landesvize Marc Herter befand: "Peer Steinbrück ist gut, weil er Kanzler werden will." Auch NRW-Sozialminister Guntram Schneider zeigte sich überzeugt, dass sich die Gewerkschaften hinter den SPD-Kandidaten stellen werden.

Lob von Franz Müntefering

Lob kam von Franz Müntefering. "Er hat absolut die Qualität, dieses Land zu regieren", sagte er über Steinbrück. Der frühere Vizekanzler warb dafür, dem Kandidaten die erbetene Beinfreiheit zu gewähren. "Der ist ein Sozi durch und durch", so Müntefering, "aber er weiß wie Helmut Schmidt, dass man die ganze Breite der Politik braucht, um bestehen zu können."