Düsseldorf.. Die Wohnnebenkosten gelten inzwischen als „zweite Miete“: In diesem Bereich sei in vielen Orten der Staat der Preistreiber, kritisiert der Bund der Steuerzahler NRW. Dabei liegen teuer und billig auch im Ruhrgebiet oft dicht beieinander. Bei der Müllentsorgung müssen Oberhausener viel mehr bezahlen als Gladbecker.
Missmanagement und Finanznot vieler Kommunen sorgen nach Analyse des Steuerzahlerbundes für hohe Wohnnebenkosten in NRW. „Viele Städte betreiben Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken der Mieter und Hausbesitzer“, sagte der Vorsitzende des Steuerzahlerbundes NRW, Heinz Wirz.
Vor allem bei den Abwassergebühren sei es in einigen Kommunen zu erheblichen Steigerungen gekommen. So zahlt ein Vier-Personen-Musterhaushalt in Bottrop mit 601 Euro Abwassergebühren laut Steuerzahlerbund 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch in Gelsenkirchen (536 Euro, plus 5,8 Prozent), Herne (519 Euro, plus 4,7 Prozent), Oberhausen (629 Euro, plus 4,2 Prozent), Hagen (645 Euro, plus 3,7 Prozent) oder Duisburg (551 Euro, plus 2,3 Prozent) wurde es teurer. Gleichwohl lagen die Abwassergebühren in diesen Städten immer noch unter dem Landesschnitt von 692 Euro, der insgesamt nur leicht um 0,8 Prozent stieg. Auf hohem Niveau stabilisierten sich die Kosten in Essen (708 Euro, minus 0,3 Prozent) und Mülheim (709 Euro, plus 1,1 Prozent). Einen besonders starken Preisrückgang verzeichnete Hattingen mit 589 Euro (minus 10 Prozent).
Der Steuerzahlerbund kritisierte den gesetzlichen Ermessensspielraum der Kommunen bei der Gebührenkalkulation. Häufig würden bei Infrastrukturkosten Neuwerte angesetzt und den Bürgern in Rechnung gestellt, obwohl der Anschaffungswert der städtischen Anlagen weitaus geringer sei. „Wer über eine Mietpreisbremse diskutiert und bei der zweiten Miete so hinlangt, handelt nicht glaubwürdig“, so Wirz.
Auch bei den Abfallgebühren in NRW beklagt der Steuerzahlerbund eine „unerträgliche Geheimniskrämerei“. Zwar hätten mehr als die Hälfte der Kommunen mit 14-tägiger Leerung der Restmülltonne die Gebühren stabil gehalten oder gesenkt. Bei den Kommunen mit vierwöchiger Leerung sei der Trend zu niedrigeren Preisen noch deutlicher erkennbar. Dennoch legten viele Städte nicht offen, wie hoch die Verbrennungsentgelte wirklich sind, die sie an die Betreiber der Müllverbrennungsanlagen zahlen. So zahlt ein Musterhaushalt in Essen (352 Euro), Bottrop (251 Euro) oder Mülheim (391 Euro) bei wöchentlicher Leerung eine Jahresgesamtgebühr deutlich unter dem Landesschnitt (434 Euro), während es in Oberhausen (535 Euro) oder Moers (690 Euro) deutlich teurer ist.
Teuer und billig sind Nachbarn
Die beiden Revierstädte Oberhausen und Gladbeck trennen weniger als 20 Kilometer. Bei der Müllentsorgung sind es Welten. Ein Vier-Personen-Haushalt in Gladbeck zahlt für die zweiwöchentliche Leerung seiner Restmülltonne 152, 83 Euro – ein im landesweiten Vergleich extrem günstiger Preis. Die Oberhausener Familie Mustermann muss dagegen bei einer wöchentlichen Leerung 535,41 Euro berappen, was weit über dem Landesschnitt liegt.
Bei den Abwassergebühren sind die Preisdifferenzen ebenfalls erstaunlich. Hier zahlt man etwa in Altena mit gut 1071 Euro die höchsten Preise im gesamten Märkischen Kreis, während im nahen Iserlohn gerade einmal 535 Euro verlangt werden.
Der Bund der Steuerzahler spürt seit Jahren den Gründen für diese höchst unterschiedlich ausgestaltete „zweite Miete“ in NRW nach. Bei den Abwassergebühren erkennt dessen Vorsitzender Heinz Wirz nun einen klaren Trend zum Abkassieren der Bürger. „Die Kommunen betreiben Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken der Mieter und Hausbesitzer“, glaubt Wirz. Die Tricks: Bei der Gebührenkalkulation würden häufig die Neuwertigkeit der Infrastruktur unterstellt, Zinsen für das städtische Eigenkapital eingepreist oder pauschal höhere Kosten für den Bevölkerungsrückgang geltend gemacht.
Der Steuerzahler-Bund forderte die Landesregierung auf, das Drehen an solchen Stellschrauben zu verbieten, damit den Bürgern nur noch die tatsächlichen Abwasserkosten in Rechnung gestellt werden können.
Noch weniger transparent geht es in der Abfallwirtschaft zu. Die meisten Kommunen verweigerten Auskunft darüber, welche Verbrennungsentgelte sie an die Müllöfen-Betreiber zahlen. Insgesamt sind die Abfallgebühren zwar landesweit stabil geblieben oder gesunken. Die lokalen Unterschiede bleiben aber enorm. Hintergrund: Die 16 Verbrennungsanlagen in NRW sind dank Bevölkerungsrückgang und Recycling-Boom nur noch schlecht ausgelastet, die Fixkosten erdrücken viele Betreiberstädte. Andere wie der Kreis Viersen, die über keine eigene Verbrennungsanlage verfügen, profitieren neuerdings vom Preiskampf und lassen den Hausmüll einfach nicht mehr teuer in Krefeld verbrennen, sondern billig in Solingen und Köln.
Heimlichtuerei bei der Entsorgung
Das Ungleichgewicht bei den Gebühren wächst. Eine Stadt wie Gladbeck profitiert heute davon, dass sie seit Jahrzehnten im Verbund mit Essen, Bottrop, Gelsenkirchen und Mülheim im abgeschrieben Müllheizkraftwerk Karnap entsorgt. Oberhausen und Duisburg dagegen ächzen unter einer bereits gerichtlich beleuchteten Partnerschaft mit dem Privatunternehmer Remondis bei der Verbrennungsanlage Oberhausen. Eine Stadt mit Wahlfreiheit wie Coesfeld könne in Oberhausen erheblich günstiger entsorgen als die Betreiberstädte selbst, klagt der Steuerzahler-Bund. Die Konditionen müssten endlich für alle Bürger nachvollziehbar offen gelegt werden. „Der erschreckende Heimlichtuerei zeigt deutlich, wie dringend die Landesregierung ein Transparenzgesetz auf den Weg bringen muss“, sagte Wirz.
Abwassergebühren in NRW
Das müssen Bewohner in ausgewählten Kommunen an Abwassergebühren in diesem Jahr zahlen. Die Zahlen beziehen sich auf einen Musterhaushalt, die Prozentwerte zeigen die Preisveränderung im Vergleich zum Jahr 2013. (Verglichene Verbrauchswerte: 200 Kubikmeter Wasser, 130 Quadratmeter versiegelte Grundfläche)
Alpen bis Attendorn
Alpen 907,00 0,8%
Arnsberg 739,57 0,8%
Attendorn 713,60 0,5%
Bad Berleburg bis Brilon
Bad Berleburg 656,90 0%
Bad Laasphe 569,00 -2,4%
Balve 732,00 0%
Bedburg-Hau 557,80 13,4%
Bestwig 722,80 0%
Bochum 595,00 4,1%
Bocholt 611,80 0,0%
Borken 452,50 8,7%
Bottrop 601,90 9,5%
Breckerfeld 903,60 -0,3%
Brilon 644,50 3,5%
Dinslaken bis Duisburg
Dinslaken 525,40 1,5%
Castrop-Rauxel 603,80 0,0%
Dortmund 567,20 1,9%
Dorsten 569,50 3,9%
Drolshagen 757,00 0%
Düsseldorf 431,40 0,0%
Duisburg 551,00 2,3%
Emmerich bis Essen
Emmerich 646,40 -12,4%
Ennepetal 814,70 0,0%
Erndtebrück 843,50 0%
Eslohe 646,70 -2,2%
Essen 708,60 -0,3%
Finnentrop bis Fröndenberg
Finnentrop 658,10 0%
Freudenberg 913,60 4,3%
Fröndenberg 1008,60 -2,9%
Gelsenkirchen bis Goch
Gelsenkirchen 536,10 5,8%
Gevelsberg 805,30 2,8%
Gladbeck 518,70 1,1%
Goch 689,90 -8,4%
Hagen bis Hünxe
Hagen 645,00 3,7%
Hallenberg 764,80 0%
Hamminkeln 691,30 6,0%
Hattingen 589,00 -10,0%
Heiligenhaus 702,30 1,7%
Hemer 636,80 -2,6%
Herdecke 593,10 0%
Herne 519,20 4,7%
Herten 601,20 4,6%
Hilchenbach 612,76 -3,2%
Hilden 412,50 0,6%
Hünxe 553,50 0,0%
Iserlohn und Isselburg
Iserlohn 535,20 1,1%
Isselburg 888,00 18,1%
Kalkar bis Kreuztal
Kalkar 547,30 -0,8%
Kamp-Lintfort 678,90 0,7%
Kevelaer 540,50 2,1%
Kirchhundem 838,40 -0,7%
Kleve 516,90 1,5%
Kranenburg 604,10 -5,9%
Kreuztal 522,70 0%
Langenberg bis Lennestadt
Langenberg 631,35 0,0%
Lennestadt 760,80 -1,5%
Marl bis Mülheim
Marl 598,50 3,6%
Marsberg 696,20 0%
Medebach 692,20 0%
Menden 644,80 -2,0%
Meschede 650,20 -5,5%
Moers 708,40 0,0%
Mülheim 709,60 1,1%
Oberhausen bis Olsberg
Oberhausen 629,30 4,2%
Oer-Erkenschwick 593,20 -2,6%
Olpe 589,90 1,6%
Olsberg 622,00 0%
Recklinghausen bis Rheurdt
Recklinghausen 583,40 0,7%
Rees 567,23 -5,6%
Rheurdt 672,60 3,0%
Schmallenberg bis Sprockhövel
Schmallenberg 685,80 0%
Schwelm 815,80 1,6%
Sonsbeck 557,40 7,4%
Siegen 538,40 0,3%
Sprockhövel 842,90 0,0%
U wie Uedem
Uedem 498,72 0,0%
S wie Sundern
Sundern 820,80 0%
V wie Voerde
Voerde 643,90 0,4%
Warstein bis Wetter
Warstein 698,80 0%
Weeze 704,10 -0,6%
Wenden 703,10 5,7%
Wesel 701,00 0,0%
Wetter 813,30 -0,5%
V wie Velbert
Velbert 753,30 1,3%
Winterberg und Witten
Winterberg 568,00 0%
Witten 765,30 0,0%
X wie Xanten
Xanten 784,10 0,3