Essen.
Warum schreibt meine NRZ das nicht? Habt Ihr Angst, oder seid Ihr etwa fremdgesteuert? Solche Sätze von Leserinnen und Lesern erreichen hin und wieder unsere Redaktion. Schon die Fragestellung zeigt, dass es Skepsis gibt, ob „die Medien“ wirklich objektiv berichten. Sehr häufig ist damit das Thema Flüchtlinge gemeint. Oft auch das Zusammenleben mit Ausländern generell.
Zunächst einmal gilt, dass besonders regionale Tageszeitungen wie Ihre NRZ höchste Glaubwürdigkeit besitzen. Knapp 70 Prozent der Bundesbürger vertrauen ihrer Tageszeitung. Das ist ein sehr hoher Wert, den ähnlich nur die öffentlich-rechtlichen Sender erreichen.
Doch das kann uns in der Redaktion nicht beruhigen. Wir fragen uns, wieso bei einigen Menschen das Vertrauen in die „vierte Gewalt“ unseres Staates schwindet.
Wir berichten, was wir wissen und was wir möglichst genau recherchiert haben
Möglich, dass es am Internet liegt, wo nach einem Ereignis nur Sekunden vergehen, bis unzählige sogenannte Kommentatoren ihre Meinung dazu abgeben. Manchmal originell und klug, oft aber auch sehr massiv, ehrverletzend, und dann auch noch anonym.
Bemerkenswert ist auch, dass die Pegida-Bewegung von „Lügenpresse“ spricht, weil sie meint, dass zum Beispiel nicht genug über kriminelle Ausländer berichtet wird. Pegida spricht übrigens auch von Lügenpresse, wenn über ihre kriminellen Mitglieder berichtet wird.
Gleichwohl bleibt auch bei politisch ernsthaft interessierten Zeitungslesern manchmal ein Unbehagen, ob tatsächlich über alles und umfassend berichtet wird. Das ist natürlich schon von der Menge her schwierig. Dennoch kann die Antwort von uns nur sein: Wir berichten, was wir wissen und was wir möglichst genau recherchiert haben.
Mutmaßungen oder Gerüchte aus dem Internet, die zu Zigtausenden kursieren, geben wir nicht ungeprüft wieder. Nur ein Beispiel: Vor einigen Wochen ging per Facebook die Nachricht um, dass in Kleve mehrere Mädchen von Flüchtlingen entführt und missbraucht worden sein sollen. Anrufer rieten der Redaktion, dies doch endlich zu schreiben. Recherchen ergaben jedoch: Stimmt alles nicht, komplett erfunden. Aus welchen Gründen, liegt wohl auf der Hand. Doch weil wir eben nicht berichteten, hieß es: Seht, Ihr verschweigt und seid also feige und fremdgesteuert. - Mit so etwas muss die Redaktion leben.
Die NRZ muss berichten, was ist
Genauso müssen wir selbstkritisch sein. Denn unser Auftrag von Ihnen als Leserin und Leser lautet: Die NRZ muss berichten, was ist. Wahrhaftig schreiben. Ohne Vorbehalte und ohne Schere im Kopf. Dies ist nicht immer leicht, und auch uns unterlaufen Fehler oder Fehleinschätzungen. Schließlich macht sich ja auch der einzelne Redakteur darüber Gedanken, wie die bloße Nachricht verstanden werden kann, wenn nur wenige Fakten präsent sind.
Die Hintergründe einer Nachricht zu erfahren, ist deswegen so immens wichtig. Fast jedes Ereignis hat einen Gesamtzusammenhang, der Recherche erfordert. Darum geht bei uns Sorgfältigkeit vor Schnelligkeit. Das unterscheidet uns vom Internet, das sich permanent neu aufregt und wo das Seriöse und Kluge den gleichen Platz einnehmen darf wie das Entsetzliche und Dumme. Einordnung – wie in Ihrer Tageszeitung – findet im Internet nicht statt.
Die Ereignisse in Köln zeigen, wie nötig Recherchen der Presse letztendlich sind: Die Polizeiführung wollte vertuschen, was sie nicht wahrhaben wollte. Herausgekommen ist es trotzdem. Die Recherchen sind indes noch längst nicht beendet. Wir bleiben am Ball.
Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut
Dies gilt generell für das Thema Flüchtlinge: Wir schreiben, was schlecht läuft – aber wir schreiben auch von allen Bemühungen, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaft fördern. Zerstören und abreißen ist leicht, aufbauen und zusammenhalten indes ist viel schwieriger. Wir entscheiden uns daher eher für das Konstruktive als für das Trennende. Wir werden damit nicht jeden Leser tagtäglich zufrieden stellen; aber unseren NRZ-Grundsätzen werden wir auf jeden Fall treu bleiben.
Unser höchstes Gut ist die Glaubwürdigkeit; und die wollen wir um alles in der Welt erhalten. Uns ist wichtig, dass Sie wissen, welche Gedanken wir uns in der Redaktion darum machen.
Ich freue mich auf Ihre Meinung dazu: Manfred Lachniet, Friedrichstraße 34-38, 45128 Essen oder m.lachniet@nrz.de