Kairo.. Nach Verhängung des Ausnahmezustands über drei Städte will Ägyptens Präsident auch die Befugnisse des Militärs ausweiten. Soldaten sollen so auch Zivilisten festnehmen können. Die Opposition protestiert.

Angesichts der eskalierenden Gewalt in Ägypten ruft der
islamistische Präsident Mohammed Mursi die Streitkräfte zur Hilfe. Das Kabinett
verabschiedete am Montag einen Gesetzentwurf, der dem Militär Befugnisse im
Inneren zubilligen würde, wie die staatliche Nachrichtenagentur MENA berichtete.
Unterdessen lieferten sich Demonstranten und die Polizei am fünften Tag in Folge
schwere Straßenschlachten. Bei gewaltsamen Zusammenstößen in der Hauptstadt
Kairo kam am Montag mindestens ein Mensch ums Leben.

Sollte das islamistisch dominierte Parlament Mursis Gesetzentwurf
verabschieden, wären die Streitkräfte bis zu den für April erwarteten Wahlen
berechtigt, gemeinsam mit der Polizei für die innere Sicherheit zu sorgen.

Der Vorstoß weckte bei einigen Demonstranten Erinnerungen an die
autoritäre Herrschaft des früheren Machthabers Husni Mubarak. "Menschen sind
gestorben, um Freiheit und soziale Gerechtigkeit zu erlangen", sagte der
65-jährige Ingenieur Mohammed Saber, der mit seiner Frau und seinen Kindern zu
den Protesten in Kairo gekommen war. "Nach 29 Jahren unter dem despotischen
Mubarak werden wir jetzt von einem noch schlimmeren Regime regiert: Religiöse
Faschisten - noch gefährlicher."

Trotz des Ausnahmezustands hielten die Unruhen am Montag an. Nahe dem
zentralen Tahrir-Platz in Kairo schleuderten Demonstranten Steine auf die
Sicherheitskräfte, die Beamten feuerten Tränengas in die Menge. Mindestens ein
Demonstrant kam dabei ums Leben. Er sei angeschossen worden und auf dem Weg ins
Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen, hieß es aus Sicherheitskreisen.
Auslöser der jüngsten Krawalle, die bislang mehr als 50 Menschen das Leben
gekostet haben, waren Todesurteile gegen 21 Fußballfans in Zusammenhang mit
einer Stadiontragödie im vorigen Jahr.

Mursi verhängt Ausnahmezustand über drei Provinzen

In einer im Fernsehen übertragenen Ansprache hatte Präsident Mursi am
Sonntag den Ausnahmezustand über die Provinzen Port Said, Ismailija und Suez
sowie eine nächtliche Ausgangssperre für 30 Tage verhängt. Er werde nicht
zögern, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Gewalt zu stoppen, sagte der
sichtlich aufgebrachte Staatschef. Er habe die Polizei angewiesen, "entschlossen
und bestimmt" gegen jene vorzugehen, die staatliche Institutionen angriffen.

Allerdings versicherte Mursi auch, er wolle Ägypten nicht erneut eine
autoritäre Herrschaft aufzwingen. "Es wird keine Abstriche bei Freiheit,
Demokratie und Herrschaft des Rechts geben", sagte der Präsident. Er lud die
politischen Kräfte des Landes zu einem Dialog ein, um die Krise beizulegen.

Das größte Oppositionsbündnis wies das Gesprächsangebot umgehend
zurück. Erst müssten ihre Forderungen erfüllt werden, sagten
Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei und andere führende Vertreter der
Nationalen Heilsfront am Montag.

Mursi müsse zunächst eine Regierung der nationalen Einheit ernennen
und eine Kommission zur Überarbeitung der umstrittenen neuen Verfassung
einsetzen, erklärte ElBaradei. "Bei dem Dialog, zu dem der Präsident uns
eingeladen hat, geht es um die Form, nicht um den Inhalt", sagte er. "Wir sind
für jeden Dialog, wenn er eine klare Agenda hat, die die Nation ans sichere Ufer
führen kann."

Der frühere Präsidentschaftskandidat Hamdin Sabahi forderte, Mursi
müsse die Verantwortung für die Gewalteskalation übernehmen, friedliche Proteste
respektieren und den Generalstaatsanwalt entlassen. (dapd)