Die Waschkette „Mr. Wash“ aus Essen muss jetzt 64 000 Euro Bußgeld zahlen, weil das Unternehmen Kunden und Mitarbeiter per Kamera bespitzeln ließ. Aber das ist beileibe kein Einzelfall. Im öffentlichen Raum sind mittlerweile hunderttausende Aufnahmegeräte installiert - auch in der freien Natur.

Seit wenigen Tagen hat das Unternehmen Post vom Landesdatenschutzbeauftragten. In acht seiner 33 Filialen soll es mit 60 Videokameras aus Sicherheitsgründen Mitarbeiter und Besucher gefilmt und damit gegen den Paragraphen 6 des Datenschutzgesetzes verstoßen haben.

„Keine Einzelfälle, sondern Trend“

Der schreibt vor: Beobachtung und Aufzeichnung mit der Videokamera ist nur zulässig, wenn dies zur Wahrnehmung berechtigter Interessen und für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist. Es dürfen auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen verletzt werden.

Das aber passiert häufig, glaubt der NRW-Datenschutzbeauftragte Ulrich Lepper. Vorgänge wie bei „Mr. Wash“ und den Streit um die Nutzung von „Dashcams“ – den Videoaufzeichnungen aus Autos heraus, der jetzt vor Gericht entschieden wird – hält er nicht für Einzelfälle, sondern Trend: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einer Überwachungsgesellschaft landen, in der jeder Mensch den anderen überwacht, während alle durch Staaten und Unternehmen beobachtet werden“.

Sehr Privates wird öffentlich

Kamerabewaffnete Drohnen fliegen über Nachbars Garten. Grundstücke werden videotechnisch überwacht. Ladenregale sind der Kontrolle genau so selbstverständlich unterworfen wie Schulhöfe und das Innere von Stadtbussen. Mal erfolgt die Installation privat, oft aber auch durch staatliche Stellen, die genau so den gesetzlichen Vorschriften unterliegen.

Vor allem: Die Filmchen tauchen gerne im Internet auf und machen dann oft sehr Privates öffentlich.

In Bayern sind alleine durch Land und Kommunen 17 000 Kameras in öffentlichen Räumen installiert. In NRW räumt das Land landesweit 2750 Videoüberwachungen durch eigene Dienststellen ein. Über kommunale und private Aufzeichnungen will es keine Übersicht haben. In Niedersachsen bemängelt der Datenschutzbeauftragte, dass 99 Prozent aller Video-Cams falsch installiert sind. Unbeteiligte können schnell in ihr Visier geraten.

Nicht einmal im Wald sind die Menschen unbeobachtet

Nicht mal im Grünen sind Pilzsammler und Jogger sicher. 1000 Augen hat der Wald, heißt ein Bonmot. Wahrscheinlich sind es 100 000. So viel „Wildkameras“ haben Jäger in den Wäldern versteckt, um Rehe, Hirsche und Hasen zu beobachten, glaubt Leppers Mainzer Kollege Edgar Wagner. In Fotofallen tappen aber auch die Zweibeiner. Zum Beispiel Pärchen wie im Fall eines Kärntner Politikers, dessen heimliche Liaison so von seinen Wählern mitverfolgt werden konnte.

Rheinland-Pfalz fordert gerade alle Kameraeigentümer auf, die Videos aus dem Baumgeäst heraus zu beenden. Ansonsten droht das Land ihnen bis zu 5000 Euro Bußgeld an. Für den Herbst 2014 erwartet Datenschützer Wagner eine Prozessflut – ausgelöst durch Jäger, die sich gegen das Verbot wehren und durch Waldnutzer, die nicht ungewarnt ins Objektiv laufen möchten.

Ob Kameras im Wald, an der Drohne, vor der Haustür oder auf den Armaturentafeln der Autos: Die rechtliche Auseinandersetzung läuft auf eine Zuspitzung hinaus. Wie die letztlich entschieden werden, ist nach Meinung von Juristen völlig offen und wird weniger durch den Gesetzgeber als wohl vielmehr von Richtern erledigt. „Die Chancen, in Zukunft auf deutschen Straßen unbehelligt eine Dashcam betreiben und die mit ihr gemachten Aufnahmen erforderlichenfalls verwerten zu können, sind kaum höher als 50 Prozent zu veranschlagen“, sagt der Autoclub Europa (ACE).

Gesichter verpixelt

Weil sie um strittige Rechtsgrundlagen weiß, greift die Stadt Meschede im Hochsauerlandkreis zu einem Trick. Seit langem ärgern sich die Stadtoberen über die Graffiti-Schmierereien in der neugestalteten City. Videoobservation soll abhelfen. Um dem Datenschutz entgegenzukommen, sollen Gesichter mit einer neuartigen Technik verpixelt werden. Was die Entscheidung über den Einsatz indes nicht näher bringt. Seit dem Bekanntwerden tobt der Streit und landete schon vor dem Landtag. Letzter Stand: Für Meschedes Pläne sieht die Landesregierung kaum eine Rechtsgrundlage.