Berlin. Die von SPD und Grünen regierten Länder haben ihre neue Mehrheit im Bundesrat genutzt und einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro beschlossen. Auch das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern, die beide von großen Koalitionen regiert werden, stimmten für den Antrag aus Rheinland-Pfalz.
Der Bundesrat fordert die Einführung eines gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohnes in Deutschland. Die Länderkammer stimmte mit ihrer neuen Oppositionsmehrheit für einen Gesetzentwurf, der einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro vorsieht. Auch die große Koalition des Saarlandes unter Kramp-Karrenbauer (CDU) unterstützte den Entwurf von Rot-Grün und dem rot-roten Brandenburg.
SPD und Grüne haben im Bundesrat eine Gesetzesinitiative für einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde durchgesetzt. Zur Mehrheit in der Länderkammer verhalfen ihnen am Freitag auch Stimmen aus der CDU und der Linkspartei. Gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl setzt Rot-Grün damit die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit im Bundestag unter Druck.
In der Union liegt seit fast einem Jahr ein Vorschlag für eine bundesweite Lohnuntergrenze auf dem Tisch, gegen den sich seither die FDP sperrt. Jüngst hatten Spitzen-Liberale aber Gesprächsbereitschaft signalisiert. Vom rot-grünen Vorstoß unterscheidet sich das Unions-Modell dadurch, dass es niedrige Tariflöhne nicht aushebelt und keine Mindesthöhe vorgibt.
Zustimmung der CDU aus dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern
Der Mindestlohn war der erste Vorstoß einer Serie von Vorhaben, die SPD und Grüne mit ihrer neuen Mehrheit im Bundesrat nach der Wahl in Niedersachsen durchsetzen wollen. Eine Initiative zur Abschaffung des Betreuungsgeldes soll am 22. März folgen und am 3. Mai ein Gesetzesvorschlag zum Entzug der Banklizenz, wenn Bankhäuser Kunden beim Steuerbetrug helfen.
Rechnerisch sind SPD und Grüne dabei auf Unterstützung der in Brandenburg mitregierenden Linkspartei angewiesen. Für den Mindestlohn gab es aber auch CDU-Stimmen: Die CDU-SPD-Regierung im Saarland wie auch die SPD-CDU-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern stimmten dafür. Gemeinsame Überzeugung von SPD und CDU in dem ostdeutschen Bundesland sei, "dass - wer Vollzeit arbeitet - davon auch leben können muss", ohne Sozialleistungen zu benötigen, sagte Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD).
Nicht mitgetragen wurde der Vorstoß dagegen von der CDU-SPD-Koalition in Thüringen, obwohl diese im September vorigen Jahres als erstes CDU-geführtes Bundesland einen Vorschlag für einen gesetzlichen Mindestlohn in den Bundesrat eingebracht hatte. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) begründete dies damit, dass Rot-Grün eine Mindesthöhe von 8,50 Euro pro Stunde vorgeben wolle. Ein "parteipolitischer Überbietungswettbewerb" drohe, von Linken würden bereits 10 Euro pro Stunde gefordert.
SPD-Minister Schneider: „8,50 Euro sind kaum mehr als Hartz IV“
Thüringens Vorschlag hatte die Höhe eines Mindestlohns offengelassen, der von einer Kommission der Tarifpartner festgelegt würde. Das vom Bundesrat beschlossene Modell gibt eine Mindesthöhe von 8,50 Euro vor. Die Höhe soll jährlich von einer zu Dritteln aus Arbeitgebern, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern bestehenden Kommission angepasst werden. In Kraft treten solle Gesetz erst nach einer Übergangsfrist von einem Jahr. Im Bundestag ist jedoch angesichts der Mehrheit von Union und FDP kaum mit einer Zustimmung zu rechnen.
Bestehende Tariflöhne unterhalb des Mindestlohns würden automatisch angehoben. Dies ist ein gravierender Unterschied zum Modell der Union im Bundestag: Deren Lohnuntergrenze soll nur in tariffreien Branchen greifen. "Wir wollen keinen lückenhaften Mindestlohn", begründete die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer die SPD-Position. Sellering betonte: "Ein für alle Branchen gleicher gesetzlicher Mindestlohn ist kein Eingriff in die Tarifautonomie." Es sei nur das mindeste, was zum Leben benötigt werde. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) sagte, 8,50 Euro seien "etwas mehr als im Volksmund Hartz IV".
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warf Rot-Grün vor, die Länderkammer für den Wahlkampf zu missbrauchen: "Der Bundesrat wird heute zur Bühne gemacht für die Bundestagswahl." SPD und Grüne leugneten "wirtschaftliche Grundwahrheiten": Wenn der Mindestlohn zu niedrig sei, nütze er nichts, "wo er zu hoch ist, kostet er Arbeitsplätze". Die Lohnhöhe auszutarieren sei Sache der Tarifpartner. (rtr)