NRW. Bei der Sonnenfinsternis am 20. März bricht bei klarem Himmel die Solarstromproduktion mit einem Schlag zusammen. Die Netzbetreiber bereiten sich vor.
Erstmals in der Geschichte der modernen Energieversorgung stellt eine Sonnenfinsternis das deutsche Stromsystem auf die Probe. Die vier großen deutschen Stromnetzbetreiber, darunter die Dortmunder Amprion, arbeiten seit Monaten fieberhaft an einem Notfallplan, der den Auswirkungen der partiellen Sonnenfinsternis am Vormittag des 20. März auf die Stromnetze entgegenwirken soll. Auch beim Essener Energiekonzern RWE beschäftigt man sich in eigens eingerichteten Arbeitsgruppen mit dem Thema. Die Netzbetreiber haben für den Tag X ihr Personal geschult und setzen zusätzliche Mitarbeiter in Leitstellen und Schaltwarten ein.
Hintergrund der hektischen Betriebsamkeit der Energiebranche: Am 20. März, einem Freitag, schiebt sich der Mond zwischen 9.30 und 12 Uhr über dem Nordatlantik vor die Sonne. Etwa 80 Prozent der Einstrahlung fallen mit einem Schlag weg. Sobald es dunkel wird, werden rund 1,5 Millionen Solaranlagen in Deutschland ihre Stromproduktion drastisch reduzieren.
Schnelle Schwankungen machen Netz instabil
Wenn der Mond die Achse zwischen Erde und Sonne kurz vor Mittag verlässt, fluten innerhalb kurzer Zeit wieder große Mengen Solarstrom die Netze. Das Problem: Anders als bei Bewölkung oder Dämmerung kommt es je nach Wetterlage zu sehr raschen Schwankungen, die das Netz instabil machen können.
„Wenn an dem Tag die Sonne scheint, bedeutet dies eine reale Gefahr für die Netze“, sagt Prof. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin dieser Zeitung. Er hat in einer Studie berechnet, wie sich die Sonnenfinsternis auf die Energieversorgung auswirken kann. „Wenn die Solarstromproduktion bei Beginn der Sonnenfinsternis plötzlich einbricht, sinkt die Leistung um etwa zehn Gigawatt. Das entspricht etwa zehn Atomkraftwerken. Am Mittag schnellt die Leistung wieder um 18 Gigawatt in die Höhe. Das sind extreme Schwankungen.“
NRW hat ein besonders großes Problem
Da die Stromerzeuger erst einen bis zwei Tage zuvor wissen, ob der Himmel klar sein wird oder nicht, müssen sie sich auf den schlimmsten Fall vorbereiten. „Die Stromlücke muss schnell gedeckt werden“, erklärt Quaschning. „Entweder durch in Pumpspeicherkraftwerken vorgehaltene Energie, durch das Anschalten etwa von Gaskraftwerken oder durch höhere Leistung aus Kraftwerken am Netz.“ Vor allem in NRW sei das ein Problem, da hier viel Strom durch nur schlecht oder langsam regelbare Kohlekraftwerke erzeugt werde. Doch Quaschning beruhigt: Durch die richtigen Maßnahmen ließen sich die Schwankungen glätten.
Auch Prof. Christian Rehtanz, Leiter des Instituts für Energiesysteme an der TU Dortmund, sieht in der Sonnenfinsternis eine Herausforderung. „Die Erzeuger müssen dafür Sorge tragen, dass genügend Regelenergie zur Verfügung steht“, erklärt Rehtanz. Denn konventionelle Kraftwerke könne man nicht beliebig hoch- und runterfahren wie einen Automotor. „Dabei muss immer exakt so viel Energie eingespeist werden, wie verbraucht wird. Das muss in jeder Sekunde stimmen.“
Blackout ist unwahrscheinlich
Die Netzbetreiber können sich auf diese gigantischen Schwankungen nur schwer vorbereiten. Für sie ist die im Zuge der Energiewende gesetzlich vorgeschriebene Vorrangeinspeisung von grünem Strom in Deutschland ein Problem. An der Strombörse müsse das Phänomen durch viele flexible Maßnahmen ausgeglichen werden, teilten die Unternehmen mit.
Einen totalen Blackout, über den seit Tagen etwa im Internet spekuliert wird, schließen die Stromtransporteure – neben Amprion sind das Tennet, 50Hertz und TransnetBW – zwar aus. Schlimmstenfalls, sagte ein Amprion-Sprecher dieser Zeitung, müssten kurzfristig große Verbraucher, etwa Industrieunternehmen, vom Netz genommen werden. Ein Unternehmen, das es treffen könnte, ist die Essener Trimet SE. Deutschlands größte Aluminiumhütte hatte bereits mehrfach einen Stromblackout verhindern können, indem sie die extrem stromintensive Herstellung des Leichtmetalls für Stunden aussetzte.
Nach dem 20. März können Deutschlands Solar-Freunde lange Zeit durchatmen. Die nächste größere Sonnenfinsternis gibt es erst 2026.