Wien. Seit mehr als zehn Jahren hat die Welt ihre Zweifel, ob das Atomprogramm des Irans, so wie von Teheran behauptet, rein friedlichen Zwecken dient. Verhandlungen waren lange Zeit fruchtlos. Unter den neuen Verhandlungspartner Catherine Ashton und Dschawad Sarif scheint nun vieles anders.

Im November 2013 kam die Einigung auf einen Fahrplan zu einer umfassenden Lösung des Atomstreits mit dem Iran überraschend. Seit dem 20. Januar läuft die Sechs-Monats-Frist dafür und auf allen Seiten herrscht Entschlossenheit, zumindest diesen Weltkonflikt zu lösen. In den prächtigen Räumen des Palais Coburg in Wien wollen die Delegationen um EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Teherans neuen Mann Dschawad Sarif bis zum 20. Juli ihre Interessen unter einen Hut bringen.

Seit wann hat der Iran ein Atom-Programm?

Schon unter Schah Reza Pahlewi baute der Iran in den 1970er Jahren auf Atomkraft mit dem Ziel von 20 Kernkraftwerken. Die Projekte lagen unter Ajatollah Khomeini zunächst auf Eis, bevor sie neuen Schwung erhielten. Aktuell betreibt der Iran ein Atomkraftwerk und mehrere Forschungsreaktoren.

Wie kam es zu dem Atom-Streit?

Seit 2002 gibt es aufgrund von Hinweisen von Geheimdiensten und Oppositionskräften die Sorge, dass das Programm eine militärische Komponente haben könnte. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat später in einem umfassenden Bericht alle Verdachtsmomente zusammengetragen. Gegen den Iran wurden zahlreiche Sanktionen verhängt, die das Leben und die Wirtschaft erheblich beeinträchtigen.

Was ist der zentrale Knackpunkt?

Das Ausmaß und die Fähigkeit zur Uran-Anreicherung. Für eine Atombombe muss Uran auf mindestens 90 Prozent angereichert werden. Teheran hat zuletzt bisherige Bestände von auf 20 Prozent angereichertem Uran praktisch komplett abgebaut. Für den Betrieb von AKWs ist nur leicht angereichertes Uran (3,5 Prozent) nötig. Zahl und Güte der für die Anreicherung nötigen Zentrifugen - aktuell etwa 20.000 - muss geklärt werden.

Welche Rolle spielt die IAEA?

Neben den laufenden politischen Gesprächen hat die IAEA einen eigenen Auftrag, die Vertragstreue Teherans zu überwachen. Die Inspektionen sind so eng wie nie. Die IAEA arbeitet einen Katalog von Fragen ab, der sich auch auf "mögliche militärische Dimensionen" des Programms in der Vergangenheit bezieht.

Wie begründet Teheran seine Atom-Politik?

Der Iran besteht auf einer eigenen Infrastruktur zur Uran-Anreicherung und möchte nicht vom Ausland abhängig sein. Aktuell liefert Russland Brennstäbe und die Versorgungssicherheit gilt für die nächsten zehn Jahre als gesichert.

Welches zentrale Ziel verfolgt die 5+1-Gruppe?

Die technische Infrastruktur muss so zugeschnitten sein, dass der Iran bei einem Vertragsbruch möglichst lange brauchen würde, um eine Atombombe zu bauen. Je länger diese "Ausbruchszeit", desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass solche Schritte entdeckt würden - entsprechende, auch militärische, Reaktionen inklusive.

Wie ist der Widerstand Israels zu bewerten?

Israel und der Iran sind seit der iranischen Revolution 1979 Erzfeinde. Die Gespräche werden mit größter Skepsis verfolgt. Tel Aviv ist für eine harte Linie und damit für einen Komplettverzicht des Irans auf Atomkraft. Allerdings fallen die Bedenken aktuell weniger ins Gewicht. Angesichts der Krisen in Syrien und Irak wächst der Druck, den Iran als wichtige Regionalmacht einzubinden.

Wie würde ein Vertrag voraussichtlich aussehen?

Es wäre voraussichtlich eine stufen- und schrittweise Lösung. Der Iran könnte seine Uran-Anreicherung ausbauen, sobald das Vertrauen durch die Kontrollen der IAEA und die politischen Kontakte gewachsen ist. Ähnlich schrittweise würden die Sanktionen gelockert.

Müssen die Verhandlungen am 20. Juli beendet werden?

Nein. Wenn alle zustimmen, kann die Verhandlungsfrist um bis zu weitere sechs Monate verlängert werden. Allerdings signalisieren die USA, dass für sie die Frist - auch wegen innenpolitischer Gründe (Wahlen im Herbst) - sehr bedeutsam ist. (dpa)