Essen. In den USA haben Polizisten einen Graffiti-Sprayer auf der Flucht erschossen. Allerdings nicht mit einer Pistole, sondern mit einem Taser. Dabei sollen die Elektroschockpistolen für weniger Tote bei Polizeieinsätzen sorgen. In NRW und Deutschland werden die Waffen abgelehnt. Aber nicht von allen.
Zum Taser, der bekannten Elektroschockpistole, gehört auch ein hoher moralischer Anspruch. Die Firma Taser, die das Gerät herstellt, bewirbt es nicht wie eine normale Waffe. Auf der Website des Herstellers findet man keine Videos von schießenden Möchtegerncowboys, die beweisen sollen, wie leistungsfähig der Taser ist. Anstatt dessen wirbt die Startseite des Unternehmens mit einer Zahl. Sie zeigt einen Wert von etwas über 111.000 an. Darüber steht: Gesamtzahl der geretteten Menschenleben.
Alle 30 Minuten wird ein Taser abgefeuert
Die Zahl basiert auf der Annahme, dass alle 30 Minuten irgendwo auf der Welt ein Taser abgefeuert wird und so ein Menschenleben rettet. Zumindest statistisch. Deutsche Behörden sind von dem Nutzen der Waffe trotzdem alles andere als überzeugt. Schuld dürften auch die Nachrichten aus Ländern sein, in denen der Taser weniger kritisch gesehen wird.
Erst vor wenigen Tagen wurde in den USA ein Graffiti-Sprayer auf der Flucht durch den Einsatz eines Tasers getötet. Laut Amnesty International kein Einzelfall. Die Menschenrechtsorganisation geht davon aus, dass allein in den USA bisher über 500 Menschen durch Taser getötet wurden.
Nur SEKs haben in Deutschland Taser
"Man muss wissen, wie damit umzugehen ist", sagt ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. In NRW werden Taser deshalb nur von Sondereinsatzkommandos (SEK) eingesetzt. Streifenpolizisten sind nicht mit Tasern ausgestattet. Auch in den anderen 15 Bundesländern bleibt der Einsatz von Tasern vorerst auf Spezialeinheiten beschränkt.
"Es besteht immer die Möglichkeit, dass jemand eine besondere Disposition, wie etwa Herzprobleme hat. In diesem Fall ist der Einsatz eines Tasers sehr gefährlich", heißt es aus dem NRW-Innenministerium. Auch deshalb würden die Elektroschockwaffen vorerst nur bei Spezialeinheiten zum Einsatz kommen. Diese hätten deutlich eher die Möglichkeit sich über ihr Gegenüber zu informieren. Im normalen Streifeneinsatz sei das kaum möglich.
"Taser sind milder als 9-mm-Waffen"
Weniger kritisch ist die Deutsche Polizeigewerkschaft. Rainer Wendt, Vorsitzender von Deutschlands zweitgrößter Polizeigewerkschaft kann sich Taser gut in den Händen von Streifenpolizisten vorstellen: "Es gibt kaum nachgewiesene Todesfälle durch Taser. Aber viele durch 9mm-Waffen." Ihm gehe es darum "das mildeste Mittel einzusetzen." Und der Taser sei nun einmal milder als 9mm-Pistolen oder Schlagstöcke.
"Der Taser hat zuletzt eine enorme technische Entwicklung gemacht. Das ist keine einfache Strompistole." Man werde lediglich durch den Strom "bewegungsunfähig", so Wendt. Die Verletzungen durch Schlagstöcke und Schusswaffen seien schlimmer. Um Missbrauch vorzubeugen, gebe es außerdem Taser, die mit einer Videokamera ausgestattet sind. Mit denen könne jeder Einsatz aufgezeichnet werden, so Wendt. Polizisten müssten somit gut über jeden Einsatz nachdenken.
Auch Spezialeinheiten kritisieren Taser
Ohnehin würden deutsche Polizisten im Gegensatz zu manchem Kollegen in den USA sehr vorsichtig mit ihren Waffen umgehen, meint Wendt. Laut Statistik der Deutschen Hochschule für Polizei haben Polizisten in Deutschland 2011 zwar 8936 mal ihre Schusswaffe benutzt. 8821 mal waren es jedoch Einsätze gegen Tiere oder Gegenstände. Nur 36-mal wurde direkt auf Personen geschossen.
Doch mit seiner Begeisterung für Taser steht Wendt selbst unter Polizeigewerkschaftern ziemlich allein da. Denn auch Deutschlands größte Polizeigewerkschaft, die Gewerkschaft der Polizei, steht Tasern kritisch gegenüber. "Auch wenn die Zahlen von Amnesty International vielleicht etwas hoch greifen. In den letzten Jahren sind mindestens 250 Menschen durch Taser gestorben", meint Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der GdP.
Schon ein Ledergürtel kann vor Tasern schützen
Auch bei den Spezialeinheiten die bereits Taser benutzen, sei die Waffe nicht besonders beliebt: "Wenn die SEKs Taser einsetzen, planen sie immer bereits für den Einsatz der Schusswaffe. Der Taser erzielt oft einfach nicht die gewünschte Wirkung." Laut Plickert reagieren Betrunkene oder Menschen die unter Drogen stehen, kaum auf Taser.
"Und wenn sie einen Ledergürtel treffen, zeigt der Taser auch kaum Wirkung", sagt Plickert. Die Waffe biete eine trügerische Sicherheit. Diese These wird von Zahlen der Berliner Polizei bestätigt. Die dortigen SEKs setzten zwischen 2001 und 2012 insgesamt 18-mal ihre Taser ein. Bei sieben Einsätzen jedoch ohne Erfolg. Grund waren laut einer Stellungnahme der Berliner Polizei "technische Defekte, Fehlschüsse oder zu dicke Kleidung."
Berlins Innensenator will Taser
Da ist es schon etwas verwunderlich, dass ausgerechnet Berlins-Innensenator Frank Henkel (CDU) im Moment einer der wenigen Spitzenpolitiker ist, die Taser für Streifenpolizisten fordern. Nachdem ein Berliner Polizist in einer umstrittenen Aktion einen Mann erschoss, forderte Henkel in der B.Z. den Einsatz von Tasern. Er sei "trotz Risiken ein vergleichsweise mildes Mittel."
Von solchen Aussagen ist das Innenministerium in NRW weit entfernt. Taser bleiben hier wohl vorerst auf den Einsatz bei Spezialkräften beschränkt. "Sie sind bei uns kein Thema", so ein Sprecher.