London. Das Pint Bier wird zwar um einen Penny billiger, doch diese Nachricht bleibt für Briten vorerst der einzige Grund zum Jubeln. Nach den tiefsten Einschnitten seit über 30 Jahren hat Schatzkanzler George Osborne gestern ein weiteres Schrumpfbudget für die Insel vorgestellt.

„Budget Day“ ist für Briten das Anti-Weihnachten: Jedes Jahr im März tritt der Schatzkanzler ans Pult im Unterhaus, um aus einem zerbeulten, rostroten Aktenkoffer ein Sammelsurium an fiskalpolitischen Maßnahmen fürs kommende Jahr zu zaubern.

In der einstündigen Rede ist für jeden etwas dabei – nur ob es ein Steuergeschenk oder der Jobverlust ist, bleibt eine Überraschung bis zum Ende. Kein Wunder, dass die Vorfreude auf diesen Termin seit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 einen deutlichen Dämpfer erlitten hat.

Schatzkanzler George Osborne während seiner Rede im House of Commons. Bild: reuters
Schatzkanzler George Osborne während seiner Rede im House of Commons. Bild: reuters © Unbekannt | Unbekannt

Auch gestern konnte George Osborne nur Hiobsbotschaften unter dem Zuckerguss einiger positiver Schlagzeilen verkünden. Die Wachstumsprognosen für das Land muss er halbieren: Statt 1,2 Prozent wird die britische Wirtschaft wohl nur um 0,6 Prozent wachsen. Weil dieser dringend benötigte Schub ausbleibt, steigt die Staatsverschuldung erneut um rund sechs Milliarden Euro auf insgesamt 146 Milliarden Euro.

Bis zum Jahr 2017 beträgt das Defizit in Großbritannien 85,6 Prozent des Bruttosozialproduktes. Der Sparkurs soll trotz fehlender Impulse für die Wirtschaft fortgesetzt werden: „Ich bin mir absolut sicher, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben, auch wenn sich Erfolge nicht über Nacht einstellen. Es ist ein schwerer Weg, aber es gibt keinen anderen“, so Osborne.

Jeder vierte Händler ist von Insolvenz bedroht

Erst im Februar hat Großbritannien sein positives AAA-Rating, Siegel ökonomischer Glaubwürdigkeit und von Osborne selbst gesetztes Gradmesser für den Erfolg seiner wirtschaftlichen Wiederbelebungsversuche, verloren. Zwar versuchen die Konservativen unter Hochdruck, in Nordengland wieder Handwerk und fertigende Industrie anzusiedeln, um sich von der Dominanz des Londoner Bankensektors zu emanzipieren.

Doch in der Zwischenzeit ist auch der Einzelhandel, zweiter Hauptmotor Großbritanniens, drastisch geschrumpft. Jeder vierte Händler ist wegen der schwachen Binnennachfrage von der Insolvenz bedroht.

Kritiker argumentieren, dass der radikale Sparkurs der strauchelnden Wirtschaft inzwischen mehr schadet als nutzt. „Wir riskieren eine verlorene Dekade für Großbritannien mit wenig Wachstum“, so Jim O’Neill, obersten Vermögensverwalter der Investmentbank Goldman Sachs, gegenüber der BBC. Die Labour-Opposition spottete, dass Schatzkanzler Osborne „am Steuer eingeschlafen“ sei.

Jahreseinkommen unter 13.000 Euro werden steuerfrei

Um für Briten zumindest steigende Ausgaben abzuwenden, kündigte Osborne an, geplante Steuererhöhungen auf Kraftstoff zu verschieben. Für Jahreseinkommen unter 13.000 Euro fallen gar keine Abgaben mehr an. Und während Hochprozentiges besteuert wird, soll Bier in Pubs ab Samstag um ein Pence günstiger werden.

Wirklich Grund zur Freude haben indes nur die Makler: Osborne hat Erstkäufern von Neubau-Immobilien günstige und teilweise zinsfreie Staatskredite versprochen, damit sie das mittlerweile auch in Großbritannien notwendige Eigenkapital aufbringen können. Dafür müssen sämtliche Ministerien mit Ausnahme von Gesundheits- und Bildungswesen weitere 13,5 Milliarden Euro Sparpotenzial auftreiben.

Wie schwierig das sein dürfte, haben kreative Pfennigfuchser in Westminster schon letztes Jahr zu Spüren bekommen: Von der Besteuerung von Bratwürsten und warmen Fleischpasteten über Wohnwagen und Witwenrenten reichten die Vorschläge. Nach zahlreichen Protesten der Briten ist nun lediglich eine Besteuerung von Wohnungen durchgesetzt worden, in denen es mehr Schlafzimmer als Bewohner gibt.