US-Präsident Barack Obama war einmal ein Hoffnungsträger. Er hat die hohen Erwartungen, die er auch selbst geschürt hat, nicht erfüllt. Persönliche Anmerkungen eines Enttäuschten.
Dear Mr. President,
2008 war ich traurig, dass ich nicht bei Ihrer Rede vor der Berliner Siegessäule dabei sein konnte. Ich hatte das Gefühl, einen historischen Moment verpasst zu haben. Ich hätte gerne mitgejubelt, weil ich dachte, dass da ein Mann redet, der das Zeug hat, die USA, ja, vielleicht sogar die ganze Welt, besser zu machen. Heute bin ich froh, dass nur Ehrengäste bei Ihrer Rede vor dem Brandenburger Tor geladen sind. Ich hätte sonst da sein müssen, um meine Wut und meine Enttäuschung hinauszuschreien.
Mr. President,
Sie haben damals an der Siegessäule gesagt: „Die Straße vor uns wird lang sein. Aber ich stehe vor Ihnen, um Ihnen zu sagen, dass wir die Erben eines Freiheitskampfes sind. Wir sind Menschen mit unwahrscheinlicher Hoffnung. Lasst uns mit einem Blick auf die Zukunft, mit Zuversicht in unseren Herzen uns an diese Geschichte erinnern, dem Schicksal antworten und die Welt wieder erneuern.“
Mr. President,
bei Ihrem Amtsantritt 2009 sagten Sie: „Was nun von uns verlangt wird, ist eine neue Ära der Verantwortung“. Sie haben in den vergangenen Jahren so Vieles gesagt. Sie haben kaum etwas davon gehalten – im Gegenteil. Sie regieren ein Land, in dem die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Sie regieren ein Land, in dem in Relation zur Einwohnerzahl mehr Menschen hinter Gittern sitzen, als in irgendeinem anderen Land; in dem vor allem schwarze junge Männer in teuren, neuen High-Tech-Knästen weggesperrt werden, nachdem ihnen in maroden, heruntergekommenen Highschools Bildung und damit Zukunft verwehrt wurde. Sie regieren ein Land, in dem täglich über 80 Menschen erschossen werden, weil die gewissenlosen Gewaltfetischisten der NRA immer wieder schärfere Waffengesetze verhindern können.
Mr. President,
in Ihrer Amtszeit ist der Drohnenkrieg ausgeweitet worden. Sie geben grünes Licht für völkerrechtswidrige Angriffe in fremden Ländern, bei denen Sie auch eigene Staatsbürger ohne jedes rechtstaatliche Verfahren exekutieren lassen – und Sie nehmen es dabei billigend in Kauf, dass bei diesen Aktionen Unschuldige sterben. Sie lassen es zu, dass in Guantanamo Menschen für immer ohne jede Anklage, ohne Prozess eingesperrt sein werden. Mit der abenteuerlichen, kafkaesken Begründung, dass diese Leute zu gefährlich seien, um frei gelassen zu werden, dass Ihnen aber nicht der Prozess gemacht werden könne, weil Ihre Geständnisse unter Folter gemacht wurden und somit wertlos seien. Sie haben kein Problem damit, dass Ihre Geheimdienste aus dem Internet einen Überwachungsapparat gemacht haben, den sich George Orwell in seinen kühnsten Albträumen nicht hätte ausdenken können. Sie haben die Menschen im Irak allein gelassen und werden das mit den Menschen in Afghanistan auch tun – beide Länder wurden mit Krieg überzogen, in beiden Ländern wurde nichts wirklich Zielführendes für eine friedliche Zukunft getan. In den fünf Jahren, in denen Sie jetzt im Amt sind, ist die internationale Klimapolitik nahezu völlig von der Agenda verschwunden. In Ihrer Amtszeit ist trotz aller Exzesse herzlich wenig geschehen, um die Finanzmärkte endlich wirksam zu regulieren.
Mr. President,
es ist sicherlich nicht einfach, ein Hoffnungsträger zu sein. Sie hätte aber wenigstens irgendetwas tun können, um den Erwartungen an Sie gerecht zu werden. Sie haben sie schließlich selbst geschürt, damals, an der Siegessäule in Berlin.