Berlin.. In einer Dachkammer des Bundestags bereitet Ex-Präsident Christian Wulff die Rückkehr aufs Hauptstadt-Parkett vor – doch die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen ihn, prüft jetzt sogar neue Vorwürfe.

Die Dachkammern in einem Berliner Altbau sind nicht gerade ein repräsentativer Platz für ein ehemaliges Staatsoberhaupt. Drei kleine, niedrige Zimmer am Ende eines Bundestags-Bürotrakts, selbst für Eingeweihte kaum zu finden, 40 Quadratmeter, Fenster zum Hof: Hier residiert seit einigen Wochen Christian Wulff, Bundespräsident a.D., mit einer Büroleiterin und einer Sekretärin.

Kein Vergleich zu den Repräsentanzen seiner Vorgänger, die wie Richard von Weizsäcker oder Horst Köhler an feinen Berliner Adressen Hof halten. Doch für Wulff ist das Kabuff, das ihm der Bundestag vorübergehend zur Verfügung stellt, ein Ort großer Hoffnung: Von hier aus arbeitet der Ex-Präsident an einem Neuanfang – gut fünf Monate nach seinem Rücktritt sucht Wulff den Weg zurück aufs Hauptstadt-Parkett.

Kürzlich zeigte sich der 53-Jährige bei einer Gedenkfeier zum gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli erstmals wieder in der Öffentlichkeit in Berlin. Abgemagert, das Haar leicht ergraut, das Gesicht schmal mit tiefen Falten, so saß er in der Reihe der Ehrengäste. Sein Sturz scheint Spuren hinterlassen zu haben; zwölf Kilo soll er durch den Affären-Stress abgenommen haben.

Neu gestylt mit modischer Brille

Doch ganz so schlimm steht es um Wulff wohl nicht. In Hannover bewegt er sich seit längerer Zeit mit Ehefrau Bettina wieder ganz normal im Leben, gemeinsam und heiter lassen sie sich auf der Pferderennbahn oder im Stadion bei Hannover 96 sehen, er neu gestylt mit modischer Brille.

Es sei jetzt „Zeit für einen neuen Lebensabschnitt“, sagt Bettina Wulff (38). Sie ist damit schon ziemlich weit: Immer mal wieder steht sie im Rampenlicht, zuletzt bei einer Karrierefrauen-Konferenz in München. Seit einigen Wochen arbeitet die ehemalige First Lady als „Sonderbotschafterin“ der südniedersächsischen Orthopädie-Firma Otto Bock (Duderstadt) für die Paralympischen Sommerspiele in London Ende August. Wulff tastet sich vorsichtiger zurück in sein früheres Leben. Einladungen zu offiziellen Empfängen lehnt er noch ab, die Mitgliedschaft in der CDU ruht. Aber in Berlin trifft er jetzt gezielt Gesprächspartner vorwiegend aus dem Ausland: Diplomaten, aber auch den tschechischen Präsidenten Václav Klaus. Für einen Topjob in der Wirtschaft ist es wohl zu früh, dafür lässt er sondieren, ob es auf internationaler Ebene eine ehrenamtliche Aufgabe im EU-Auftrag gibt – mit dem Ehrensold von jährlich 200 000 Euro ist Wulff gut versorgt.

Ob der Neuanfang so schnell gelingt, hängt vom Ausgang der Ermittlungen ab. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft in Hannover wegen des Verdachts der Vorteilsnahme läuft noch; es geht vor allem um die Beziehungen zum Filmunternehmer David Groenewold.

Urlaub im Ferienhaus

Berichte, die Staatsanwälte sähen inzwischen keinen hinreichenden Tatverdacht gegen Wulff, weist die Justizbehörde zurück. Stattdessen droht Wulff eine Ausweitung der Ermittlungen: Als Ministerpräsident hatte er im Bundesrat auf Drängen eines Versicherungsunternehmens ein Gesetz zulasten der Branche abgelehnt, obwohl sein Kabinett zuvor Zustimmung beschlossen hatte.

Weil er wenig später Urlaub im Ferienhaus eines Versicherungsmanagers machte, schwelt auch hier der Verdacht der Vorteilsnahme. Die Justiz prüft derzeit, ob auch wegen der neuen Vorwürfe ermittelt wird, Klarheit besteht nächste Woche, sagte Staatsanwalt Oliver Eisenhauer unserer Zeitung. Im September oder Oktober sollen die Ermittlungen abgeschlossen sein. Dann hat Wulff Klarheit, ob es zur Anklage, einem Strafbefehl oder zur Einstellung des Verfahrens kommt.

Je länger die Affäre zurückliegt, desto gnädiger zeigen sich zumindest die Haushälter der Unionsfraktion; sie wollen bei den Haushaltsberatungen im Herbst dafür sorgen, dass Christian Wulff jetzt großzügiger untergebracht wird. Eine Hürde für das Comeback wird der Ex-Präsident freilich so schnell nicht überwinden: Nur 45 Prozent der Deutschen sind laut Emnid-Umfrage dafür, dass Wulff wieder in der Öffentlichkeit auftritt – eine knappe Mehrheit wünscht sich weiter Zurückhaltung.