Paris..
Franzosen sind bekannt dafür, Meister der Inszenierung zu sein. Wenn der Staatschef zum Live-Interview in den Palast bittet, ist schon die Choreographie eine Botschaft. Und die lautet: Seht her, wir sind jetzt bescheiden.
Franzosen sind bekannt dafür, wahre Meister der feinen Inszenierung zu sein. Das trifft erst recht zu auf die ausgekochten PR-Profis im Elysée. Wenn der Staatschef zum exklusiven Live-Interview in den Palast bittet, ist allein schon die Choreografie eine Botschaft.
Und die lautet: Seht her, wir sind jetzt sparsam und bescheiden. Der Präsident und der Journalist sitzen sich an diesem lauen Pariser Juliabend draußen auf der Terrasse gegenüber. Ein schlichter Tisch, zwei Stühle, die Trikolore und Europas blaues Sternenbanner im Hintergrund, sonst gar nichts. Keine kristallschweren Kronleuchter, keine verschwenderischen Empire-Salons. Der Hausherr des Elysée, blauer, dezent-gestreifter Anzug, blaue Krawatte und mit auffallend viel Silber im braunen Haar, übt sich in demonstrativer Bescheidenheit und Demut. Letzte Woche stand ihm das Wasser noch gefährlich bis zum Hals, am Ende des Interviews hat er sich trotz vieler offener Fragen etwas Luft verschafft. Ein Punktsieg. Immerhin.
Miserables Ansehen
Es sind die nervösen Parteifreunde, die den widerwilligen Präsidenten seit Tagen gedrängt haben, endlich zum erlösenden Befreiungsschlag auszuholen. Schon bald vier Wochen verdunkeln Affären, Anschuldigungen und Fehltritte von Ministern das ohnehin schon miserable Ansehen von Nicolas Sarkozy.
Und so strengt er sich an, noch einmal das alte Kampfross zu geben – so wie im erfolgreichen Wahlkampf 2007. Sarko greift an und skizziert sich als bemitleidenswertes Opfer schlimmer Verleumdungen. Schon bei der Clearstream-Affäre sei er zu Unrecht beschuldigt worden. Dann hätten sie ihm die zerrüttete Ehe mit Carla Bruni angedichtet. „Das hat mich verletzt“, sagt er. Und will dem Publikum weismachen, er sei das Ziel einer finsteren Verschwörung. Angesichts der ernsten Probleme in Frankreich sei dies alles „reine Zeitverschwendung“, fügt er klagend hinzu.
Nicolas Sarkozy tut in der Sache genau das, was zu erwarten war. Er verteidigt seinen Arbeitsminister Eric Woerth, der am heftigsten in der Schusslinie steht. „Ein zutiefst ehrenwerter Mann, er hat mein volles Vertrauen“, sagt er über den Mann, der nach Aussagen der früheren Bettencourt-Buchhalterin Claire Thibout vor drei Jahren als UMP-Schatzmeister eine illegale Wahlkampfspende über 150.000 Euro in bar von der L’Oréal-Erbin angenommen haben soll. Ein pikantes Detail in einer ausufernden Affäre, die erst am Montag zu sechs Hausdurchsuchungen führte, unter anderem bei Liliane Bettencourt (87) und ihrem mit einer Milliarde Euro beschenkten Freund Francois-Marie Banier (62).
Fragende dient lediglich als artiger Stichwortgeber
Und was sagt der Präsident zu der 150.000-Euro-Schwarzgeld-Affäre? Zu Steuerhinterziehung und Interessenkonflikten? Dazu, dass Woerth als Budgetminister noch bis zum Frühjahr Steuersünder jagte, aber gleichzeitig als UMP-Schatzmeister die Hand aufhalten musste? Dass seine Ehefrau Florence jahrelang das Vermögen der Bettencourts verwaltete? Nichts.
Braucht er auch nicht. Denn David Pujadas, populärer Moderator des Staatssenders „France 2“, hakt gar nicht nach. Wahrscheinlich hat er Angst, seinen Kopf zu riskieren, sollte er sich erdreisten, dieses Gespräch in ein Verhör umzuwandeln. In „Sarkoland“ beherrscht der Präsident die Medien, nicht umgekehrt. So dient der Fragende lediglich als artiger Stichwortgeber. Nicht auszuschließen, dass die Dramaturgen des Elysée sogar bei der Formulierung der einen oder anderen Frage behilflich waren.
In Wirklichkeit entwickeln sich die vorab zu einem Straßenfeger hochstilisierten 65 Minuten zu einer langweiligen Rede an die Nation. Die Rentenreform (Arbeiten bis 62 statt 60) werde er durchziehen, er preist in höchsten Tönen das „Modell Deutschland“ und ruft die Franzosen auf, ebenfalls den Gürtel enger zu schnallen. Ein Rundumschlag, in dem auch die „Equipe Tricolore“ ihr Fett abbekommt. Ihr Auftreten bei der WM in Südafrika sei „desaströs“ gewesen, empört sich der Präsident.
Apropos Inszenierung: Am Dienstagmorgen legt Eric Woerth sein Amt als UMP-Schatzmeister nieder – ganz so, wie zwölf Stunden zuvor von Nicolas Sarkozy empfohlen.