Athen. Antonis Samaras, Chef der Konservativen in Griechenland, hat einen Tag nach dem Wahldebakel der beiden bisher regierenden Parteien seine Sondierungsgespräche bereits für gescheitert erklärt. Samaras war mit der Regierungsbildung beauftragt worden; er gab sein Mandat zurück.
Griechenland drohen nach dem Einbruch der bislang dominierenden Parteien bei der
Parlamentswahl Wochen politischer Unsicherheit. Der konservative Parteichef
Antonis Samaras gab am Montagabend den nur wenige Stunden zuvor erteilten
Auftrag zur Regierungsbildung zurück, nachdem die zweitstärkste Partei, das
Radikale Linksbündnis Syriza, eine Koalition ablehnte. Die vom Wähler zur
drittstärksten Kraft degradierten Sozialisten stimmten zwar einem
Regierungsbündnis zu, mit der PASOK als einzigem Partner fehlen Samaras Neuer
Demokratie aber zwei Sitze zur Mehrheit im Parlament.
Samaras sagte am Abend, es sei ihm mit seiner Neuen Demokratie nicht
möglich, eine Koalitionsregierung zu bilden. Damit schien es bereits einen Tag
nach der Wahl fraglich, ob es in Griechenland bis zum 17. Mai eine neue
Regierung geben wird. Verstreicht dieser Termin, muss Mitte Juni erneut gewählt
werden. Zunächst bekommt nun der Chef des Radikalen Linksbündnisses Syriza,
Alexis Tsipras, drei Tage Zeit, eine Regierung zu bilden. Danach ginge der
Auftrag an die PASOK.
Parteien vom linken und rechten Spektrum lehnen die harte Sparpolitik ab
Die neben ND und PASOK am Sonntag ins Parlament gewählten fünf
Parteien vom linken und rechten Spektrum lehnen die harte Sparpolitik ab, die
Voraussetzung weiterer Kredittranchen von EU und Internationalem Währungsfonds
(IWF) zur Abwendung des Staatsbankrotts sind. Samaras traf am Montagnachmittag
mit dem Führer der zweitstärksten Partei, dem Radikalen Linksbündnis Syriza,
zusammen. Alexis Tsipras lehnte es - erwartungsgemäß - ab, ein Regierungsbündnis
mit der ND einzugehen. Anschließend traf er mit PASOK-Chef Evangelos Venizelos
zusammen, der sich zu einer Koalition bereit erklärte.
Allerdings sagte Venizelos, einer Regierung der nationalen Einheit
müssten Syriza und mindestens eine weitere Partei angehören. "Das Mindestmaß an
Übereinstimmung ist, das Griechenland im Euro-Raum bleibt."
Merke: Athen muss die getroffenen
Vereinbarungen einhalten
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, Athen müsse die getroffenen
Vereinbarungen einhalten. Auch die EU-Kommission pochte angesichts der
politischen Unsicherheit auf ein griechisches Bekenntnis zu den vereinbarten
Reformen. "Die Kommission erwartet, dass die künftige Regierung sich an die
getroffenen Absprachen hält", sagte eine Sprecherin in Brüssel.
Samaras sagte zur Lage, er verstehe "die Wut der Leute". "Unsere
Partei wird aber Griechenland nicht unregiert lassen", sagte er, bevor er am
Abend erst einmal das Handtuch warf. Die ND wurde nach fast vollständiger
Auszählung mit 18,9 Prozent stärkste Partei und stellt damit 108 Abgeordnete in
dem Parlament mit 300 Sitzen. Die PASOK stürzte von 43 Prozent 2009 auf 13,2
Prozent ab; von den bisherigen 160 Sitzen bleiben ihr nur 41 übrig. Überholt
wurde sie vom Radikalen Linksbündnis Syriza, das auf 16,76 Prozent kam und 52
Mandate erhält.
Insgesamt übersprangen sieben Parteien die Dreiprozenthürde, darunter
die rechtsextreme Chrysi Avgi, die Einwanderung mit der Verminung der
Landesgrenze stoppen will. Sie stieg von 0,29 auf sieben Prozent und hat damit
21 Sitze im neuen Parlament.
Analyst: "Europa kann ohne Griechenland leben"
In diesen Tagen und Wochen muss Griechenland die Troika aus EU,
Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) von
der weiteren Erfüllung massiver Sparauflagen überzeugen, um die nächste
Rettungsschirm-Tranche von 14,5 Milliarden Euro für 2013 und 2014 sicher zu
stellen.
Die Finanzmärkte in Europa reagierten nervös auf das griechische
Wahlergebnis, die Kurse gaben nach. Die Athener Börse verzeichnete am Nachmittag
sogar einen Verlust von 6,6 Prozent.
Der Analyst Vangelis Agapitos sagte, eine längere Instabilität würde
die griechische Euro-Mitgliedschaft gefährden. "Europa kann ohne Griechenland
leben, aber ich denke nicht, dass Griechenland ohne Europa leben kann", sagte
er. Die Zeitung "Ta Nea" titelte: "Ein Albtraum ohne Regierung, mit einer
Neuwahl im Hintergrund."
PASOK-Sprecherin Fofi Gennimata räumte eine "sehr große Niederlage"
für ihre Partei ein, für die Venizelos die vergangenen neun Monate
Finanzminister war. "Die Bürger haben uns eine sehr klare Botschaft geschickt,
dass sie die (Spar-) Politik nicht fortgesetzt haben wollen." Die
Wahlbeteiligung am Sonntag betrug 65 Prozent - wenig für ein Land, in dem
offiziell Wahlpflicht herrscht. (dapd)