Düsseldorf..
Rund 500 Scientologen gibt es an Rhein und Ruhr - zwar sinkt die Mitgliederzahl leicht, doch die Gefährdung durch die Sekte und ihre Expansionsgelüste sind ungebrochen. Zu diesem Schluss kommt der Verfassungsschutz. Aus Sicht von Behördenchef Burkhard Freier „schränkt die Ideologie von Scientology wesentliche Grund- und Menschenrechte ein“. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die „totalitäre“ Organisation in NRW weiter beobachtet wird. Dagegen will das zuständige Bundesamt die Überwachung „auf ein Minimum“ reduzieren.
Während dort überlegt wird, personell den Fokus stärker auf gewaltbereiten Extremismus und Spionageabwehr zu richten, verwies Freier gestern im Landtag auf „verfassungsfeindliche“ Bestrebungen. Scientology versuche „gezielt“ die Beeinflussung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Fachleute warnen davor, sie aus dem Visier der Verfassungsschützer zu nehmen. „Die werden dann hier wieder mobil machen“, befürchtet etwa das Sekten-Info NRW in Essen.
„Scientology macht ihre Mitglieder psychisch abhängig und treibt viele durch enorme Geldforderungen für immer neue dubiose Kurse in den finanziellen Ruin“, sagt Freier. Da eigennützige Ziele „verschleiert“ würden, seien dafür vor allem Menschen anfällig, die in einer schwierigen persönlichen Situation stecken. Auffällig sei seit Ende Dezember, dass Scientologen neu motiviert würden, die Niederlassungen in Düsseldorf zu besuchen und Kurse zu absolvieren.
Zahl der gewaltbereitenNeonazis ist gestiegen
Während Scientology die Beobachtung durch den Verfassungsschutz für überflüssig hält, entdecken Freiers Experten neuerdings Angebote für kostenlose Online-Kurse. Mit scheinbar anonymen E-Mail-Kontakten zu der Organisation „soll es Erziehungsberechtigen schwerer gemacht werden, Einfluss zu nehmen“, hieß es gestern. Über Videos, die Jugendliche ködern sollen und unter Tarnnamen verbreitet würden, verschaffe sich Scientology unentdeckt Zugang ins Kinderzimmer.
Zunehmend habe die Organisation, die bundesweit 3500 bis 4500 Mitglieder zählt, ihre Kampagnen aus Fußgängerzonen in die sozialen Netzwerke verlegt. Bei YouTube, Twitter oder Facebook sei sie immer präsenter. Aber auch „unter dem Deckmantel“ vermeintlich positiver Initiativen wie „Sag nein zu Drogen, sag ja zum Leben“ mit professionellem Internet-Auftritt würden junge Leute umworben.
Wer sich mit den Zielen von Scientology identifiziere, so Freier, schotte sich nach und nach gegen sein vertrautes soziales Umfeld ab. In NRW steht die Organisation seit 1997 im Blickfeld der Verfassungsschützer – was aus Sicht des „Sekten-Info“ auch einen Schutz für Aussteiger darstellt. Gelenkt werde Scientology aus den USA, wo die steuerbefreite Religionsgemeinschaft über „immense Geldreserven“ verfüge.
Im Parlamentarischen Kontrollgremium des Landtags, das nach der Reform des Verfassungsschutzgesetzes in NRW zum zweiten Mal öffentlich tagte, bezog Freier außerdem Stellung zur aktuellen Sicherheitslage. „Die Radikalisierung schreitet gerade im digitalen Zeitalter schneller voran“, sagte er. Schwerpunkt der Beobachtung seiner Behörde seien der Rechtsextremismus und Salafismus.
Zwar ging die Zahl der Rechtsextremisten in NRW seit 2001 von 5280 auf 3660 ähnlich dem bundesweiten Trend zurück, gleichzeitig stieg aber der Anteil gewaltbereiter Neonazis von 270 auf 640. Die Partei „Die Rechte“ als Sammelbecken verbotener Neonazi-Kameradschaften zählt im Bund 500 und in NRW 260 Mitglieder in neun Kreisverbänden. Bundesweit gibt es sieben Landesverbände, der letzte wurde soeben in Rheinland-Pfalz gegründet. Das linke Spektrum rekrutiert sich laut Freier aus 780 gewaltorientierten Extremisten und Autonomen.