Essen/Rom. Die Erwartungen an den neuen Papst sind groß, die zu lösenden Probleme riesig: Ist das Zölibat noch zukunftsfähig? Sollen Frauen Priesterinnen werden dürfen? Wie geht die Aufklärung der Missbrauchsskandale weiter? Zu viel Arbeit für einen Menschen, fürchten die Vatikankritiker von “Wir sind Kirche“.
Die vatikankritische Organisation "Wir sind Kirche" gratuliert Papst Franziskus zu seiner Wahl, doch die Gratulation verblasst in Anbetracht der Liste von Forderungen, die damit verknüpft sind: Transparente Entscheidungsprozesse im Vatikan, mehr Rechte für die Ortskirchen und die vollständige Aufklärung der Missbrauchskandale sind nur einige der Punkte, die die Kirchenkritiker dem neuen Papst auf die Tagesordnung gesetzt haben.
"Das Pontifikat von Benedikt XVI. hat gezeigt, dass das zentralistische System nicht mehr funktioniert", sagt Christian Weisner, Sprecher von "Wir sind Kirche". Die Kirche habe schwerwiegende Probleme, die unter Benedikt nicht angegangen worden seien, weil sich der deutsche Papst auf das Theologische zurückgezogen habe, sagt Weisner. Als Beispiele nennt er das Zölibat, die Missbrauchsskandale und die Priesterweihe von Frauen.
"Der neue Papst muss zuhören können"
Ob Papst Franziskus der richtige Mann ist, um die notwendigen Reformen in der Kirche anzustoßen, da mag sich Weisner noch nicht festlegen. "Es ist schon einmal gut, dass ein Kardinal Papst wird, der nicht aus der Kurie, sondern sogar von einem anderen Kontinent kommt", sagt er. Zudem wecke der Name, den das neue Kirchenoberhaupt gewählt habe, Hoffnungen. Schließlich habe Namenspate Franz von Assisi die Kirche neu aufgebaut. "Einen solchen Kulturwandel brauchen wir jetzt wieder."
Allein seien diese Aufgaben allerdings kaum zu bewältigen, mahnt der Vatikan-Kritiker. Er rät dem neuen Papst deshalb, mehr Verantwortung an seine Kardinäle zu übertragen. Zudem erinnert er an eine zentrale Forderung aus dem zweiten vatikanischen Konzil, das schon knapp 50 Jahre zurückliegt: mehr Dialogbereitschaft. Die hat er bei Papst Benedikt XVI. vermisst und hofft deshalb jetzt auf Franziskus. Weisner bringt es auf den Punkt ."Die wichtigste Frage ist: Kann Papst Franziskus zuhören?"
Ist Jorge Mario Bergoglio die richtige Wahl? – Das sagen unsere Leser
Nachdem der neue Papst nun feststeht, fragen sich unsere Leser, ob das neue Oberhaupt der Katholiken die richtige Wahl war. Auch wenn es nicht der erhoffte große Wurf ist, freut sich Meisterallerkreisklassen über den neuen Papst: „Ein Papst aus Lateinamerika ist mal was Neues, obwohl ich mir einen afrikanischen Papa gewünscht hätte. Das wäre dann ein richtiger Schritt in Richtung Zukunft gewesen. Vielleicht bringt der neue fromme Mann ja eine neue Sichtweise ins katholische Establishment und schafft es, dass sich die Kirche und die Gläubigen wieder näher kommen.“
Unsere Nutzer waren verblüfft, als der neue Papst bereits nach fünf Wahlgängen ausgerufen wurde, denn viele hatten insgeheim „mit einer tagelangen und unwürdigen Hängepartie“ gerechnet. Bei aller Freude über den neuen obersten Hirten der Katholiken, viel Reformwillen erwarten unsere Nutzer nicht von Papst Franziskus. „Der Papst ist ein erzkonservativer Kleriker, der bis jetzt wohl noch nicht durch progressive Statements aufgefallen ist“, merkt Kummiguru an. Der neue Papst werde kaum an zentralen Dogmen rütteln und deswegen werde sich laut Kummiguru an der eigentlichen Haltung im Vatikan nicht viel ändern.
Der neue Papst ist zu alt
Viele Leser hätten sich einen jüngeren und reformierfreudigeren Papst gewünscht. Der User notarius schreibt in diesem Sinne: „Ich wage zu bezweifeln, ob die Kirche sich mit der Wahl eines 77-Jährigen einen Gefallen getan hat.“ Seiner Meinung nach habe man eine Chance zu Reformen mit der Wahl des Kardinals aus Argentinien vertan. Dennoch wünscht notarius dem „neuen Papst alles Gute und stets ein glückliches Händchen in Amtsfragen.“ Der Nutzer engelstrompete bleibt dagegen skeptisch und ist enttäuscht, dass nun wieder ein alter Mann ist die Geschicke der Kirche lenken soll.
Der Nutzer Formeleins stellt sich indes die Frage, warum das Konklave keine Altersgrenze eingeführt hat, denn so könne man sicherstellen, dass ein jüngerer Papst gewählt würde. Der Nutzer EhemaligerMendener ist hingegen tief enttäuscht über das Ergebnis der Papstwahl. Die Kirche habe es seiner Ansicht nach erneut versäumt, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Diese Bürde erneut einem Alten Mann aufzuladen empfindet er als ungerecht. Auch der User saarnerjung schließt sich diesem Argument an: „Das ist keine Wahl für die junge Generation und wird meiner Meinung nach nicht den erhofften Befreiungsschlag für die Kirche bringen.“
Rundfunkbeiträge werden verschwendet
Wieder andere Leser interessieren sich gar nicht für die Wahl oder den neuen Papst, sondern üben massive Kritik an der Einseitigkeit der Berichterstattung der Medien. Onkelcricri schreibt dazu: „Viel schlimmer finde ich, dass mit meiner GEZ- Zwangsabgabe so unwirtschaftlich umgegangen wird!“ Dieser User fragt sich weshalb ARD und ZDF zeitgleich über die Papstwahl berichten und fügt folgenden Vergleich an: „Klar haben die öffentlich-rechtlichen Sender einen Auftrag, aber bei anderen Großveranstaltungen wechseln sich die Kollegen sich doch auch ab.“ Dieser Meinung ist auch der User mar.go und prangert die vermeintliche Geldverschwendung an. Alle Zuschauer, die sich nicht für Katholizismus oder Kirche interessieren, hätten zwangsweise in die Röhre geschaut.