Jerusalem/Essen.. Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar Assad ist nicht nur für das Weiße Haus in Washington nur eine Frage der Zeit. Assads alte Verbündete und Gegner bereiten sich vor auf die Zeit danach. Jenseits der Grenzen wächst die Sorge vor dem Chaos.

Präsident Baschar Assad setzt in Syrien auf mehr Gewalt. Doch inzwischen glaubt niemand mehr, dass er dem Aufstand dauerhaft widerstehen kann. „Assads Sturz ist unabwendbar“, sagte Jim Carney, der Sprecher des Weißen Hauses. Und der türkische Präsident Abdullah Gül, ehemals ein enger ­Verbündeter von Machthaber ­Assad, meint: „Syrien befindet sich inmitten einer unabwendbaren Entwicklung. Das Ende ist klar. Jetzt kommt es nur noch darauf an, wie lange es dauert und wie viel Schmerz dabei verursacht wird.“

Doch was wird aus Syrien nach Assad? Selbst bei Syriens Gegnern ist keine Genug­tuung oder Schadenfreude zu spüren.

Israel sorgt sich, dass das strenge Regime des Diktators im Vielvölkerstaat Syrien durch Chaos und Bürgerkrieg ersetzt werden könnte. Es ist völlig unklar, ob das Land ­unregierbar wird und zerfällt. Oder ob die sunnitischen ­Muslimbrüder stark genug sind, Syrien zu kontrollieren.

Israel bereitet sich auf Flüchtlinge vor

Tausende Flüchtlinge haben bereits im türkischen Grenz­gebiet Zuflucht gesucht. ­Israels Armee bereitet sich darauf vor, in den Golanhöhen Flüchtlinge aufzunehmen.

Im Heiligen Land macht man sich außerdem über tausende Raketen und chemische Kampfstoffe der syrischen Armee Gedanken. Sie könnten in die Hände von Islamisten oder Terrororganisationen fallen. Und auch ein anderes Szenario beunruhigt nicht nur das kleine Land: Assad könnte versucht sein, kurz vor seinem Abgang die Region mit einem Verzweiflungsschlag in einen Krieg zu stürzen.

Doch anders als beim Sturz von Präsident Mubarak in Ägypten, dem viele Israelis nachtrauern, versuchen sie beim Blick auf den Nachbarn Syrien optimistisch zu bleiben. Denn Assads Sturz könnte endlich die enge Zusammenarbeit der Erzfeinde Iran, Hamas im Gaza-Streifen und der Hisbollah im Libanon beenden.

Teherans wichtigster Bundesgenosse

Damaskus ist Teherans wichtigster arabischer Bundesgenosse. Das Mullahregime investiert seit Jahrzehnten Milliarden in Assad, und machte ihn zum Gegengewicht pro-westlicher Regime. Damaskus wurde zum Drehkreuz, von dem aus Teheran Verbündete wie die Hisbollah oder die Hamas mit Geld, Waffen und diplomatischem Rückhalt versorgte.

Der Sturz des Regimes wäre ein herber Rückschlag für Iran, das Syrien weiter mit Geld, Waffen und offenbar sogar Truppen stützt. Auch der Chef der Hamas, Maschaal, muss sich umschauen. Er hatte mit seinem Politbüro Exil in Syrien gefunden und reist derzeit durch die Region, um einen neuen Unterschlupf zu finden. In Syrien ist es ihm längst nicht mehr sicher genug.

Russlands eisfreier Hafen

Auch Russland, treuer Verbündeter Syriens, das mit seinem Veto bislang alle Resolutionen im UN-Sicherheitsrat der blockierte, wäre von einem Regimewechsel direkt betroffen. Für Moskau erfüllt Assad zwei wichtige Funktionen. Er verpachtet ihnen Tartus als Marinestützpunkt. Heute ist Tartus nicht bloß der letzte Mittelmeerstützpunkt Russlands, sondern auch der einzige Hafen, der im Winter nicht zufriert oder dessen Zugang zu den Weltmeeren von einer anderen Nation beherrscht wird.

Zudem ist Syrien nach dem arabischen Frühling ein großer Markt für die russische Waffenindustrie, einem wichtigen Arbeitgeber im Land. Kein Wunder also, dass Moskau Assad weiter Rückendeckung gibt.

Jenseits der Grenzen Sorge vor dem Chaos

Auch Syriens Nachbarn Libanon, Jordanien und Irak schauen mit Sorge über die Grenze. Jedes Chaos könnte zu ihnen herüberschwappen: Instabilität könnte Libanon in einen neuen Bürgerkrieg stürzen, neue Unruhen im Irak auslösen oder den Thron des jordanischen Königshauses gefährden. mit gb